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«Schlüter sieht's»: Die Zeituhr ist aktiviert
Ulla Kock am Brink moderiert bald wieder. Aber will sie überhaupt noch jemand sehen?
In dieser Woche überraschte die Meldung, dass die Quotenkönigin der 90er Jahre, Ulla Kock am Brink, mit einer neuen Spielshow ins Fernsehen zurückkehren wird. Ab dem 30. April moderiert sie jeweils freitags um 20.15 Uhr in Sat.1 das Format «Die perfekte Minute». Eine Sensation angesichts der Tatsache, dass Kock am Brink lange Jahre beim Fernsehpublikum verpönt war und ihre letzten Sendungen allesamt floppten. Hat sich Sat.1 einen Gefallen damit getan, Kock am Brink auf den Bildschirm zurückzuholen?
In den frühen 90ern schaffte es die junge Moderatorin Ulla Kock am Brink mit der Show «Verzeih mir» auf RTL ins Fernsehbusiness. Durch ihre lockere und emotionale Art der Moderation stieg sie 1993 zur Samstagabendqueen auf: Ihre «100.000 Mark Show» wurde schnell zu einer der beliebtesten TV-Sendungen im deutschen Fernsehen und generierte nicht selten sieben Millionen Zuschauer und mehr. Damit löste Kock am Brink einen Boom von Action-Spielshows aus, die in den kommenden Jahren den Samstagabend beherrschen sollten.
1998 wechselte sie zur ARD und moderierte dort drei Jahre lang die «Lotto-Show», die allerdings hinter den Quotenerwartungen zurückblieb. Im Zuge des Quizshow-Booms, der mit «Wer wird Millionär?» angefangen hatte, präsentierte Kock am Brink die ZDF-Show «Cash», die teilweise zweimal pro Woche ausgestrahlt wurde. Doch die irrsinnigen Gewinnsummen und die niedrigen Quoten brachen der interessanten Spielshow nach zwei Staffeln das Genick. Und Kock am Brink schoss selbst ins Abseits, als sie mit dem damaligen Ehemann von Sabine Christiansen eine Liaison anfing und von der Boulevardpresse geächtet wurde. Seitdem war die Zeit der großen TV-Auftritte für Kock am Brink vorbei.
Eine Abend-Talkshow im rbb wurde 2005 nach nur wenigen Monaten abgesetzt, ebenso floppte der Versuch einer Samstagabend-Show namens «Typisch deutsch» im Ersten, die trotz der damaligen Erfolge von Testshows («Der große IQ-Test», «Der große Deutsch-Test» etc.) unterirdische Quoten hinnehmen musste. Seitdem ist Kock am Brink von der Bildfläche verschwunden. Sie wurde in der Branche als Moderatorin der Neuauflage der «100.000 Euro Show» im Jahr 2008 gehandelt, doch RTL ließ seine heutige Quotenkönigin Inka Bause ran – und scheiterte ebenfalls.
Möglicherweise hat Sat.1 mit der Verpflichtung von Kock am Brink einen Coup gelandet, weil die Zuschauer sie endlich wieder sehen wollen. Und das Moderationstalent verlernt ein Profi wie Kock am Brink nicht. Insofern können wir davon ausgehen, dass die Show inhaltlich gut wird. Dennoch sprechen zwei offensichtliche Aspekte gegen ein erfolgreiches Comeback der Ruhrpott-Frau: Viele populäre Moderatoren der 90er haben es nie wieder geschafft, im heutigen TV-Business Fuß zu fassen – und etwaige Versuche wie beispielsweise mit Linda de Mol sind gescheitert. Und weiterhin dürfte der Sendeplatz das größte Problem für die neue Show sein. Freitags um 20.15 Uhr hat Kock am Brink keinen geringeren Gegner als das beliebteste Fernsehgesicht überhaupt: Günther Jauch.
Das Konzept der Show «Die perfekte Minute» ist aus den USA eingekauft und heißt dort «Perfect Ten». Die Sendung ist derzeit das am heißesten gehandelte Produkt auf dem internationalen Fernsehmarkt: Noch vor der Erstausstrahlung in den USA – dort startet die Show in diesem Monat – wurde sie schon in viele Länder verkauft. Konzeptuell erinnert das Format an Christian Clericis «Die Stunde der Wahrheit», das ebenfalls freitags um 20.15 Uhr in Sat.1 zu sehen war. Es geht darum, dass die Kandidaten zehn Prüfungen in der Show bestehen müssen – schon zwei Wochen zuvor werden ihnen die 30 möglichen Aufgaben mitgeteilt, von denen eben zehn in der Sendung absolviert werden müssen. Zeug zum Erfolg hat ein solches Konzept: «Die Stunde der Wahrheit» hielt sich immerhin vier Jahre, von 1999 bis 2003. Einzig der Titel der neuen Kock-am-Brink-Show mutet etwas ungewöhnlich an: In Anlehnung an die Clerici-Sendung hätte der Name «Die Minute der Wahrheit» sicherlich besser geklungen. Aber Titel und Phrasen waren noch nie die Stärken von Kock am Brinks Sendungen: Schon 1993 machte der berühmte Satz „Die Zeituhr ist aktiviert“ keinen logischen Sinn. Die «100.000 Mark Show» war trotzdem erfolgreich.
Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.
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