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Die Kritiker: «Die Grenze»

Inhalt
Als inmitten einer Wirtschaftskrise weltweit Terroranschläge auf Ölraffinerien verübt werden, regiert in Deutschland das Chaos. Benzin, Öl und Lebensmittel werden knapp, die Arbeitslosigkeit steigt rapide an. Der soziale Kitt, mit dem die Gräben zwischen Arm und Reich mühsam verspachtelt waren, bröckelt. Während linke und rechte Parteien die Krise für ihren Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern nutzen, verliert die Regierung immer mehr an Einfluss.

Allen voran die rechtsextreme Partei DNS, an deren Spitze der charismatische Maximilian Schnell steht. Mit seinem Sinn für mediale Inszenierung und populistische Aktionen zieht er die Massen geschickt auf seine Seite. Für die politischen und wirtschaftlichen Kräfte im Land ist Schnell eine unberechenbare Größe. Es besteht die reale Gefahr, dass er die Wahl gewinnt, und Mecklenburg-Vorpommern zu einem eigenständigen Staat formt.

Angesichts der bürgerkriegsähnlichen Zustände und der wachsenden Macht der rechtsextremen DNS fasst der Krisenstab der Regierung einen waghalsigen Plan: Der Spitzenkandidat der Neuen Linken, Franz Geri soll heimlich unterstützt werden, um einen Wahlsieg von Schnell zu verhindern. Zwar plant der linksextreme Geri ebenfalls die wirtschaftliche und gesellschaftliche Abspaltung Mecklenburg-Vorpommerns. Doch von zwei Übeln scheint der ohnmächtigen Regierung dies das Kleinere zu sein.

In geheimer Mission bemüht sich der Verfassungsschutz derweil um die Unterwanderung der radikalen Parteien. Dafür setzt die Agentin Linda Jehnert alles auf eine Karte und bedient sich eines ehemaligen Freundes und politischen Weggefährten Schnells, Rolf Haas. Durch seinen Auftrag trifft Haas auch auf seine frühere Freundin, die Ex-Polizistin Nadine Manz, deren Familie im blutig geführten Wahlkampf zwischen die Fronten gerät.

Darsteller
Benno Fürmann («Merry Christmas») ist Rolf Haas
Thomas Kretschmann («Mogadischu») Maximilian Schnell
Anja Kling («Wo ist Fred?») ist Linda Jehnert
Marie Bäumer («Haus und Kind») ist Nadine Manz
Uwe Kockisch ist («Donna Leon - Kommissar Brunetti ») ist Erich Manz
Inka Friedrich ist («Der Kriminalist») ist Rike Dreher
Ronald Zehrfeld ist («Wir sind das Volk») ist Robert Klaars
Jürgen Heinrich ist («Wolffs Revier») ist Franz Geri
Katja Riemann ist («Stadtgespräch») ist Carla Reuer
Vinzenz Kiefer ist («Der Seewolf») ist Kai Jansen

Kritik
Da ist er also, der nächste große Event-Zweiteiler im deutschen Fernsehen. Dieses Mal hat sich Sat.1 daran gewagt und sage und schreibe acht Millionen Euro in die teamworx-Produktion von «Die Grenze» gesteckt. Ursprünglich war eigentlich RTL an der Produktion und somit der Ausstrahlung des Zweiteilers interessiert, dort entschied man sich jedoch kurzfristig dagegen. So kam letztlich Sat.1 ins Spiel und hier hofft man neben der großen öffentlichen Wahrnehmung natürlich auch auf die eine oder andere Kontroverse bezüglich des Themenfeldes. In Zeiten klammer Senderkassen und einem beschädigten Image ist es ja auch mal ganz gut, wieder mit anderen Themen im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen.

Hier sind wir dann auch schon bei der eigentlichen Besonderheit, die bei «Die Grenze» im Vordergrund steht. Bedienten sich die großen TV-Zwei (oder Mehr-)Teiler bisher eher bei großen geschichtlichen Ereignissen und Persönlichkeiten, steht hier nun erstmals ein „was-wäre-wenn“-Thema im Fokus. Um genauer zu sein: was wäre, wenn die sowieso schon stark ins Wanken geratene Weltwirtschaft von Terroranschlägen auf Erdölraffinerien noch stärker in den Abgrund gerissen wird, und in diesem Fall speziell in Deutschland ein rechtspopulistischer Milliardär bei den anstehenden Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern nach der Macht greift? Im Zuge dessen holt auch ein linksextremer Politiker mit seiner Partei die Neue Linke zum Gegenschlag aus und versucht seinerseits die Massen für sich zu begeistern. Die aktuelle Bundesregierung ist geschockt und muss sich entscheiden, welches der beiden Übel eventuell das kleinere sein könnte und sich letztlich auch auf dieselbige Seite schlagen, um das Land nicht vollends zu entzweien. Um dem Titel des Zweiteilers dann aber auch gerecht zu werden, spaltet sich das nach wochenlangen Straßenschlachten zwischen den politischen Lagern stark mitgenommene Mecklenburg-Vorpommern vom Rest der Republik ab und bildet eine „kleine DDR“ unter der Führung von Franz Geris Neuer Linken.

Wie realistisch oder utopisch dieses Szenario auch sein mag, muss jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden. Klar ist aber, dass die gerade scheinbar im Ausklingen befindliche Weltwirtschaftskrise schneller und härter auf uns alle hereingebrochen ist, als es so mancher Experte hat sehen wollen. Somit ist es auch gut möglich, dass bei bestimmten Voraussetzungen extremistische Tendenzen in unserer Gesellschaft durchaus wieder die Überhand erreichen. Abspaltungstendenzen bzw. Vorkehrungen dafür gab es immerhin schon das eine oder andere Mal. So versuchte sich 1993 die damals noch unter dem Namen Linke Liste/PDS in der thüringischen Verfassung das Recht zu verankern, sich unter gewissen Umständen von der Bundesrepublik abzuspalten. Beispiele aus dem ehemaligen Jugoslawien, Irland und den aktuellen Bestrebungen der Basken und Katalanen sind ebenfalls bestens bekannt.

Produzent Nico Hofmann und Regisseur Roland Suso Richter («Mogadishu», «Dresden») haben trotzdem sehr viel Mut bewiesen, sich diesem Themenspektrum anzunehmen. Sie geben auch öffentlich zu, provozieren zu wollen und auf diesem Wege eine Diskussion auszulösen.

Dramaturgisch läuft einiges vorhersehbar ab. So gibt es wieder die obligatorische Lovestory, die am Ende natürlich auch wieder zu einem Happy-End führt. Wenn schon mutig, dann hätten sich die Verantwortlichen bei Sender und Produktion auch dazu durchringen können, mit allen Konventionen des Genres zu brechen und einen völlig neuen Blickwinkel zu kreieren. Betrachtet man nun die einzelnen Teile des TV-Dramas, sticht Teil eins klar heraus. Hohes Tempo, schnelle Schnitte, dramatische und aufpeitschende Musik im Hintergrund und Bilder des Senders N24, die das aktuelle Geschehen mit kleinen Ausschnitten immer mal wieder kommentieren und so einen Schnelldurchlauf durch die Ereignisse ermöglichen. Das hat Spannung, das hat eine gewisse Innovationskraft und zieht den Zuschauer auch in den gewünschten Bann. Leider verfällt der Film bereits am Ende des ersten Teils dem Hang zum persönlichen Drama zwischen dem rechtspopulistischen Maximilian Schnell alias Thomas Kretschmann und seinem ehemaligen Freund und Wegefährten Rolf Haas, dargestellt von Benno Fürmann. Und verabschiedet sich damit am Ende auch von der eben noch so positiv hervorgehobenen Erzählweise. So bleibt es dann auch über den gesamten zweiten Teil, der mehr und mehr einem Psychospiel der zwei Widersacher entspricht und mit teilweise plumpen und vorhersehbaren Handlungssträngen von Spannung und Dramatik befreit wird. Hinzu kommt auch noch, dass man mit Anja Klings Charakter der Verfassungsschutz-Agentin Linda Jehnert eine zu großen Teilen unglaubwürdig und überzogen agierende Figur einführt. Auch die Wandlung von Erich Manz alias Uwe Kockisch vom stets pflichtbewussten Fischer hin zum überzeugten sozialistischen Rädelsführer ist wenig nachvollziehbar und zieht einen faden Beigeschmack mit sich. Die letztlich offenbarte Auflösung der gesamten Geschichte hätte von Christoph Darnstädt und den Gebrüdern Christoph und Friedemann Fromm besser konstruiert werden kann.

Nichtsdestotrotz haben Hofmann und Richter es geschafft mit Benno Fürmann, Thomas Kretschmann, Anja Kling, Marie Bäumer und Uwe Kockisch ein prominentes Ensemble vor der Kamera zu versammeln, dessen Spiel größtenteils überzeugt und in Thomas Kretschmanns Fall sogar auf eine beängstigende Art und Weise. Sein Charakter des Maximilian Schnell gleicht dem eines Sektenführers und Populisten, der genau weiß, wie er seine Mittel und Wege zu schalten und zu verwalten hat, um seine Ziele zu erreichen. Einzig Katja Riemann als Kanzlerin bleibt ungewöhnlich blass. Den Mittelpunkt spielen aber ja auch die anderen Charaktere des Films.

Auch die Ausstattung des Eventfilms spart nicht mit Superlativen. Große gläserne und moderne Bauten auf der einen Seite, viele Außendrehs und realistisch wirkende Ghetto-Landschaften auf der anderen, zeigen ganz deutlich, wo hier viel Geld investiert wurde. Eingefangen wurde das Ganze von der gewohnt souverän geführten Linse des Kameramannes Holly Fink («Dresden», «Die Flucht»).

So bleibt einzig und allein zu bemängeln, dass sich die beiden Film-Teile zu stark voneinander unterscheiden und die Spannungsschraube nicht über die gesamte Laufzeit hinüber aufrechterhalten werden konnte. Der Kontrast des ersten, sehr innovativ aufgemachten Teils und des storytechnisch stark abfallenden zweiten Teils ist einfach zu groß. Sehenswert ist «Die Grenze» dennoch allemal. Es wird trotz all der Kritik das Thema der nächsten Tage sein.

Sat.1 zeigt den Eventzweiteiler «Die Grenze» am 15. und 16. März 2010 jeweils um 20:15 Uhr.
12.03.2010 09:55 Uhr Kurz-URL: qmde.de/40699
Torben Gebhardt

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Die Grenze

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