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Die Kino-Kritiker: «Magic Mike»

Pünktlich zur wärmsten Jahreszeit wird es heiß in den Kinos: die Stripperkomödie «Magic Mike» macht verrückt, doch weniger wegen eines guten Drehbuchs und guten Darstellern. Stattdessen ist das Gegenteil der Fall.

Überflieger Channing Tatum verdreht nicht erst seit seinem Erscheinen auf der Leinwand die Köpfe der Damenwelt. Vor seiner Hollywoodkariere arbeitete der gestandene Schauspieler – man mag es kaum glauben – als Stripper. Genau diese schmuddelige Vergangenheit machte sich das Regisseur-Urgestein Steven Soderbergh nun zunutze und schuf mit der mehr dramatischen, denn witzigen Komödie «Magic Mike» eine etwas andere Form des Biopics.

Michael Lane (Channing Tatum) führt ein Doppelleben. Tagsüber hält er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, nachts lässt er unter dem Namen „Magic Mike“ leicht bekleidet seine Hüften kreisen. Und Mike hat Fans, denn er ist der Beste seines Fachs und schon seit Jahren im Geschäft. Zusammen mit seinen Kollegen „Big Dick“ Richie (Joe Manganiello), Ken (Matt Bomer) , Tito (Adam Rodriguez) und Tarzan (Kevin Nash) zeigt Mike Nacht für Nacht sein Können vor den kritischen Augen seiner Verehrerinnen. Doch eigentlich fühlt er sich zu Höherem berufen. Seit Jahren spart er darauf, irgendwann ein eigenes Geschäft zu eröffnen und dort selbstdesignte Möbel zu verkaufen. Aber der Weg zur Erfüllung dieses Lebenstraumes ist steinig. Eines Tages lernt er während einer seiner Nebentätigkeiten den unbedarften Adam (Alex Pettyfer) kennen. Grün hinter den Ohren und noch ohne jedwede Perspektive wittert Mike die Chance, Adam in die Stripperkreise einzuführen. Nach mehreren glücklichen Zufällen steht er eines Abends schließlich auch auf der Bühne und macht seine Sache – zum Verwundern von Chef Dallas (Matthew McConaughey) recht ordentlich. Da Adam in diesem Gewerbe das große Geld wittert, stimmt er einer Zusammenarbeit mit dem Ensemble zu und ist fortan Teil der traditionsbewussten Männergang. Doch der Erfolg, der mit jedem Auftritt größer zu werden scheint, steigt „The Kid“, so Adams Künstlername, zu Kopf. Er verführt Frauen, vergisst seine guten Manieren und als ihm zum ersten Mal Drogen angeboten werden, kann er nicht widerstehen. Mike bekommt nicht mit, wie sein Schützling immer weiter auf die schiefe Bahn gerät, denn der hat nur Augen für Brooke (Cody Horn), Adams schöne Schwester.

Bereits im Trailer konnte sich die Zuschauerin einen Eindruck davon verschaffen, was sie wohl erwarten mag. Eine zum Sommer passende Komödie, voller nackter Männerkörper. Ein wenig obszön, ein bisschen extravagant – und trotzdem harmlos. Ein Film, den man sich mit seinen Freundinnen anschaut, vielleicht im Kreise eines Junggesellinenabschieds, wenn man sich den leibhaftigen Stripper nicht leisten kann oder die Hemmungen, in einen „richtigen“ Stripclub zu gehen, zu groß sind. Doch je detaillierter die Erwartungen, umso leichter ist es, enttäuscht zu werden. Vor allem dann, wenn Kino- und TV-Trailer etwas völlig anderes versprechen, als man letztlich präsentiert bekommt. Immerhin sollen die kleinen Highlightfilme vorab einen Blick auf den Hauptfilm bieten.

Doch der Reihe nach: «Magic Mike» ist zunächst einmal überhaupt nicht das, was er im Trailer zu sein verspricht. Präsentiert sich der Streifen hier als locker leichte Komödie, so entpuppt er sich im Laufe seiner großzügig bemessenen (!) zwei Stunden als sozialkritisches Drama um die Existenz eines Heranwachsenden. Zwar sorgt vor allem wohl platzierter Dialogwitz für das eine oder andere Schmunzeln und der Blick hinter die Kulissen des Nachtclubs lässt einem durchaus für einige Zeit den Mund offen stehen. Zudem ist es selbstredend, dass bei derartiger Thematik nicht auf schlüpfrige Gags verzichtet wird. Letztere werden, zur Grundstimmung passend, niemals allzu drastisch formuliert, wenngleich man es sich nicht verkneifen konnte, hier und da das blanke Gemächt eines der Darsteller in Großaufnahme zu zeigen. Dennoch fehlt es den halbwegs komischen Szenerien durchweg an Spritzigkeit und Dynamik. Hieran trägt vor allem eine überaus gewöhnungsbedürftige Bildsprache Schuld. Auf der einen Seite in einem unnatürlichen Dunkelgrau gehalten, präsentieren sich die Nachtclubszenen nicht wie gewohnt glamourös, sondern dreckig und unschön. Dies passt zwar zu Kernaussage, trifft den Nagel jedoch nicht auf den Kopf, wenn die einzelnen Stripshows mit einem Augenzwinkern dargeboten werden.

Auf der anderen Seite ist «Magic Mike» außerhalb der Stripbar in derart aufdringlichen Sepiatönen gehalten, dass ein Til Schweiger bei solch einer Optik gelb vor Neid werden würde. Die Mischung aus Braun-, Gelb-, und Orangetönen ist jedoch nicht dienlich, Szenerien zu unterstreichen und damit zu einem Stilmittel zu werden. Stattdessen ist sie zwar vorhanden, wird jedoch schnell nur noch als Störfaktor wahrgenommen.

Auch in der Konsequenz des Handlungsverlaufs muss «Magic Mike» mehrere Abstriche machen. Während die Einführung des jungen Adam, blass und ohne Nachdruck gespielt von Alex Pettyfer («Ich bin Nummer Vier»), noch halbwegs gelingt und vor allem Channing Tatum («Für immer Liebe») eine den Cast um Meilen überragende Figur abgibt, gerät der Mittelteil zu einer abstrusen Mischung aus Showdarbietungen im Club und langweiligen Dialogpassagen. Besonders negativ fällt hieran auf, dass sich beide Faktoren in immer demselben Trott abwechseln und so schnell vorhersehbar werden. Umso eindrucksvoller ist schließlich der krasse Bruch zum letzten Drittel des Films, als aus der nichtssagenden Komödie ohne Gaghighlights aus einer 180-Grad-Wendung heraus wie aus dem Nichts ein Drama wird, welches sich mit den Schattenseiten des Stripperdaseins befasst. An dieser Stelle schafft es zwar vor allem die Tiefgründigkeit der nachfolgenden Handlungen, den Streifen halbwegs versöhnlich zu beenden, jedoch auf einem relativ niedrigen Niveau.

Leider passt bei «Magic Mike» partout nichts zusammen. Einzig Channing Tatum, der seine titelgebende Figur doch noch weitgehend mit Herzblut spielt, stellt den Lichtblick dar, der der Dramödie über die gesamte Laufzeit fehlt. Sämtliche Darsteller bleiben hinter ihren Schauspielerleistungen zurück. Und je bekannter der Name, desto enttäuschender fällt die Meinung zu den einzelnen Figuren aus. Die Handlung ist inkonsequent, nur allzu konstruiert und dementsprechend unglaubwürdig. Der im Trailer als Protagonist vorgestellte Channing Tatum lässt sich von dem absolut nicht überzeugenden Alex Pettyfer an den Rand drängen. Drehbuchbedingt fällt Pettyfers Screentime wesentlich größer aus, als die von Tatum, was zu weiteren Verwirrungen seitens des Publikums sorgt. «Magic Mike» legt sich nicht auf einen Protagonisten fest. Das mag eine nette Abwechslung in der aktuellen Kinolandschaft sein, funktioniert hier allerdings überhaupt nicht. Zu keinem Zeitpunkt weiß der Zuschauer, worauf er sich wann zu konzentrieren hat. Das verwirrt und beginnt schnell, zu nerven. Die Mischung aus absoluter Vorhersehbarkeit und ungewollter Überraschung macht aus «Magic Mike» einen Rohrkrepierer, um im Slang des Films zu bleiben. Da sollten sich die Damen das Geld lieber sparen – und sich stattdessen einen echten Stripper zu Gemüte führen.
14.08.2012 09:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/58492
Antje Wessels

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Kino-Kritiker

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