Petra Schmidt-Schaller spielt die titelgebende "gute Mutter", die jedoch mit der Verantwortung für ihre zwei Kinder, die sie allein großzieht, heillos überfordert ist. Wühlen in der Küchenpsychologie:
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Petra Schmidt-Schaller als Mona Doermer
Mina Tander als Greta Burmeester
Juri Winkler als Danny Doermer
Lisa Marie Trense als Marlen Doermer
Axel Milberg als Benno Haferkamp
Judy Winter als Elsbeth Burmeester
Jenny Elvers als Judith Doermer
Hinter der Kamera:
Produktion: FFP New Media GmbH
Drehbuch: Christian Jeltsch
Regie: Claudia Garde
Kamera: Philip Peschlow
Produzenten: Simone Höller und Michael SmeatonIn «Ich war eine glückliche Frau» war Petra Schmidt-Schaller vor wenigen Wochen in einer einnehmenden, spannenden Rolle zu sehen, als zweifache Mutter und Ehefrau, deren Familienleben langsam an der diffusen Lebensunzufriedenheit ihres Mannes auseinanderfällt. Das war ein sehr gelungener Film, der klug mit Perspektiven spielte, der seine Figuren filigran und mit angemessener intellektueller Schärfe führte, der etwas zu sagen hatte und dabei keine Sekunde prätentiös war.
Nun ist Petra Schmidt-Schaller wieder als Mutter zu sehen, als gute noch dazu, wie der Titel in den Raum stellt. Doch nicht nur die sozioökonomischen und psychologischen Hintergründe sind in diesem Film andere als in dem tollen «Ich war eine glückliche Frau» – leider lassen auch die Erzählhaltung und die plumpe narrative Ausgestaltung einen ganz anderen Eindruck zurück.
Mona Doermer (Petra Schmidt-Schaller) trägt gerne auffällig schwarzen Lidschatten, hat jede Menge Tattoos auf ihrem Körper, raucht ununterbrochen und kleidet sich in ausgewaschenen Primark-Klamotten. Alles an dieser Figur soll Unterschicht ausstrahlen. Dass sie alleinerziehende Mutter von zwei Kindern ist, passt in der Klischeelogik ganz gut ins Bild – und dass sie, was der Kern dieses Films sein soll, mit dieser Verantwortung und ihrem Alltag heillos überfordert ist, ist da ja nur folgerichtig.
Aus zunächst diffus bleibenden Gründen schleift sie ihre Kinder Danny (Juri Winkler) und Marlen (Lisa Marie Trense) nun in die norddeutsche Pampa. Ihre Mutter sei vor kurzem gestorben; doch das wird schnell als depperte Lüge entlarvt. Egal, Mona hält daran fest, wie sie sich an vielem festzuhalten versucht: an einem letzten Rest Autorität gegenüber ihren Kindern, obwohl der noch sehr junge Danny klar erwachsenere Aufgaben erfüllt und Denkweisen offenbart als seine angeschickerte, Tabletten fressende Mutter, und an kettenrauchende volltätowierte Assi-Schausteller, die sie knallt, während sich ihre Kinder in der Hüpfburg verlustieren. So geht das – bis Marlen plötzlich verschwindet.
«Eine gute Mutter», dem es bis hierhin schon nicht gelungen ist, mit seinen psycho- und sozialdramatischen Ansätzen irgendetwas Interessantes zu zeigen, muss nun auch noch Krimi sein. Wer war wann wo, wer hat das Mädchen wann zuletzt gesehen, und was will die Mutter eigentlich hier und von wem und überhaupt. Gleichzeitig nutzt man diese Gelegenheit, um einem völlig unnötigen Nebenhandlungsstrang mehr
Screentime zur Verfügung zu stellen: Die in dem Fall der verschwundenen Marlen ermittelnde Polizistin Greta Burmeester (Mina Tander) ist (mehr oder weniger ungewollt) schwanger, will ihre Beziehung zum Vater des Kindes aber eigentlich gerade auflösen und raus aus der Provinz nach Berlin ziehen. Dass sie ihre exzentrische undankbare Mutter ständig aus einem Bötchen ziehen muss, in dem die alte Frau vor sich hintreibt, macht die Flucht nur attraktiver.
Aber zurück zur labilen Mutter Mona: „Sie ist so unberechenbar“, wird im Film ihr Zustand analysiert, und tatsächlich: Beim geringsten Anlass dreht sie völlig durch. Ihr großer Feind: das Jugendamt, das ihr die Kinder wegnehmen will. Weil auch dort bereits durchgedrungen ist, dass sie beim geringsten Anlass völlig durchdreht. Das ist an sich ein sehr spannendes Untersuchungsfeld, wird in diesem Film jedoch nur ganz oberflächlich betrachtet. Die genauen psychologischen und sozioökonomischen Umstände, die Mona Doermer zu der Person machen, die sie ist, interessieren im Speziellen nicht. Aber so kann «Eine gute Mutter» auch keine starke Aussagekraft entfalten, kann nichts zum Diskurs beitragen, und bleibt eben in der primitivsten Küchenpsychologie, zusammengeklaubt aus allerhand Klischees, Befindlichkeiten und Gefühlen, stecken.
Dass später auch noch Jenny Elvers Monas eiskalte alte Mutter spielt und in einer bemühten Dialogszene allerhand Charakterbiographie von sich absondert, passt zu dieser holzschnittartigen, undurchdachten Zimmerei, aus der diese Narrative zusammengenagelt wurde. Alles ist halt so, wie es eben ist, und in den präzisesten Momenten wird suggeriert, dass ein Leben in der unaufhörlichen finanziellen Präkarität, in der gesellschaftlichen Marginalisierung aufgrund einer Verstoßung in ihrer frühen Jugend Mona Doermer zu der labilen, Borderline-ähnlichen Person gemacht haben, die in ihrem Wahn möglicherweise eine Gefahr für die Menschen ist, die sie beschützen soll und will. Ein Film, der es besser macht: John Cassavetes, „Eine Frau unter Einfluss“ (USA 1974).
Das Erste zeigt «Eine gute Mutter» am Mittwoch, den 1. November um 20.15 Uhr.
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