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„Verschwörungstheorien sind gruselig und Leute lieben es, sich zu gruseln“

Wir sprachen mit Bestseller-Autor und Journalist Rayk Anders über die Hintergründe seines meinungsstarken Polit-Magazins, dem Einfluss von Verschwörungstheorien und seiner Teilnahme an der Bundespräsidentenwahl.

Kurzfragen an Rayk Anders

Wissen Sie schon, wen Sie im Herbst wählen werden oder müssen Sie sich erst noch entscheiden? Ich bin einer dieser nervigen Wechselwähler, die Entscheidung wird also erst noch fallen.

Wen würden Sie gerne einmal interviewen - und was würden Sie ihn fragen? Leonardo DiCaprio und ihn fragen, warum er sich damals nicht zu Rose mit auf die Tür gelegt hat, nachdem die Titanic gesunken war DA WAR NOCH VOLL PLATZ.

Wie können Sie als Journalist gegen Politik-Verdrossenheit vorgehen? Auf jeden Fall nicht mit Zynismus.

Haben Sie jemals überlegt, selbst in die Politik zu gehen? Mein Ziel ist auf jeden Fall, irgendwann ein mittelmäßiger Bundespräsident zu werden. Das haben schon ganz andere geschafft, tschacka, dann schaff' ich es auch!

Was würden Sie tun, wenn Sie einen Tag lang Bundeskanzler wären? Kanzler-Selfie. Mehr ist an einem einzigen Tag in den langsam mahlenden Mühlen der Politik eh nicht drin.
Gezielt provokativ, teilweise sarkastisch gestaltet Rayk Anders die Überschriften seiner von knapp 90.000 Nutzern abonnierten YouTube-Videos. „Türkei voller Terroristen?“, „Grundeinkommen: Geld fürs FAUL SEIN?!“ oder „IS-Anschlag in Manchester: DAS ist der ISLAM !!“ nennt Anders seine Video-Beiträge, in denen er aktuelle politische gesellschaftliche Themen kommentiert. Dass sich hinter den reißerischen Titeln letztlich ganz andere Meinungen verbergen als der Titel glauben macht, ist Teil des Konzepts Anders‘, der es sich nicht nur auf seinem YouTube-Kanal zur Aufgabe gemacht hat, allerlei populär gewordenen Irrsinn zu entlarven, der sich in Kommentarspalten der Sozialen Medien so ansammelt. Diese Vorgehensweise brachte Anders sogar den Titel „Bestseller-Autor“ ein, mit „Eure Dummheit kotzt mich an – Wie Bullshit unser Land vergiftet“ veröffentlichte der Journalist vergangenes Jahr nämlich erfolgreich ein Buch, das mit allerlei Verschwörungstheorien und Fake News aufräumt, die in Zeiten von Social Media wild im Netz zirkulieren und den sogenannten „Wutbürgern“ den Verstand vergiften.

Zeit für mehr Gerechtigkeit: Was Polit-Journalisten mit Superhelden gemeinsam haben


Viel Energie steckt Anders also in die Dekonstruktion populärer Falschinformationen. Der Hang zu Wahrheit und Gerechtigkeit führte den 1987 geborenen Journalisten einst beruflich zur Berichterstattung über Politik und die deutsche Gesellschaft. „Sehr empfindlich“ reagiere Anders nach eigener Aussage auf Ungerechtigkeit „und in der Politik gibt es eine ganze Menge davon“, findet der Berliner, der mutmaßt, dass seine im Kindesalter entwickelte Comic-Leidenschaft auf diese charakterliche Prägung zurückzuführen sei, schließlich hätten sich Superhelden wie sein Favorit Batman in ihren Geschichten regelmäßig gegen korrupte Politiker und gierige Geschäftemacher gestellt. „Einige Botschaften dieser Geschichten sind vermutlich bis heute kleben geblieben“, glaubt Anders, doch auch Deutschland bedeute ihm, trotz seiner ganzen Kritik, die er ständig am Land übe, tatsächlich sehr viel: „Es ist meine Heimat und mir liegt viel daran. Und wenn einem etwas wichtig ist, dann beschäftigt man sich damit und so landet man zwangsläufig auch bei der Politik und vielem, was falsch läuft im Land“, findet Anders.

„Etwas Eigenes“ schuf Anders mit seinem Format «Headlinez», in dem er aktuelle Themen aus Politik und Gesellschaft aufgreift und versucht, diese unterhaltsam und verständlich aufzubereiten. Unter anderem zeigt das SWR-Fernsehen seine Sendung, weil Anders jedoch schon vor einiger Zeit die Sozialen Medien als wichtigen Kanal für sich entdeckt hat, haben auch seine YouTube- und Facebook-Abonnenten sowie Nutzer der öffentlich-rechtlichen Plattform funk die Möglichkeit, seine Beiträge anzusehen.

Mut zur Meinung!


Rayk Anders über seinen Werdegang

"Journalismus-Studium in Berlin, endlose Praktika in endlosen Redaktionen, wenig bis kein Lohn – das übliche, harte Brot für angehende Journalisten in der Hauptstadt. Irgendwann nach dem Studium stellte sich die Frage, ob man weiterhin den traditionellen Weg beschreiten oder etwas eigenes probieren möchte. Zum Glück hat letzteres dann irgendwie funktioniert. Ich habe keine Ahnung, warum, aber ich bin sehr dankbar dafür!"
„Was das Format von anderen abhebt, ist vermutlich, dass diese Themen trotz aller Lockerheit in der Präsentation am Ende doch sehr ernst genommen werden“, beschreibt der Polit-Journalist. Ihm werde öfter vorgeworfen, dass er in den Schlussworten seiner Sendung zu sehr die Moralkeule schwinge und nicht neutral genug wäre. „Aber wie neutral kann man als Mensch - und auch als Journalist – eigentlich bleiben, wenn es etwa um Menschenrechtsverletzungen oder Ausbeutung geht?“, fragt Anders. Er sage jedenfalls sehr deutlich, was er von den Dingen halte, und dieser persönliche und direkte Zugang zu den Themen sei für viele Zuschauer sicher ein Aspekt, den sie bei anderen Formaten manchmal vermissen.

Damit hebt sich Anders heutzutage von dem Großteil der Bürger ab, die sich häufig davor scheuen, ihre Meinung kundzutun - insbesondere öffentlich. Immer vorsichtiger werden viele Leute heutzutage angesichts der zunehmend undurchsichtigen Informationslage, das bemerkte auch Anders. „Viele Leute halten sich aus Diskussionen über Politik lieber komplett zurück, weil sie Angst haben, etwas ‚Falsches‘ zu sagen“, beobachtet er, „manchmal auch, weil sie die Reaktionen von anderen auf ihre Meinung fürchten.“ Wieder andere interessierte es einfach überhaupt nicht, diese Personen fänden es langweilig und denken, Politik betreffe sie nicht, so Anders. „Aber das ist Unsinn, Politik durchdringt letztlich dein gesamtes Leben, ob du willst, oder nicht. Indem ich meine eigene Meinung plakativ vertrete – und ja, nicht gerade in Professoren-Sprech – hoffe ich, auch anderen Mut zu machen, sich in die Debatte einzubringen.“

Gerade jüngere Zuschauer sollen nach Anders‘ Wunsch die Hemmung verlieren, sich über Politik Gedanken zu machen oder mit anderen darüber zu sprechen, worauf er hinzufügt: „Man kann heute nicht darauf vertrauen, dass junge Leute irgendwann anfangen, aus dem Nichts eine Tageszeitung zu abonnieren und sich plötzlich für Politik zu interessieren. Jeder braucht irgendwo einen Einstieg und wenn dieser Einstieg bei einigen der Kommentarbereich eines Videos von mir ist, dann macht mich das ehrlich gesagt recht stolz.“

Wie gefährlich sind Verschwörungstheorien für den Bundestagswahlkampf?


"Eure Dummheit kotzt mich an"

"Eure Dummheit kotzt mich an: Wie Bullshit unser Land vergiftet" ist das erste Buch des freien Journalisten Rayk Anders, das im Oktober 2016 im dtv-Verlag erschien. Darin macht es sich Anders zur Aufgabe, Fahrlässige Falschmeldungen und gezielte Meinungsmachezu entlarven. Drei Wochen lang hielt sich das Buch in der "Spiegel"-Bestsellerliste.
In Anders‘ Formaten finden sich also allerlei Meinungen zum aktuellen Tagesgeschehen, eine besondere Faszination entwickelte der Autor aber zum Thema Verschwörungstheorien. Für das ZDF produzierte er den Ende 2015 erschienenen Dokumentarfilm «Verschwörungstheorien – Leben im Wahn», ehe knapp ein Jahr später sein Buch „Eure Dummheit kotzt mich an" erschien. Auf die Frage, was die Leute so zu Verschwörungstheorien hinzieht, meint anders: „Verschwörungstheorien sind gruselig und Leute lieben es, sich zu gruseln. Die Botschaft lautet: Alles, was du glaubst zu wissen, ist unwahr! Und ganz ehrlich, einige sind wirklich faszinierend und gäben tolle Hollywood-Verfilmungen oder spannende Romane ab. Die ‚Hohlerde-Theorie‘ beispielsweise hat ja schon richtige Jules Verne-Züge.“

Gehe es aber so weit, dass Menschen durch Verschwörungstheorien derart in Panik versetzt und verunsichert werden, dass sie ihre Kinder aus Angst vor Impfstoffen nicht mehr immunisieren lassen oder sich verschulden, um abstruse Energiekristalle zu kaufen, die sie vor unsichtbaren Giftangriffen der geheimen Weltregierung schützen sollen, „...dann hört der Spaß irgendwann auf.“ Die Gefahr, dass Verschwörungstheorien einen großen Einfluss auf den kommenden Bundestagswahlkampf nehmen, sieht Rayk Anders zwar nicht, „Ängste und gezielte Stimmungsmache werden aber definitiv eine Rolle spielen,“ prognostiziert er.

Und außerdem? „Persönlich würde ich mir wünschen, mal wieder einen Wahlkampf zu erleben, in dem es um Hoffnung geht. Um Ziele, die unsere Gesellschaft erreichen will. Um das Gestalten der Zukunft und nicht das Verwalten des Status Quo“, erzählt der Vlogger. „Aber Wahlen gewinnt man wohl eher mit dem Versprechen, dass es bleibt wie es ist oder wieder so wird, wie früher. Schade eigentlich.“

Verschwörungstheorien und ihre Nähe zur AfD


Obwohl Anders von keinem großen Einfluss von Verschwörungstheorien auf die Bundestagswahl 2017 ausgeht, erkennt er in der Parteienlandschaft dennoch eine Partei, die versuche, sich Falschinformationen zunutze zu machen: Die AfD, „die trotz überwältigendem, wissenschaftlichen Konsens behauptet, dass der Mensch keinen nennenswerten Einfluss auf das Klima des Planeten habe“, wie Anders zusammenfasst. „Die AfD fordert ja einen Stopp für Klimaschutzprogramme und liegt damit ziemlich auf Linie mit Donald Trump, der Klimaschutz ebenfalls für total überflüssig hält.“

Global betrachtet halte Anders diese Einstellung für den derzeit gefährlichsten Auswuchs von Verschwörungstheorien. „Ich weiß natürlich nicht, ob diese Anti-Haltung der AfD von Verschwörungstheorien, Missinterpretation von Studien oder ‚aus-Prinzip-um-dagegen-zu-sein‘ kommt“, so Anders. „Aber im Ergebnis ist letztlich keine andere Partei für Verschwörungstheoretiker derzeit so attraktiv, wie die AfD. Jetzt braucht man eigentlich nur noch warten, bis sich die ersten Parteifunktionäre der 'Flache Erde'-Theorie anschließen.“

Rayk Anders bei der Bundesversammlung 2017

Die Bundesversammlung besteht aus den Mitgliedern des Deutschen Bundestages (als sogenannte Mitglieder von Amts wegen) und einer gleichen Zahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder gewählt werden. Am 14. Dezember 2016 wählte die NRW-Fraktion der Piratenpartei Deutschland Rayk Anders zum Mitglied der 16. Bundesversammlung, die am 12. Februar 2017 Frank-Walter Steinmeier zum zwölften Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt hat.
Der Bundestagswahl 2017 ging Anfang dieses Jahres die Bundespräsidentenwahl voraus, von der Anders aus einer ganz besonderen Perspektive berichten kann. Die Piratenpartei wählte ihn im Dezember 2016 zu einem ihrer Vertreter im Rahmen der Bundesversammlung zur Wahl des neuen Staatsoberhaupts. Auf die Frage, wie Anders‘ Teilnahme an der Wahl zustande kam, erzählt der Journalist von der „Tradition bei der Bundesversammlung, dass die Parteien nicht nur eigene Mitglieder, sondern auch ‚Gäste‘ nominieren, die für sie an der Wahl teilnehmen.“ So seien beispielsweise bei der Wahl auch Promis wie Hape Kerkeling oder Bundestrainer Jogi Löw durchs Parlament spaziert. Alles ganz unspektakulär also? Nicht ganz, merkt man, als Rayk Anders auf den eindrücklichsten Augenblick der Bundesversammlung zurückblickt: „Von der Wahl selbst bleibt mir am meisten der Moment im Gedächtnis, gemeinsam mit Volker Pispers eingeklemmt zwischen AfD und Freien Wählern die Deutschland-Hymne im Reichstag zu singen. Kann man sich nich' ausdenken“.
19.07.2017 11:05 Uhr Kurz-URL: qmde.de/94482
Timo Nöthling

super
schade

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Headlinez Leben im Wahn Verschwörungstheorien Verschwörungstheorien – Leben im Wahn

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