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«Lockdown – Tödliches Erwachen» oder: «10 Cloverfield Lerchenberg»

Seltsam, seltsam: Der neue ZDF-Fernsehthriller kommt dem filmerfahrenen Auge frappierend bekannt vor.

Cast und Crew

  • Regie: Bogdana Vera Lorenz
  • Drehbuch: Max Permantier, Bogdana Vera Lorenz
  • Darsteller: Alice Dwyer, Maximilian Meyer-Bretschneider, Götz Schulte, Jeff Willbusch
  • Kamera: Benjamin F. Wieg
  • Schnitt: Philipp Stahl, Finn Riemer
  • Musik: Superstrings Marc Sydney Müller, Carolin Heiss
  • Produzenten: Max Permantier, Florian Reimann
  • Redaktion: Christian Cloos
Der Plot von D.J. Carusos «Disturbia» erinnert grob an den von «Das Fenster zum Hof». Dies führte zu einem Gerichtsstreit, da der Teenie-Thriller nicht als Remake des Hitchcock-Klassikers oder als lose Neuadaption der Kurzgeschichte "It Had to Be Murder", die Hitchcock zu seinem Film inspiriert hat, gekennzeichnet wurde. Abseits des potentiellen ethischen Problems, sollten die «Disturbia»-Schaffenden willentlich geklaut haben, lässt sich der DreamWorks-Produktion allerdings wenig ankreiden. Denn von der vagen Grundidee abgesehen, steht «Disturbia» auf eigenen Füßen und präsentiert sich als origineller Mix aus Teenager-Romanze, Paranoiakrimi und Slasher.

«Lockdown – Tödliches Erwachen» hat mit «Disturbia» eine entscheidende Parallele: Der ZDF-Film erinnert an einen älteren Film, ohne auf irgendeine Art und Weise zu kennzeichnen, auf ihm zu basieren. Der entscheidende Unterschied zu «Disturbia»: Es fällt ungeheuerlich schwer, über «Lockdown – Tödliches Erwachen» zu sagen, dass er die etwaigen, grundlegenden Parallelen als Sprungbrett nutzt, um eine eigene Story zu erzählen. «Lockdown – Tödliches Erwachen» ist entweder dreist geklaut oder das TV-Publikum wird mit diesem Suspensefilm aus der Reihe "Stunde des Bösen" Zeuge eines der gigantischsten Zufälle der jüngeren Filmhistorie.

Das Storykonzept von «Lockdown – Tödliches Erwachen» scheint, wie mit Pauspapier beim Kammerspielthriller «10 Cloverfield Lane» abgezeichnet: Eine junge, brünette Frau wacht in einem ihr fremden, abgeschlossenen Zimmer auf. Als sich die Zimmertür öffnet, steht ihr ein einschüchternder Mann gegenüber, der behauptet, es habe einen fatalen Anschlag gegeben, durch den draußen alles tödlich verseucht wurde. Die Zivilgesellschaft glaubt er verloren.

Da er schon lange mit solchen Vorfälle rechnete, bereitete er einen hermetisch abgeschlossenen Schutzraum vor, in den er gerade so die junge Frau sowie einen Mann ihres Alters schleppen konnte, um auch diese Beiden zu retten. Während der junge Mann dem Verschwörungstheoretiker Glauben schenkt, fühlt sich die Heldin des Films durch ihn bedrängt und von ihm an der Nase entlanggeführt. Also stellen sich drängende Fragen: Wurde sie entführt? Was hat der Mann wirklich vor? Und … was, wenn sein Gerede sehr wohl wahr sein sollte ..?!

Ganz gleich, ob Filmemacherin Bogdana Vera Lorenz bei «10 Cloverfield Lane» willentlich abgeschrieben hat oder hier tatsächlich ein sonderbarer Zufall vorliegt: Dan Trachtenberg hat diese Idee früher und imposanter ausgeführt. Sein Thriller treibt Hauptdarstellerin Mary Elizabeth Winstead und den möglichen Antagonisten John Goodman zu Höchstleistungen an: Im Schutzbunker eingesperrt entsteht ein komplexes Spiel zwischenmenschlicher Dynamik – physische und psychische Bedrohung, Tücke, List und notgedrungen entstandene, zwischenzeitliche Harmonie wechseln sich in glaubwürdig-schlagartigem Takt ab, während im Hintergrund die Frage wabert, was draußen vor sich geht. In welcher Situation befindet sich die Heldin denn nun und wie ist diese Lage zu bewältigen?

Lorenz' «Lockdown – Tödliches Erwachen» ist, egal ob bewusst oder unbewusst, die Discount-Variante dessen: Alice Dwyer erhält bloß die Gelegenheit, ihre Liv als argwöhnische, aber durchsetzungswillige Frau anzulegen, ohne größeren Entwicklungsbogen und tiefgreifende Persönlichkeitszüge. Und Götz Schulte ist als Veit zwar aufgrund seiner semi-inkohärenten Monologe und seinem verschwitzten Auftreten eine auffällige Rolle, gleichwohl fehlt es ihm trotz des Skriptversuchs, die Frage nach gut und böse lange im Unklaren zu lassen, an vertrauenserweckenden Charakteraspekten.

Der Dritte im Bunde, hier Jeff Wilbusch, in «10 CLoverfield Lane» John Gallagher, Jr., spielt in dieser TV-Produktion zwar inhaltlich eine größere Rolle als beim mutmaßlichen Vorbild. Doch er hinterlässt weitaus weniger Eindruck: Während John Gallagher, Jr. als wandelnder Comic Relief dient, der trotzdem mit seiner Mimik Misstrauen sät, hat Wilbusch in «Lockdown» nicht gerade wenig Redeanteil – ein Profil entwickelt seine Figur dennoch nicht. Dies hemmt auch die wenigen originellen Szenen in «Lockdown»: Wenn Lorenz und Co-Autor Max Permantier das Paranoiaspiel kurz fallenlassen, um brennende Fragen über vergangene berufliche Taten der Hauptfiguren zu stellen, geht «Lockdown» eine kurze, von Trachtenberg nicht betretene Strecke – da die Figuren allerdings blass sind, bleibt die Frage über potentielle frühere Fehltritte recht gleichgültig.

Visuell ist Lorenz' Langfilmdebüt solide – selbst wenn manche Kameraeinstellungen den Ideenklauverdacht stützen, ist die Lichtsetzung für eine kleine TV-Produktion atmosphärisch und komplex geraten. Dennoch: Selbst wenn dieser Film nicht ebenso schwach wie dreist abgeschrieben ist, so ist er noch immer lasch selbst ausgedacht. «10 Cloverfield Lane» ist packender, handwerklich beeindruckender und besser gespielt. Statt diesen ZDF-Thriller zu schauen, bietet sich viel mehr ein Rewatch respektive eine Erstsichtung des "Originals" an.

«Lockdown – Tödliches Erwachen» ist am 16. Oktober 2017 ab zirka 23.59 Uhr im ZDF zu sehen.
16.10.2017 10:25 Uhr Kurz-URL: qmde.de/96485
Sidney Schering

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