►   zur Desktop-Version   ►

'Nicht einmal die Amerikaner verstehen, dass Deutsche fast nur Komödien drehen'

Ein weiterer deutscher Regisseur nimmt Kurs auf Hollywood. Wir sprachen mit «Die Welle»-Regisseur Dennis Gansel über sein «Mechanic»-Sequel «Mechanic: Resurrection».

Seite 2
Aber Sie haben es doch schon gemacht, mit «Wir sind die Nacht»!?
Ja, aber nicht erfolgreich. Und danach ist dann auch erstmal Schluss mit so einer Art von Film. Und vielleicht ist es auch der Grund, weshalb der Baran Bo Odar nach «Who am I?» jetzt erst einmal eine Serie macht und sich sozusagen langsam vortastet, denn obwohl man einen Elyas M’Barek auf dem Höhepunkt seines Bekanntheitsgrades hatte, hat es am Ende „nur“ zu 800.000 Besuchern gereicht. Da ist ein solch großer Vertrauensverlust beim deutschen Publikum da, den ich ja sogar in einem eigenen Umfeld beobachten kann, da müssen wir uns noch viel erkämpfen.

Es würde mich zum Beispiel gar nicht wundern, wenn ein Testscreening in Deutschland genau so ausfällt wie ein Testscreening in den Vereinigten Staaten.
Dennis Gansel über den Filmmarkt USA
Sie haben mit «Mechanic: Resurrection» ja nicht bloß mit amerikanischen Stars gedreht, sondern auch für das amerikanische Publikum. Dreht man da irgendwie anders, weil die Sehgewohnheiten in den USA anders sind als hier?
Weiß ich gar nicht unbedingt. Ich glaube, es gibt eine bestimmte Erwartungshaltung an so eine Art von Film. Und ich glaube, dass diese weltweit so ist. Es würde mich zum Beispiel gar nicht wundern, wenn ein Testscreening in Deutschland genau so ausfällt wie ein Testscreening in den Vereinigten Staaten. Das ist zum Beispiel so absurd am Testscreening, das wir im Valley nahe von Los Angeles gemacht haben. Es war das einzige, das zu dem Film überhaupt gemacht wurde und die Produzenten sagen: Das ist der weltweite Geschmack! Und ich habe nachgefragt, weil ich mir dachte, dass das ja eigentlich gar nicht sein könne. Aber es ist tatsächlich so. Ich merke, dass positive und negative Anmerkungen zum Film sich überall gleichen. Und daran merkt man dann, dass es vielleicht doch so eine Art weltweiten Geschmack gibt, deshalb dreht man nicht unbedingt anders in den USA und in Deutschland.

Man hat gerade erst in Bezug auf «Suicide Squad» gehört, dass viele Filmemacher unzufrieden sind, weil das Studio ihnen in die Arbeit reinpfuscht. Wie haben Sie das beim Dreh von «Mechanic: Resurrection» empfunden?
Ich habe das mit «Suicide Squad» auch gehört und ich bin sehr gespannt, jetzt demnächst auch mal die Originalfassung vom Regisseur zu sehen. Ich selbst fand es bei der Arbeit relativ offen. Ich hatte den Eindruck, dass die Amerikaner gesehen haben, dass das Skript zu «Mechanic 2» eines ist, das sich eher im B-Plus-Bereich ansiedeln lässt. Und nun haben sie sich mit Ansage einen europäischen Regisseur gesucht, der, wie man so schön sagt, ‘material elavation ‘ betreiben soll. Der Film soll also besser werden, als das Ursprungsprodukt. Deshalb waren die alle unglaublich offen für Ideen, die ich ihnen vorgeschlagen habe. Die Pool-Sequenz kam von uns noch rein oder die Figur von Tommy Lee Jones wurde von uns noch ein wenig exzentrischer gemacht. Das sind dann Ideen, die mit Kusshand genommen wurden. Gleichzeitig gibt es auch Szenen, die wir eingereicht hatten, dann aber entweder nicht genommen oder eingekürzt wurden. So habe ich zum Beispiel eine Szene gedreht, die zeigen sollte, wie der Mechanic zum Mechanic wurde, die jetzt aber nur noch im Dialog stattfindet. Eigentlich begann der Film im London der Siebzigerjahre. Man sieht einen kleinen Jungen im Waisenhaus, der verkauft und zum Mechanic ausgebildet wird. Ich fand die Szene großartig, die Produzenten haben dann aber entschieden, dass man sie nicht unbedingt braucht und der Zuschauer lieber direkt ins aktuelle Geschehen eintauchen soll. Das ist eine Entscheidung, die ich anders getroffen hätte, gebe ich gerne zu. Aber vielleicht vermisst man es auch nicht. Ansonsten fand der Austausch zwischen mir und dem Studio immer auf Augenhöhe statt und hat mir überraschend gut gefallen. Aber das ist sicher auch zum Teil dem moderaten Budget geschuldet. Ich kann mir bei einem 200-Millionen-Dollar-Projekt wie «Suicide Squad» schon vorstellen, dass der Druck auf die Regie größer ist, als bei 30 Millionen, wo man sagt, den Gansel lassen wir mal machen (lacht).

Wie fühlt es sich an, direkt im ersten Hollywood-Projekt mit einer Größe wie Tommy Lee Jones zu drehen?
Ich hatte am Anfang wahnsinnig viel Respekt und war beim ersten Treffen auch ganz schön aufgeregt. Das hat sich aber schnell aufgelöst, weil mein Pitch war: Du bist eine Mischung aus Julian Schnabel und Ringo Starr. Und das fand er super und wollte direkt auch einen Morgenmantel und kleine Slipper haben. (lacht) Das war toll! Natürlich kommt einem dann auch zugute, dass man es mit jemandem zu tun hat, der schon alles gemacht hat. Er wusste damals auch schon, dass er nach «Mechanic» beim neuen «Bourne» mitspielt, wo es am Schluss auch nicht ganz so gut für ihn ausgeht. Daher war er entsprechend froh, dass ich diesmal netter mit ihm ins Gericht gehe. Da rennt man dann eigentlich auch offene Türen ein. Und die Stars wissen natürlich auch, wie sie wirken, sodass sie in den ersten Gesprächen immer darauf achten, schnell das Eis zu brechen. Bei Jessica waren sofort die Kinder dabei und dann sitzt man auch nicht als Fanboy da und erinnert sich daran, dass man «Dark Angel» ja schon mit 17 toll fand. Das will sie aber auch, denn sie verlangt ja einen europäischen Regisseur, der ihr sagt, was sie machen soll – und eben keinen Fanboy.

Ist Jason Statham jemand, der ähnlich wie Tom Cruise viele der Stunts selbst machen will?
Er macht sehr viel selbst, man muss ihn eher stoppen. Aber er ist eben auch ein bisschen älter geworden und weiß schon ziemlich genau einzuschätzen, was er sich zumuten kann. Es gibt zum Beispiel bestimmte Taucherszenen, bei denen er gesagt hat, dass er die gern erst am Ende machen würde, weil das nicht mehr geht, wenn er sich zuvor irgendwo verletzt hat. Bei «Expendables 3» wäre er fast ums Leben gekommen, weil er fast ertrunken wäre. Ich glaube, das war schon eine Situation, die irre knapp gewesen wäre, wenn die blugarischen Kampftaucher ihn da nicht herausgezogen hätten. Seitdem ist er zurückhaltender geworden, aber er ist natürlich nach wie vor top in Form. Wäre er kein Hollywoodstar, dann wäre er einer der besten Stuntmänner überhaupt.

Ein Stuntman hatte sich in eine Schlinge gelegt, die so ungünstig geknüpft war, dass er ohnmächtig wurde. Im Take sieht man noch, wie der Stuntman anfängt zu zittern und da mussten dann natürlich sofort Leute hin und ihn abhängen.
Dennis Gansel über Pannen am Set
Gab es so eine brenzlige Situation auch bei «Mechanic: Resurrection» am Set?
Eine Situation gab’s tatsächlich. Die Szene ist aber leider nicht mehr im Film drin. Ein Stuntman hatte sich in eine Schlinge gelegt, die so ungünstig geknüpft war, dass er ohnmächtig wurde. Im Take sieht man noch, wie der Stuntman anfängt zu zittern und da mussten dann natürlich sofort Leute hin und ihn abhängen. Nichts passiert, alles gut gegangen. Aber da dachte ich auch für einen kurzen Moment, dass das auch hätte schief gehen können. Und es lag auch noch an mir, weil ich den Take hatte durchlaufen lassen. Er hatte sich darauf vorbereitet, dass ich irgendwann „Cut!“ sage, aber ich hatte mehr gedreht, als ich eigentlich brauchte.

Ist die Szene jetzt mit Absicht, quasi aus Respekt gegenüber des „Opfers“ nicht mehr im Film drin?
Nein, die Szene ist nicht mehr im Film drin, weil ich nicht wollte, dass der Mechanic jemanden umbringen muss, um ins Gefängnis zu kommen. Stattdessen wollte ich, dass er über andere Wege ins Gefängnis kommt, um dort dann seinen nächsten Auftrag auszuführen.

Mal angenommen, die Szene wäre inhaltlich relevant gewesen und auch der Take hätte Ihnen gefallen, dann gibt es ja einige, die sagen, wenn so etwas passiert, dann soll es sich wenigstens gelohnt haben und die Szene geht erst recht in den Film. Die anderen hingegen sagen, aus Respekt vor dem Schauspieler lassen wir die Szene weg. Wie stehen Sie dazu?
Nein, es wäre schon in Ordnung gewesen, die Szene zu verwenden. Der Stuntcoordinator meinte danach zu mir, dass ihm schon ganz andere Dinge passiert seien, es könne also gut reingeschnitten werden. So gruselig es auch ist, war das natürlich auch der beste Take.

Wir bedanken uns sehr herzlich bei Dennis Gansel für dieses sympathische Gespräch!
« zurück
23.08.2016 17:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/87607
Antje Wessels

super
schade

95 %
5 %

Artikel teilen


Tags

Bourne Dark Angel Expendables 3 Fast & Furious James Bond Mechanic Mechanic 2 Mechanic: Resurrection Mission Impossible Napola Nosferatu Resurrection Spione Suicide Squad The Mechanic Transporter 2 Welle Who am I? Wir sind die Nacht

◄   zurück zur Startseite   ◄
Es gibt 9 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
24.08.2016 00:36 Uhr 7
@P-Joker: es muss doch aber auch mal andere Filme geben, als NUR Comedy und Komödien!! Und, das mit den Action ist eben zum Glück auch Geschmackssache!! Es gibt ja nicht nur 2 Genre's: Komödie und Action!! Es gibt auch Kriminalfilme und Thrilller, von diesen Genre's könnten sich Deutschland's Filmemacher aber auch mal was trauen, zu machen!!





Und, wenn dann deutsche Regisseure sich lieber für Hollywood entschieden, da dort eben alle Genre's gedreht wwerden, finde ich, das in Deutschland was ganz faul ist.....
Tony Montana
25.08.2016 19:43 Uhr 8
Naja, aus Krimis besteht ja gefühlt eh schon zu 95% das Fernsehen der ÖR, da sieht wohl keiner den Bedarf für noch mehr... Bei Action wirkt es halt sehr gezwungen (und ein Stückweit billig, da es selten große Budgets gibt), eher auf dem Niveau einer durchschnittlichen Direct to DVD-Verfilmung aus den USA.



Im Bereich Thriller/Drama ist aber sicher Luft nach oben, da haben Filme wie "Das Leben der Anderen" gezeigt, dass man auch mit kleinerem Budget einen großartigen Film machen kann.
Kunstbanause
25.08.2016 20:20 Uhr 9
Beim Plural wird der Genitiv-Apostroph nicht benötigt.
Alle 9 Kommentare im Forum lesen

Qtalk-Forum » zur Desktop-Version

Impressum  |  Datenschutz und Nutzungshinweis  |  Cookie-Einstellungen  |  Newsletter