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Comics leben und ehren in «Comic Book Men»

Die neue Realityserie, die auf AMC als Lead-out zu «The Walking Dead» läuft, soll sich mit den Comics beschäftigen und die Geschichten eines Comicladens von Kevin Smith erzählen. Das funktioniert zwar nicht unbedingt, trotzdem können Comic-Fans auf eine glorreiche Zukunft hoffen.

Die San Diego Comic Con ist der Beweis dafür, dass das Leben von Comic-Nerds heutzutage einfacher ist, als es in den 1960ern und 70ern der Fall war. Zum ersten Mal 1970 ausgetragen, kamen in den nächsten zehn Jahren nicht mehr als 6000 Menschen pro Jahr zur Convention.Im nächsten Jahrzehnt wuchs der Besucherrekord auf 13.000 Personen, während in den 90ern mehr als jährlich 40.000 Besucher den Weg nach San Diego fanden. Zur Comic Con im letzten Jahr erschienen sogar mehr als 130.000 Comicfans und Freunde des fantastischen Fernsehens und Films.

Eins ist also klar: Comics werden nicht mehr nur als Kinderkram abgestempelt, mit denen Erwachsene keinen Spaß finden können. Mit dem Einzug der DC- und Marvelhelden in die Lichtspielhäuser verbreitete sich auch die Akzeptanz, dass Comics alles andere als nur Kindergeschichten bieten. Kevin Smith, bekannt als Regisseur von Filmen wie «Dogma» oder «Jersey Girl» und als die dickere und bärtige Hälfte von Jay und Silent Bob, ist selbst ein Comic-Geek erster Güte. Und er ist stolz darauf. Geek-Diskussionen unter Smith gab es schon in seinem Debut «Clerks», und sie setzten sich mit einem Comic-betonten «Chasing Amy» fort, welcher von einer Liebesgeschichte zweier Comicautoren erzählt. Und nicht zu vergessen ist der Auftritt von Silent Bob als Batman in «Mallrats», der am Ende mit seinem Kopf in der Frauenumkleidekabine landete.

Kurz: Kevin Smith liebt Comics, und er tut alles, um seine Liebe für die Tafelbilder und die Sprechblasen an die ganze Welt weiterzugeben. Im Februar 2007 veröffentlichte Smith zusammen mit seinem Produktionspartner Scott Mosier die erste Ausgabe des „SModcast“ – ein Podcast über alles Mögliche, über was die beiden Herrschaften für eine Stunde reden wollten. Das führte zur Kreation eines kompletten SModcast-Kanals, der inzwischen Dutzende verschiedene Podcast-Serien beinhaltet (in denen Smith seine Freunde einlädt, und hin und wieder zusammen mit Jason Mewes, alias Jay, und seine Frau Jennifer Schwalbach podcastet) und heute sogar eine eigene Internetradiostation in Amerika hat. Nun will Smith seine Liebe für die Comics auch ins Fernsehen bringen. Die Realityserie «Comic Book Men» findet seinen Einsatz als Lead-out zu «The Walking Dead» auf AMC. Damit will der Kabelkanal erreichen, dass «The Walking Dead» als Zuschauermagnet (am Sonntag wurde erneut der Kabelrekord in der Zielgruppe geknackt) auch einen positiven Quoteneinfluss auf sein Nachfolgeprogramm hat. Warum also nicht der Einsatz einer speziellen Comicsendung, nachdem schon «The Walking Dead» auf eine Comicserie basiert?

«Comic Book Men» begleitet die Angestellten von Jay and Silent Bob's Secret Stash, Kevin Smiths Comicladen in Red Bank, New Jersey. Die Kamera fängt dabei die Arbeiten von Manager Walter Fanagan, Bryan Johnson, Ming Chen und Mike Zapcic ein, die hin und wieder in ihrer Podcast-Radiostation sitzen und die Erlebnisse der Episode rekapitulieren. Die Arbeit im Secret Stash besteht aus einer Diskussion, welche Comicheldin die Schärfste ist und wer während eines Flohmarktverkaufes das meiste Geld mit alten Comics und Actionfiguren einnimmt. Ein weiterer Tag der Routine ist das Streben nach seltenen Sammlerstücken, die von beliebigen Personen gebracht werden, und nun versuchen, Walter genügend Schmalz um die Ohren zu reden, damit er die Sammlerstücke für die gewünschte Summe Geld abkauft. «Comic Book Men» ist nach Angaben von Kevin Smith eine „Ode an die Nerds“, doch davon war in der Premiere nichts zu sehen. Was viel zu sehr eine Fokussierung auf die Arbeit in einem Comicladen war, ging auf Kosten der eigentlichen Diskussion über und Entdeckung von Comics. Mit der Ausnahme der Debatte um die schärfste Comicheldin, sowie um die Geschichte der Darstellung von Drogen (und deren Sucht), vor allem in den frühen „Green Lantern“/“Green Arrow“-Comics, gibt es nichts, warum Comics allgemein als Gut in der Mainstreamwelt betrachtet werden kann. Am Ende scheint «Comic Book Men» nicht wirklich als Ode an die Nerds betrachtet werden, da die Premiere größtenteils nur die Arbeit der Comicladenbetreiber verfolgt.

Hinzu kommt, dass «Comic Book Men» die Klischees von sich gibt, die allgemein betrachtet das Comicbusiness nicht gerade rosig aussehen lassen. Vor allem Bryan Johnson könnte als „Problemkind“ angesehen werden, da er einfach zu rücksichtslos ist. Auch wenn seine scharfen Hiebe gegen Mitarbeiter Ming Chen freundlich gemeint sind, gehen die Witze gerne unter die Gürtellinie, und könnten es sogar als Bully-Story in eine «Glee»-Episode schaffen. Hinzu kommt, dass die Besitzer des Comicladens mit ihren Kunden (und deren Sammlerstücken) auch nicht gerade freundlich umgehen. «Comic Book Men» glänzt nicht umsonst mit der Abwesenheit von Frauen im Titel (und zunächst auch im Laden), doch sobald die erste Frau den Laden betritt und eine Chucky-Puppe (ja, die Mörderpuppe aus dem Horrorkomödien-Franchise) an den Mann bringen will, wird sich eher über das Verhalten der Frau lustig gemacht, als den „Ernst“ der Situation zu sehen. Die Episode hatte sogar die Chance, mit Hilfe der Chucky-Puppe und ihrer Besitzerin über den Sinn und Unsinn des Horrors in den Filmen zu diskutieren (und damit auch Themen außerhalb der Comics anzugreifen), doch für mehr als eine Nennung des Problems hat es nicht gereicht.

Der einzig interessante Aspekt von «Comic Book Men» ist die Darstellung der seltenen Sammlerstücke. Ein Poster des Donnergottes Thor, ein von Batman-Erfinder Bob Kane gezeichneter Sketch mit Autogramm aus den 70ern, eine Actionfigur des 6-Millionen-Dollar-Manns (Fun Fact: Kevin Smith arbeitete an einem Kino-Remake der 70er-Jahre-Serie, welches jedoch nie im Produktion ging, weshalb er sein Drehbuch in einer Comicserie mit dem Titel „The Bionic Man“ wiederverwertet hat) – die Sammlerstücke und deren Versteigerung im Comicladen erinnern an so manche etablierte Realityserie im Kabelfernsehen. Insbesondere erinnert es an «Pawn Stars», welches das Verkaufen oder Verpfänden von antiken Gegenstücken thematisiert), und genau deshalb kann das Format punkten: «Comic Book Men» fühlt sich hier wie eine echte „normale“ Realityserie an, die auch ein Ziel verfolgt. Denn in weiten Teilen der ersten Stunde hat es noch den Anschein, als wäre die Serie mit ihren zufälligen Themen ziellos.

«Comic Book Men» fehlt es an Comics. Und weiblichen Comic-Fans (Kevin Smith antwortete auf dieses offensichtliche Problem mit „Eins nach dem anderen“). In dieser Form wäre die Serie sicherlich auf einem der kleineren Kabelsendern untergekommen, wo sie zusammen mit anderen Dokumentations- und Realityshows hätte ausgestrahlt werden können. Aber mit «The Walking Dead» als Zugführer, sowie der Tatsache, dass die Ausstrahlung nunmal auf AMC folgte, darf man durchaus enttäuscht auf den Start zurückblicken. Wenn es nicht mal die Premiere schafft, auf Comics, ihre Leser, die einzelnen Franchises (die Superhelden), oder die Geschichte der einzelnen Comicserien einzugehen, wie sieht dann der Rest der Staffel aus? Roundtable-Diskussionen (wie die Schnitte in die Podcast-Diskussion, die zusammen mit den Episoden im SModcast veröffentlicht werden) mit den größten Comic-Nerds in New Jersey alleine reichen nicht aus. Immerhin sind Comicfans die Zielgruppe des Formats, und die lassen sich nicht mit den manchmal kruden Lebensgeschichten der Comicladenbesitzer abspeisen.

Allerdings hat «Comic Book Men» die Chance, Comics allgemein ins Fernsehen zu bringen. Womit wir beim Grund wären, warum es dieser Artikel überhaupt auf Quotenmeter.de geschafft hat: Comics mögen mit ihren Verfilmungen – «The Avengers» wird zurzeit herbeigesehnt – ihre Renaissance erlebt haben, doch im Fernsehen sind sie immer noch nur eine Randnotiz. «The Walking Dead» hat es geschafft, den Comics die Chance auf eine „echte“ Realserienadaption zu geben. Comics sind immerhin auch Serien, wenn auch nur in gezeichneter Form auf Papier. Manchmal geben Drehbuchautoren ihren Comichelden in den Filmen nicht die Chance, sich über einen Film ausreichend als Charaktere zu entwickeln (die «Avengers» Origins-Filme kann man hier durchaus nennen). Comicserien wie „The Walking Dead“, „Y: The Last Man“ oder „Sandman“ würden sich äußerst gut als TV-Serien machen, statt ihre groß angelegten Geschichten in zweistündige Filme zu verschwenden (obwohl sich „Sandman“, ähnlich wie «Der Herr der Ringe», in einer Trilogie wohlfühlen würde).

In Zukunft wird es deshalb mehrere Comic-Formate im Fernsehen geben. FX arbeitet zur Zeit am Piloten von «Powers» und FOX hat sich die Rechte an den „Punisher“- und „The Spectre“-Comics gesichert (nachdem sie «Locke & Key» nicht zur Serie bestellten). «Twilight»-Autorin Melissa Rosenberg arbeitet an einer TV-Adaption von „Alias“, welche die Marvel-Privatdetektivin Jessica Jones ins Zentrum des Geschehens stellt, während Marvel allgemein stärker im Serien-Geschäft verwickelt sein möchte (eine neue «Hulk»-Serie ist im Gespräch). Im Sommer 2011 kündigte Showtime eine Adaption von „100 Bullets“ an, während auf The CW die Pläne für eine „Green Arrow“- und „Deadman“-Serie heiß laufen («Arrow» wurde in diesem Jahr als Pilot bestellt und könnte es im Herbst 2012 ins Programm schaffen).

Wenn «Comic Book Men» es also tatsächlich auf langer Hinsicht schafft, Comics eine Zielgruppe im Fernsehen zu geben, dann besteht auch die Chance, dass es die Comicverfilmungen bald auch als TV-Serien zu sehen gibt. Wünschenswert wäre es – vor allem für Comicfans, die mehr wollen als nur ihre ungefähr fünf Filme pro Jahr. Und vielleicht gelingt es Kevin Smith auch hin und wieder über die Comics außerhalb des Superhelden-Genres zu reden. Es gibt immerhin nicht nur die Fledermaus, die Spinne, die Mutanten, und die fantastischen Vier. Im Bereich der Indie-Comics gibt es hunderte von nennenswerten Comics, meistens Dramen oder Coming-of-Age-Geschichten mit autobiografischen Zügen, die durchaus Aufmerksamkeit verdient haben. Comics müssen nicht nur Superhelden, Fantasy oder Horror beinhalten. Und so lange «Comic Book Men» diese Comics nicht vergisst, ist die Existenz der neuen Realityserie durchaus zu verteidigen. Allerdings sollte sie allgemein ein wenig besser und interessanter sein, um zu unterhalten.
14.02.2012 10:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/54941
Christian Wischofsky

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Comic Book Men Kevin Smith

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