Ein weiterer deutscher Regisseur nimmt Kurs auf Hollywood. Wir sprachen mit «Die Welle»-Regisseur Dennis Gansel über sein «Mechanic»-Sequel «Mechanic: Resurrection».
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Über die Person
Der 42-jährige Hannoveraner Dennis Gansel gab sein Kinodebüt 2001 mit der Komödie «Mädchen, Mädchen», nachdem er zuvor bereits einige Kurzfilme gedreht hatte. Es folgten unterschiedliche (Genre-)Projekte wie «Napola», der hochgelobte «Wir sind die Nacht» und nicht zuletzt die immens erfolgreiche Romanverfilmung «Die Welle», der hierzulande über 2,5 Millionen Besucher in die Kinos lockte. Nach «Die vierte Macht» mit Moritz Bleibtreu folgt nun mit «Mechanic: Resurrection» die erste internationale Regiearbeit, die Gansel inszeniert. Wie ist das Projekt «Mechanic: Resurrection» zustande gekommen?
Ich habe seit «Napola» einen amerikanischen Agenten und bin seitdem auch immer mal wieder in den USA gewesen. Es gab verschiedene Projekte in ganz unterschiedlichen Formen des Developements und plötzlich wurde «Mechanic: Resurrection» konkret, weil die Produktionsfirma Millenium zunächst ein anderes Projekt hatte, das sich später wieder zerschlagen hat. Aber dann haben sie gesagt: „Hey, du bist doch so ein Genrefan. Wir haben hier ein Projekt, da ist auch Jason Statham schon attached. Willst du dir das nicht mal durchlesen?“ Dann habe ich es mir durchgelesen und mir wurde bewusst: Da kann man wirklich was draus machen! Eine Art „Dirty James Bond“, wo ich Jason auch immer schon gesehen habe. Er hat sich ja nicht umsonst immer schon so ein wenig als James-Bond-Aspirant ins Gespräch gebracht. Also merkte ich: Da ist Potenzial drin, der nächste Schritt war dann der, dass ich meine Ideen zusammengetragen habe. Dann habe ich diese dem Produzenten vorgestellt und von denen wiederum gab’s dann grünes Licht. Jetzt musste ich mich aber mit Jason treffen. Ich wurde eingeflogen, war dann in Los Angeles und sollte mich am selben Tag noch mit ihm treffen. Dann passierte aber erstmal gar nix, stattdessen saß ich fünf Tage im Hotelzimmer und das Telefon klingelte auch nicht. Doch dann rief Jason irgendwann an und entschuldigte sich mehrmals und lud mich in sein Beachhaus ein. Also bin ich hingefahren und vor Ort war dann alles total locker. Er kam gerade vom Training, machte erstmal Espresso, schmiss die Kaffeetasse runter und dann war irgendwie das Eis gebrochen. Danach haben wir eigentlich sieben Stunden lang nur gequatscht: Was ich am ersten Teil mag, was ich nicht so mochte, wie ich die Figur sehe, wie man Actionszenen vielleicht noch origineller gestalten könnte und so weiter und so fort. Und dann hat er sich am selben Tag eigentlich noch entschieden. Und dann ging’s los.
Wie ehrlich kann man sein, wenn man sich mit Jason Statham darüber austauscht, was einem an ‘nem Film gefallen hat, in dem er mitspielt? Ist man da dann wirklich ehrlich oder versucht man das so weit es geht neutral zu halten?
Ich habe es diplomatisch ausgedrückt, aber ich glaube, die von mir angesprochenen Punkte hat er dann immer verstanden. Es ist auch sehr wichtig, sowas zu machen. Denn das Problem, das ich gesehen habe, ist, dass ich Jason für jemanden halte, der in der A-Liga mitspielt, aber ich habe in meinem Freundeskreis gemerkt, dass es bei den Guy-Richie-Filmen zwar noch nicht so war, die Leute aber später oftmals Filme mit ihm durcheinander wirbeln. Wenn ich also sage, ich mache einen neuen Teil von «Mechanic», dann sagt mir mein bester Kumpel, der auch Filmfan ist, dass er das ganz toll findet, beschreibt mir anschließend aber eigentlich einen «Transporter 2»-Plot. Und daran merke ich, es ist eine Austauschbarkeit da. Ich habe also vorher schon gesagt: Wenn wir ein Sequel machen wollen, dann müssen wir auf die und die Punkte achten. Und da muss man schon ehrlich sein, wenn man in einer Liga wie Paramounts «Mission Impossible» oder Sonys «James Bond»-Reihe mitspielen will. Da war er aber auch sehr offen. Er ist jemand, der zwar schon seine Komfortzone hat, in der alles funktioniert. Wir haben aber schon versucht, ihn so ein wenig zu pushen und zu sagen, vielleicht kann sich seine Figur ja jetzt auch mal verlieben, die Beziehung zu Frauen ist nicht wie im ersten Teil nur auf Prostituierte beschränkt und vielleicht inszenieren wir auch mal eine etwas originellere Actionsequenz, zum Beispiel am freihängenden Swimmingpool eines Hochhauses – es war schon so ein wenig das Ziel, diese Gedanken an ihn heranzutragen. Und er hat uns Recht gegeben und wollte das Projekt anschließend immer noch machen (lacht).
Was hat Ihnen denn an «The Mechanic» gefallen und nicht gefallen?
Ich fand den Charakter unglaublich cool, aber gerade die Beziehung zu Frauen fand ich schwierig, sagen wir es mal so. Außerdem waren mir bestimmte Sprünge nicht ganz klar. Also ich habe jetzt zum Beispiel nicht verstanden, wieso er seinen angeblich besten Freund sofort, ohne eine Sekunde zu zögern, umbringt, gleichzeitig aber dann seinen Sohn unter seine Fittiche nimmt. Da spürte ich einfach bestimmte Sprünge in der Storyline, mochte aber alle Szenen, in denen er agiert hat, wahnsinnig gern. Auch Ben Foster war wahnsinnig stark in dem Film. So merkte ich auch, dass es sehr gut passt, wenn der Mechanic in seinem Film gewisse Abschnittsbegleiter hat. Das haben wir hier auch versucht. Erst mit Jessica Alba, später mit Tommy Lee Jones. Da wusste ich dann, dass das gut funktionieren könnte.
Um noch einmal die Actionszenen aufzugreifen, die Sie gerade schon angesprochen haben: Wenn es nicht das Budget ist, das einem die Entscheidung abnimmt, woran orientieren Sie sich, wenn es darum geht, was man real am Set umsetzen kann und was man mit Greenscreen umsetzen muss?
Ja, das Budget ist es oft, was diese Frage bestimmt. Wir versuchen zwar so viel wie möglich real zu drehen, bei einem 30-Millionen-Dollar-Budget geht das aber nicht. Bei einem «Fast & Furious»-Film ist es so, dass ein Vin Diesel einfach nur sagen muss, dass in Kuba gedreht wird und dann wird „in fucking Kuba“ gedreht.
(lacht) Dann wird der Malecón eben für vier Wochen gemietet. Aber das ist dann auch der Unterschied zwischen 190 Millionen Dollar und 30 Millionen Dollar Budget. Wir haben versucht, so viel wie möglich on location zu drehen. Es gibt so bestimmte Sachen, die gehen nicht anders. Die Szene am Hochhaus etwa, die man natürlich nicht einfach real umsetzen kann und die dann halt eine Mischung aus einer Hochhausvilla in Phuket, Studioaufnahmen und Szenen ist, die wir am Originalschauplatz in Australien aufgenommen haben. Dafür musste Jason dann nicht einmal nach Australien kommen.
Wie ist es, für so einen Film um die Welt zu reisen? Sieht man da überhaupt etwas von den Städten, wo man gerade ist?
Man muss sich sehr genau vorbereiten und sieht von dem Land, wo man gerade ist, letztendlich so gut wie gar nichts. Man steigt aus dem Flugzeug, fährt direkt zur Location, dreht die Szenen dort schnell ab und fliegt danach wieder zurück. Auch in Thailand habe ich außerhalb des Drehorts nichts gesehen. Ich glaube, ich habe in acht Monaten zwei Tage frei gehabt. Ansonsten arbeitet man durch, auch weil ständig irgendwelche unvorhergesehenen Dinge passieren. Die Art von Komplexität innerhalb der Arbeit zwingt einen auch zu einer unheimlich genauen Vorbereitung. Bei der «Welle» war das ein wenig anders. Da habe ich am Anfang des Tages überlegt, wo ich bis zum Ende des Drehtages hin will und schlussendlich obliegt mir die Entscheidung, das zu ändern. Bei Actionszenen hingegen kommt man gar nicht durch den Tag, wenn das alles nicht hundertprozentig genau im Storyboard steht. Ich fand es aber ganz angenehm. Das kommt meiner deutschen Seele ein wenig entgegen, sehr genau vorbereitet ans Set zu gehen. Zumal die Schauspieler ja auch irgendwann gehen. Um 17 Uhr geht ein Jason Statham dann auch einfach, weil es von der amerikanischen Schauspielergewerkschaft so geregelt ist. Und ohne Star kann man dann natürlich nichts mehr drehen.
Ist mit «Mechanic: Resurrection» jetzt sowas wie ein Traum in Erfüllung gegangen? Jetzt, wo Hollywood angeklopft hat?
Auf jeden Fall! Ich wollte so etwas immer machen, aber jahrelang war ich derjenige, der sich immer über gewisse Dinge beklagt hat. Denn ich finde, dass wir hier in Deutschland aus einem Land kommen, das den Genrefilm erfunden hat. Mit «Spione» hat Fritz Lang den «James Bond»-Film vorweg genommen, «Nosferatu» war der erste Vampirfilm, der weltweit gemacht wurde – das ist unser Land! Wir haben diese Dinge erfunden. Dass jetzt zu 70 Prozent Komödien gemacht werden, das verstehen noch nicht einmal die Amerikaner. Sogar mit Jason und Tommy Lee Jones hab ich mich über das Thema unterhalten. Aus einem Land mit 80 Millionen Einwohnern werden ihnen immer wieder Filmemacher vorgestellt, aber fast immer im Zusammenhang mit Komödien. Aus Dänemark hingegen, einem Land mit gerade einmal sechs Millionen Einwohner, kommen dagegen Vampirfilme, Zombiefilme, Thriller, Action, tolle Serien und so weiter –
‘What the fuck is happening in Germany?‘. Ich kann das Problem nicht lösen und ich weiß auch nicht woran es liegt. Es gibt immer mal wieder tolle Ausnahmen wie zum Beispiel «Who am I?» die alles richtig machen und wo es funktioniert. Aber es ist viel zu wenig. Nichts gegen deutsche Komödien. Es ist toll, dass es sie gibt. Aber es ist wahnsinnig schwer, das Rad rumzudrehen. Deshalb: Lange Antwort auf eine kurze Frage: Für mich ist vor allem deshalb ein Traum in Erfüllung gegangen, weil mir das Projekt es ermöglicht hat, einen Film zu machen, den ich in Deutschland nie machen könnte.
Es gibt 9 Kommentare zum Artikel
24.08.2016 00:36 Uhr 7
Und, wenn dann deutsche Regisseure sich lieber für Hollywood entschieden, da dort eben alle Genre's gedreht wwerden, finde ich, das in Deutschland was ganz faul ist.....
25.08.2016 19:43 Uhr 8
Im Bereich Thriller/Drama ist aber sicher Luft nach oben, da haben Filme wie "Das Leben der Anderen" gezeigt, dass man auch mit kleinerem Budget einen großartigen Film machen kann.
25.08.2016 20:20 Uhr 9