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Zensur & Manipulation - Wie viel Reality steckt noch in «Big Brother»?

Für RTL II und Endemol gibt es zur Zeit Grund zum Feiern, denn die aktuell laufende 10. Staffel von «Big Brother» erreicht die besten Quoten seit fünf Jahren. Man könnte annehmen, dass die Fans der Realitysendung ebenfalls rundum zufrieden sind, Zensur- und Manipulationsvorwürfe treten gerade in der Jubiläumsstaffel wieder vermehrt auf. Zu Recht?

«Big Brother» feiert in diesen Tagen die besten Ergebnisse seit fünf Jahren. Während sich die Macher freuen, hauen Medien vermehrt drauf. Und auch die Fans sind aktuell vereinzelt eher schlecht auf den Großen Bruder zu sprechen. Ihr Vorwurf: In den täglichen Tageszusammenfassungen werden beispielsweise die Bewohner von der Sprecherin, die das Geschehen kommentiert, stets mit verschiedenen Attributen versehen. Dabei ist auffallend, dass mache Bewohner mit positiven Bezeichnungen erwähnt werden, andere wiederum werden negativ bewertet. So ist Klaus der "sensible Nacktschläfer" und Aleksandra die "mazedonische Madonna", während Sabrina als "kalabrische Kampf-Cannelloni" und Exbewohnerin Jessica desöfteren als "Stressica" bezeichnet wird. Auch Exbewohner Uwe musste sich den Begriff "Aggro-Uwe" gefallen lassen, selbst wenn dies überhaupt nicht gerechtfertigt war.

Diese Attribute werden teilweise sogar beim Nominierungsvoting verwendet. Ein weiteres Beispiel: Werden bestimmte Frauen beim Sprechen über andere Bewohner gezeigt, fällt schnell der Begriff "Lästerschwestern"; handelt es sich dagegen um Klaus & Robert, führen sie "Männergespräche". Viele Zuschauer sehen diese Art der Kommentierung als Manipulation an und finden, dass damit versucht wird, ihnen eine vorgefertigte Meinung aufzudrücken. Eine Sprecherin der «Big Brother»-Pressestelle meint dazu: "Die Labels über die Bewohner sind stets ironisch und mit einem Augenzwinkern zu verstehen. Sie sind situationsabhängig und jeder Bewohner wird mal mit einem positiven, mal mit einem eher negativen Label versehen. Wir gehen davon aus, dass unsere Zuschauer diese ironischen Bezeichnungen richtig interpretieren können und sich nicht davon in ihrer Meinung über die Bewohner beeinflussen lassen."

Einige Exbewohner sehen dies allerdings deutlich anders und fühlen sich oft negativ und einseitig dargestellt, nachdem sie in die Aufzeichnungen hineingesehen haben. Es fällt auf, dass manche Bewohner in den Tageszusammenfassungen nur sehr selten gezeigt werden, wie Daniel und Pico, während andere Bewohner, wie Klaus und Aleksandra, mehr als die Hälfte der Sendezeit eingeräumt bekommen. Die «Big Brother»-Sprecherin erklärt dies so: "Jeder Bewohner wird in dem Maße gezeigt, wie interessant er für die Zuschauer erscheint. Klaus dominiert die Staffel und bringt viel Action. Dementsprechend oft wird er natürlich gezeigt." In diversen Foren sind die Fans hingegen der Meinung, dass die Auswahl der Szenen für die Tageszusammenfassung dadurch ebenfalls manipulativ ist. So werden oftmals die Ursachen für Streits nicht gezeigt, sondern nur der eigentliche Streit selbst.

Es sind die Vorwürfe, die so alt sind wie die ganze Show selbst. Schon von Beginn an waren es die Hardcore-Zuschauer mit Sky-Abo, die ein anderes Bild der Reality-Show hatten als die Menschen, die «Big Brother» machen oder ausschließlich bei RTL II verfolgen. Ganz unrecht haben sie nicht immer: Einige Ekel-Szenen mit dem polarisierenden Bewohner Klaus wurden dem Tageszusammenfassungs-Zuschauervorenthalten. Diese hätten ihn in ein deutlich negativeres Licht gerückt: Beispielsweise als er der Mitbewohnerin Lilly (Foto) vorsätzlich in den BH furzte. Übelste Beleidigungen seinerseits gegenüber Jenny und Lilly wurden auch nicht oder nur ansatzweise gezeigt. Dies legt den Verdacht nahe, dass «Big Brother» eben doch bestimmte Bewohner positiver darstellen möchte als andere, und manchmal nur die halbe Wahrheit zeigt. Auch während Liveshows haben Fans den Verdacht, dass «Big Brother» unter den Bewohnern bestimmte Lieblinge hat, denn es handelt sich bei den Schildern und Plakaten im Publikum nicht um Entwürfe der angereisten Fans. Wie bei großen Shows üblich - «Deutschland sucht den Superstar»-Praktikanten machen hier sehr gute Arbeit – werden die Plakate von der Produktionsfirma erstellt.

Bleiben noch die Zuschauer, die über Clipfish oder Sky den 24 Stunden Kanal gebucht haben. Selbst die können jedoch nicht alles sehen, was im Haus passiert. Auch in Staffel zehn kommt es häufig vor, dass die Kamera bei interessanten Gesprächen plötzlich wegblendet und auf einmal minutenlang den Hühnerstall zeigt. Das passiert meist dann, wenn die Bewohner über Dinge reden, die nach Ansicht des Großen Bruders nicht für die Ohren der Zuschauer bestimmt sind. Die Pressestelle meint dazu: "Das hat nichts mit Zensur zu tun. Wir halten uns bei der Ausstrahlung an den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, der für alle Sender gilt. Darin wird unter anderem geregelt, was zu bestimmten Uhrzeiten ausgestrahlt werden kann." In der Tat wird oft weggeblendet, wenn Kandidaten aus der Pornobranche von ihrem Beruf erzählen. Allerdings muss man sich die Frage stellen, warum man solche Kandidaten überhaupt auswählt, wenn man hinterher Angst vor solchen Gesprächen hat. Darüberhinaus gibt es bei Sky einen Jugendschutz-PIN, den jeder erwachsene Zuschauer eingeben muss, bevor der «Big Brother»-Kanal freigeschaltet wird. Bedenkt man, dass jeder Abonnent monatlich 20 Euro für den «Big Brother»-Kanal zahlen muss, der nicht einmal richtig live sendet, sondern mit einem fünfminütigen Delay, erscheint das Wegcutten noch fragwürdiger.

Diskussionen gibt es zudem über sogenannte Sprechverbote, von denen bereits ausgeschiedene Bewohner immer wieder sprechen. Auf die Frage, ob es Sprechverbote gibt, über die im «Big Brother»-Haus nicht geredet werden darf, antwortet die Pressesprecherin: "Es ist nichts ausdrücklich verboten, aber die Bewohner werden von «Big Brother» darüber informiert, dass es problematisch sein könnte, wenn sie beispielsweise über Themen wie Religion oder Politik reden, weil es in vergangenen Staffeln schon Fälle gegeben hat, in denen Bewohner aufgrund von inakzeptablen Äußerungen das Haus verlassen mussten. Es handelt sich zwar um erwachsene Personen, aber sie stehen in der Öffentlichkeit und müssen in gewissen Situationen vor sich selbst geschützt werden. Aber konkrete Sprechverbote gibt es natürlich nicht."

Zahlreiche Exbewohner berichten allerdings etwas anderes: So wurden sie regelmäßig ins Sprechzimmer gerufen, wo ihnen angeblich unmissverständlich mitgeteilt wurde, dass über dieses und jenes Thema ab sofort nicht mehr geredet werden dürfe. Die Bewohner dürfen sich beispielsweise nicht kritisch über die Entscheidungen von «Big Brother» äußern. Es darf nicht über alte Staffeln, den Matchmaster und bestimmte Vorkommnisse der laufenden Staffel geredet werden. Die verhängnisvolle Tortennominierung, in der der Bewohner Carlos eine Torte sehr heftig von Klaus in sein Gesicht geschlagen bekam, darf diesen Aussagen zufolge ebensowenig thematisiert werden wie Iris' Auszug (Foto) und Carlos' Ausraster bei Haralds Auszug.

Vor ein paar Wochen äußerte sich Robert im Gespräch mit Mitbewohner Wissam mehrmals negativ gegenüber Ausländern, was abermals nur ansatzweise bei Sky zu sehen war. Wissam war von diesem Vorfall zutiefst geschockt und erwartete, dass Robert Konsequenzen treffen werden. Doch «Big Brother» tat nichts, außer den Bewohnern zu verbieten, über dieses Thema noch einmal zu sprechen. Wissam konnte mit dieser Vertuschung nicht leben und verließ nach ein paar Tagen freiwillig das Haus. Dem RTL II-Zuschauer und auch den Medien wurde als Grund für den Auszug Heimweh genannt, doch Wissam erklärte bei seinem Besuch im Fanprojekt Big Brother-Radio, dass der Hauptgrund für seinen Auszug Roberts Äußerungen und die ausbleibenden Konsequenzen seitens «Big Brother» waren. Die Sprecherin der «Big Brother»-Pressestelle sieht das so: "Es wird stets geprüft, ob eine Äußerung wirklich schlimm ist, und im Fall Robert wurde festgestellt, dass seine Aussagen nicht ausländerfeindlich waren."

Festzustellen ist bei der RTL II-Show im Jahr 2010 wohl Folgendes: Jeder Bewohner soll für «Big Brother» eine bestimme Rolle erfüllen und Dinge, die nicht in dieses Bild passen, werden angepasst. So sollte sich Bewohnerin Jessica auf Anfrage des Großen Bruders vor ihrem Einzug die Haare von blond auf braun färben lassen, und Katrin erzählte, dass sie die Klamotten bei ihrem Einzug nicht selbst ausgesucht hat. So kommt es auch, dass manchen Zuschauern die Kandidaten nach dem Auszug in gänzlich anderem Licht erscheinen. "«Big Brother» kann es sich gar nicht erlauben, Dinge zu zensieren oder verfälscht wieder zu geben, denn sonst wäre der öffentliche Aufschrei viel zu groß", so die «Big Brother»-Pressesprecherin. In der Tat ist «Big Brother» verglichen mit diversen Doku-Soaps und Scripted Realitys noch das Format, bei dem am wenigsten nach Drehbuch geschieht. Und: Die Quoten geben der Staffel Recht, so groß kann die Unzufriedenheit des Publikums letztlich nicht sein - sonst hätte man derzeit nicht die besten Quoten seit Staffel fünf. Aber - und das darf gesagt werden: Einige Fans wünschen sich dennoch eine erheblich größere Portion Transparenz und Authentizität.
12.05.2010 09:40 Uhr Kurz-URL: qmde.de/41903
Glenn Riedmeier

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Big Brother

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