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Die Kritiker: «Die Pilgerin»

ZDF goes «Wanderhure»? Tatsächlich: Dramaturgisch ist «Die Pilgerin» nämlich ein genauso großer Reinfall. Eine Rezension von Julian Miller.

Inhalt


Teil 1

Hinter den Kulissen

  • Produktion: UFA Fiction und MIA Film in Zusammenarbeit mit Beta Film
  • Drehbuch: Don Schubert, Khyana el Bitar, Sebastian Orlac und Marc O. Seng
  • nach dem gleichnamigen Roman von Iny Lorentz (das sind Iny Klocke und Elmar Wohlrath)
  • Regie: Philipp Kadelbach
  • Kamera: David Slama
  • Produzent: Benjamin Benedict
14. Jahrhundert: Die junge, freiheitsliebende Tilla Willinger führt als Tochter eines wohlhabenden Kaufherrn in der Freien Reichsstadt Tremmlingen ein behütetes Leben. Das ändert sich schlagartig, als ihr Vater stirbt. Ihr ehrgeiziger Bruder Otfried löst als erstes ihre vom Vater geplante Verlobung mit Damian, dem Erben des Bürgermeisters Laux. Er zwingt sie stattdessen zur Heirat mit seinem neuen Bundesgenossen im Stadtrat, dem durchtriebenen Veit Gürtler. Otfried selbst nimmt die zarte Radegund, Veits Nichte, zur Frau, um die neue Allianz zwischen den Gürtlers und den Willingers zu festigen. Er weigert sich außerdem, das Testament des gehassten Vaters umzusetzen. Dieser hatte aus drängender Sorge um sein Seelenheil verfügt, dass nach seinem Tod sein Herz nach Santiago de Compostela gebracht werden soll.

Als Tillas neuer, brutaler Ehemann Veit noch in der Hochzeitsnacht stirbt, flieht sie mit dem einbalsamierten Herz des Vaters im Gepäck aus der Heimatstadt. Als Junge "Moritz" verkleidet schließt sie sich einer zusammengewürfelten Pilgergruppe an. Geführt wird die Truppe vom strengen, tiefgläubigen Vater Thomas. Mit dabei sind der freundliche, joviale Schmied Ambros, der "Moritz'" Freundschaft sucht, während der fanatische Sepp schnell alles Ungemach, das die Pilger befällt, an "Moritz" festmacht. Dann gibt es noch den feisten Dieter, der im Auftrag seines Herrn pilgert, sowie den jungen Hermann und den schweigsamen Manfred.

Was Tilla nicht ahnt: Rigobert, der rachsüchtige uneheliche Sohn ihres verstorbenen Mannes, ist ihr in Otfrieds Auftrag auf den Fersen. Denn Tilla hat, ohne es zu ahnen, zusammen mit dem Herz ein Dokument mitgenommen, das ihren Bruder des Hochverrats am Kaiser überführen könnte. Auch Bürgermeister Laux schickt Tilla jemanden hinterher: Sein jüngerer Sohn Sebastian, der für das Handelsgeschäft weniger tauglich ist, soll Tilla sicher zu Damian nach Tremmlingen zurückholen. Während Otfried in Tremmlingen versucht, gegen den Widerstand von Laux im Rat der Stadt Fuß zu fassen, stößt Sebastian zu Tillas Pilgertruppe, bewahrt aber ihr Geheimnis.

Als die Pilger schließlich von Räubern überfallen werden, erfahren sie Rettung durch einen einarmigen Ritter namens Gourdeville. In seiner Begleitung befindet sich die betörend schöne Freifrau Felicia de Béarn. Gourdeville sagt, er habe sie vor Entführern gerettet und geleite sie nun nach Hause. Kurz darauf wird Felicia erneut geraubt. Es gelingt zwar, sie wieder zu befreien, dabei werden jedoch Tilla alias "Moritz", Sebastian und Gourdeville von den Häschern des Grafen Aymer gefangen genommen und in den Kerker seiner Burg geworfen. Der Furcht einflößende Graf Aymer scheint besonderen Gefallen an dem zarten Knaben "Moritz" zu finden und lässt ihn in sein Gemach bringen. Er bedrängt Tilla, die zu Ihrem Entsetzen begreifen muss: Aymer hat längst erkannt, dass sie eine Frau ist.

Teil 2
Graf Aymer spielt mit der wehrlosen Tilla, bis er plötzlich das Interesse verliert. So erfährt Tilla aber, warum Aymer Felicia de Béarn verfolgt: Sie war seinem jüngeren Bruder versprochen, doch bevor es zur Hochzeit kam, wurde er von Felicia vergiftet. Nun sinnt Aymer auf Rache. Gourdeville kann sich und Sebastian aus dem Kerker befreien, und zusammen mit Tilla gelingt die Flucht. Rigobert, der immer noch nach Tilla sucht, wird Zeuge, wie Aymers Männer in einem Gasthof nach den Entflohenen suchen. Er bietet seine Hilfe an. Aymer rüstet den brutalen Kämpfer neu aus und bittet ihn, im Gegenzug Felicia für ihn herbeizuschaffen. Tilla, Sebastian und Gourdeville stoßen wieder zur Pilgertruppe. Es kommt zu einer heftigen Auseinandersetzung, als "Moritz" Felicia mit Aymers Mordvorwürfen konfrontiert. In Tremmlingen festigt Otfried derweil mit Intrigen seine Macht. Aktuelle Ereignisse scheinen ihm in die Hände zu spielen: Immer mehr Händler der Stadt werden überfallen, so dass die Unzufriedenheit mit Bürgermeister Laux wächst.

Bei den Pilgern kommt es zu einer fatalen Begegnung mit Kreuzrittern. Im Chaos wird die Gruppe zersprengt. Der wirre Sepp lauert "Moritz" auf und entreißt "ihm" das einbalsamierte Herz, das für ihn Ursache allen Unglücks ist. Er wirft es in ein nahes Gewässer. Bei dem Handgemenge entdeckt Sepp auch, dass "Moritz" in Wahrheit eine Frau ist. Aufgewühlt stürzt Tilla davon, um nach dem Herz ihres Vaters zu suchen. Dabei wird sie von Rigobert, der überraschend auftaucht, gefangen genommen. Doch als er Felicia und Gourdeville erblickt, greift er sofort an. Bevor Gourdeville getötet wird, treibt er Felicia zur Flucht an. Sie befreit Tilla und beide treffen wieder auf den Rest der Pilgergruppe. Doch Vater Thomas hat jeglichen Glauben an sich als Führer verloren. In Sepps Begleitung setzt er mit dem Büßerkreuz seine Pilgerschaft fort. Manfred bietet Felicia an, sie sicher nach Hause zu bringen.
In Tremmlingen tötet Otfried Damian, als dieser einen Handelszug begleitet. Vor dem Rat behauptet er allerdings, Damian und sein Vater, Bürgermeister Laux, steckten hinter den Überfällen. Laux wird daraufhin abgesetzt und eingekerkert. Nun ist die Bürgermeisterwürde für Otfried zum Greifen nah. Auf der Suche nach dem Herz ihres Vaters erfahren Tilla und Sebastian, dass Rigobert es an sich gerissen hat und auf Tilla in einem nahe gelegenen Gasthof wartet. Er fordert von Tilla das verräterische Dokument, das sie in Tremmlingen an sich genommen hat. Widerwillig händigt sie es ihm aus, nicht wissend, dass Sebastian es heimlich ausgetauscht hat.

Wird Rigobert den Verrat bemerken? Wird Tilla Santiago de Compostela erreichen und das Herz ihres Vaters in heiliger Erde begraben können? Und was passiert in Tremmlingen mit Laux, Sebastians eingekerkertem Vater? Werden sie Tillas machthungrigen Bruder stoppen können?

Darsteller


Josefine Preuß («Türkisch für Anfänger») als Tilla Willinger
Jakob Matschenz («Dreileben») als Bastian Laux
Volker Bruch («Der Vorleser») als Ottfried Willinger
Friedrich von Thun («Dell und Richthoven») als Koloman Laux
Dietmar Bär («Tatort – Köln») als Veit Gürtler
Sebastian Hülk («Inglorious Basterds») als Rigobert Gürtler
Roeland Wiesnekker («Blackout») als Ambros

Kritik


Oft muss man bei Literaturverfilmungen befürchten, dass ein komplexer Stoff aus Zeit- oder Zielgruppengründen bis zur Unkenntlichkeit banalisiert wird, dass plastische Figuren zu Stereotypenkonstrukten degradiert werden, dass aus den vielschichtigen, differenzierten Beobachtungen eines Autors krude Hirnverbranntheiten werden.

Bei der «Pilgerin» ist das freilich anders. Hier stammt die Literaturvorlage von den Iny-Lorentz-Autoren, die die Kitschwelt schon mit der «Wanderhure» beglückt haben. Ihr «Pilgerin-»Roman ist, wenig verwunderlich, literarisch mindestens genauso wertlos. Die filmische Adaption kann hier also gar nicht vereinfachen oder zuspitzen, denn schon die dramaturgische Basis ist an den besseren Stellen infantil, an den schlechteren furchtbar plump.

Sprache und Sprachduktus in der «Pilgerin» sind Anachronismen, so wie vieles andere auch. Einen authentischen Blick ins mittelalterliche Leben darf man nicht erwarten, denn dann vergeht einem alles. Getreu ihrem Genre fasst die historische Trivialliteratur den geschichtlichen Abschnitt, in dem die Handlung spielt, als bloßen Hintergrund auf, vor dem es allgemeingültige Plots und Themen zu etablieren gilt. Die Verfilmung der «Pilgerin» tut es ihrem literarischen Pendant gleich.

Aber hacken wir nicht zu sehr auf den geschichtlichen Ungenauigkeiten und Vereinfachungen herum. Wenn alles andere stimmt, könnte man das verkraften.

Doch dem ist nicht so. Denn wenn man drei Stunden lang eine – im wahrsten Sinne des Wortes – Heldenreise quer durchs mittelalterliche Europa zeigt und am Schluss dabei nicht viel mehr herauskommt, als die Coming-of-Age-Story einer untypischen Frau, die sich (letztlich erfolgreich) in einer Männerwelt bewegt hat, ist das etwas wenig. Vor allem, weil man hier so konsequent auf Zwischentöne verzichtet wie sonst nur bei der «Wanderhure». Gut und Böse sind diametral entgegengesetzte, klar voneinander getrennte Pole; Graubereiche kennt man hier nur, wenn sich aus diesem Ausgangspunkt eine einfallslose Charakterwandlung erzählen lässt.

Es dominieren die Klischees, deren markantestes Attribut ihre völlige Reduktion auf das ist, was den Autoren als das Wesentliche erscheint: gutmütige Handwerksburschen, die gutmütig sind; fanatische Fanatisten, die fanatisch sind; verkommene Widerlinge, die verkommen und widerlich sind, und eben die gute, selbstständige Frau, die gut und selbstständig ist. Ein einfacher Stoff um einfache Figuren, der einfach strukturiert erzählt wird. Setting, Themen und Personal hätten freilich viel mehr hergegeben. Doch das will man hier ja ums Verrecken nicht.

Dramaturgisch ist dieser Versuch eines Event-Zweiteilers also vor allem eines: ein völliger Reinfall, der zugunsten des Melodrams auf jedwede Komplexität verzichtet. Lediglich der Cast kann diesen, in letzter Konsequenz desaströsen, Eindruck noch ein wenig abschwächen. Josefine Preuß spielt auch infantilere Rollen noch angenehm keck und kann vor allem in ihren (sehr wenigen) Szenen mit dem ebenfalls hervorragenden Dietmar Bär zeigen, dass sie im Melodram noch Momente ehrlicher Intensität findet. Erwähnenswert ist ferner Roeland Wiesnekkers Verkörperung des Schmieds Ambros, die durch eine große Zartheit positiv aufzufallen vermag.

Das ZDF zeigt den Zweiteiler «Die Pilgerin» am Sonntag, den 5. Januar und Montag, 6. Januar um 20.15 Uhr.
03.01.2014 13:44 Uhr Kurz-URL: qmde.de/68216
Julian Miller  •  Quelle: Inhalt: ZDF

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