Quotenmeter.de präsentiert sechs sehenswerte Filme, die durch ihren Umgang mit Sex auffallen. Seien sie erotisch, mutig, skandalös oder dadurch beeindruckend, dass sie durch Sex eine starke Geschichte erzählen. Weiter geht es mit «The Diary of a Teenage Girl».
Die Handlung
«The Diary of a Teenage Girl»
Buch und Regie: Marielle Heller
Produktion: Miranda Bailey, Anne Carey, Bert Hamelinck, Madeline Samit
Darsteller: Bel Powley, Alexander Skarsgård, Kristen Wiig, Christopher Meloni, Abby Wait, Miranda Bailey, Carson Mell
Musik: Nate Heller
Kamera: Brandon Trost
Schnitt: Marie-Hélène Dozo, Koen Timmerman
Veröffentlichungsjahr: 2015
Laufzeit: 102 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Es ist das Jahr 1976. Wir befinden in San Francisco, am Scheidepunkt der ausklingenden Hippie- und aufkommenden Punkt-Bewegung. Wie andere Teenager auch sucht Minnie Goetze (Bel Powley) nach Liebe, Akzeptanz und den Sinn in ihrem Leben. Sie beginnt eine Affäre mit Monroe Rutherford (Alexander Skarsgard), “dem bestaussehendsten Mann der Welt” und Freund ihrer Mutter (Kristen Wiig). Die junge Frau befindet sich in der drogengeladenen Stadt, in der ihr Wunsch nach Rebellion mit dem erwachsenen Verantwortungsbewusstsein zusammen prallt.
Ihre partyfeiernde Mutter und das Fehlen eines Vaters haben Minnie führungslos werden lassen. Findet sie anfangs noch Trost in Monroes verführerischem Lächeln, sind es später die dunklen Gassen der Stadt, die dem trotzigen Mädchen das Gefühl von Selbstbestimmung geben. Was folgt ist eine überspitzte, witzige und provokante Beschreibung ihrer aufkommenden Sexualität und künstlerischen Fähigkeiten. So ergibt sich ein tiefer und ehrlicher Einblick in das, was sich nur auf den Seiten des Tagebuches eines Teenagers finden lässt.
Der Umgang mit Sex
Als demonstrativ auf ein Nischenpublikum abzielende Produktion ist Regisseurin Marielle Heller nicht darauf angewiesen, sich an die Sehgewohnheiten des Durchschnittspublikums anzupassen. Das bedeutet: kein angestrebtes PG-13-Ranking, kein hollywoodtauglicher Hochglanzlook und keine damit einhergehende Prüderie. In ihrer Darstellung körperlicher Liebe kann Heller - auch dank ihrer freizügigen Schauspieler - explizit werden. Und passend zur inhaltlichen Thematik tut sie es dann auch.
Die mit einem ungeheuren Selbstbewusstsein ausgestattete Nachwuchsdarstellerin Bel Powley zeigt sich vor der Kamera auch schon mal komplett unbekleidet und probiert während des Entdeckens ihrer eigenen Sexualität viele Spielarten des Beischlafes aus. Besonders abgedreht wird es dabei nicht. Vielmehr konzentrieren sich Heller und ihr Ensemble auf das unterschiedliche emotionale Erleben von Sexualität. Das eine Mal ergibt sich ihre Protagonistin zügelloser Leidenschaft, wieder ein anderes Mal geschieht der Sex fast mechanisch und scheinbar ohne jedes Gefühl. Noch ein wenig expliziter gestalten sich auch die von der Hauptfigur selbst gezeichnete, teils pornographische Comics, in denen die von Minnie nach ihren eigenen Vorstellungen geschaffene Hauptfigur auch den letzten Funken Scham verliert. Marielle Heller wird trotzdem nie voyeuristisch. Ihre Bilder sind von einer eleganten Ästhetik und lassen die Darsteller stets ihre Würde behalten. Der Tabubruch entsteht allenfalls durch den großen Altersunterschied zwischen Minnie und ihren Geschlechtspartnern - doch auch der ist fest in den Geschichte verankert.
Die 6 glorreichen Aspekte von «The Diary of a Teenage Girl»
Marielle Hellers Regiedebüt «The Diary of a Teenage Girl» schaut sich wie das Paradebeispiel eines Sundance-Filmfestival-Hits. Angesiedelt in den späten Siebzigerjahren dominieren Sepiafarben das von der Hippie-Bewegung geprägte Zeitgeschehen, während eine junge Frau, die alles andere als das Schönheitsideal erfüllt, via Voice Over zugibt, gerade zum ersten Mal Sex gehabt zu haben, um das Publikum fortan auf eine Reise in ihr – im wahrsten Sinne des Wortes – Innerstes mitzunehmen. Besetzt ist die Verfilmung einer gleichnamigen Graphic Novel obendrein mit dem Who-is-Who der Indie-Szene, darunter Kristen Wiig («Das erstaunliche Leben des Walter Mitty») sowie Alexander Skarsgard («Disconnect») in den Rollen der beiden wichtigsten Figuren neben Newcomerin Bel Powley. Und wie sollte es anders sein: Tatsächlich hat «The Diary of a Teenage» Girl auch genau dort sein Publikumsdebüt gefeiert – beim Sundance Filmfestival 2015.
In «The Diary of a Teenage Girl» steht keine typische Jugendliche im Mittelpunkt. Die 23-jährige Newcomerin Bel Powley feiert mit ihrer Hauptrolle in diesem Independentfilm ihr erstes internationales Leinwandengagement und ist für jene Art Film, die Marielle Hellers hier abzuliefern versucht, ein Geschenk. Mit ihrer unbedarften Art setzt Powley, die vorab in TV-Projekten wie «Benidorm» oder «Murderland» zu sehen war, ein Statement hinter die Aussage, dass es in der Schauspielerei mehr um Ausdrucksstärke denn um das Erfüllen eines Schönheitsideals geht. Powley spielt gewitzt mit ihrem Image des grauen Mäuschens, lässt durch ihre Selbstsicherheit jedoch nie die Frage aufkommen, weshalb ihr die Männer nach und nach verfallen. Die optisch so unscheinbare Brünette besitzt eine Präsenz, die den Zuschauer umhaut. Selbst ihre erwachsenen Kollegen spielt Powley mithilfe ihrer unbedarften Attitüde an die Wand und beweist in den sensiblen Momenten zugleich eine ungeheure Zerbrechlichkeit.
So unkonventionell die Erzählweise des immer wieder von Comiczeichnungen aufgepeppten Realfilms auch sein mag, so anstrengend ist der beliebige Umgang mit den Figuren. «The Diary of a Teenage Girl» bemüht sich sichtlich, keinerlei Hollywood-Klischee vom reumütigen Fremdgänger, von der freizügigen Nymphomanin oder der immer jung bleiben wollenden Hippie-Mutter zu bedienen, entfernt sich damit jedoch erst recht von sympathischen Charakteren. Die Handlungen sämtlicher Figuren in «The Diary of a Teenage Girl» sind zwar durchweg nachvollziehbar, besitzen jedoch keinerlei Bodenhaftung. Menschen trennen sich, wenn es ihnen passt, verzeihen, wenn ihnen danach ist und sind mal kindisch, mal erwachsen, aber immer darum bemüht, nur nicht vorhersehbar zu sein. Diesen inszenatorischen Ansatz kann man mögen; erst recht dann, wenn man die standardisierte Machart gängiger Hollywood-Tragikomödien verabscheut. Doch vollkommen losgelöst von jedweden Charakteristika sind Figuren eben nicht lebensnaher, sondern schlicht und ergreifend auf Krampf gegen den Strich gebürstet. Und blickt man auf die Moral, die hinter «The Diary of a Teenage Girl» steckt, so lässt sich auch erahnen, weshalb Marielle Heller in ihrer Erzählung so genau ungenau vorgeht.
Wie ließe sich die Botschaft „Nur, wenn du dich selbst liebst, kann man auch dich lieben!“ besser unter den Kinozuschauer bringen, als mithilfe einer jungen Sexliebhaberin, die regelmäßig wechselnde Bettgefährten mit Liebe verwechselt? «The Diary of a Teenage Girl» arbeitet von vornherein auf ebenjene Moral hin und blickt dabei so stur geradeaus, dass für etwaige Variationen dieser Themen kein Platz bleibt. Marielle Hellers zeichnet mit ihrem Film ein von Freizügigkeit und Rausch geprägtes Lebensgefühl, das sich augenscheinlich nicht mit einer sesshaften Lebensweise in Einklang bringen lässt. Dass diese durchschimmernde Botschaft möglicherweise gar nicht gewollt ist, macht der zwischenzeitlich an den Tag gelegte Inszenierungsstil klar, der auf Selbstbestimmung pocht, das Künstlertum feiert und Minnie als unangepasste Rebellin in den Himmel hebt. Wann immer «The Diary of a Teenage Girl» sich also davon lossagt, die Botschaft um Selbstliebe und gegenseitige Akzeptanz auf Biegen und Brechen durchzudrücken, entwickelt der Film eine berührende Intimität. Dann stimmt für einen Moment alles, denn auch das Casting von Kristen Wiig (die der jungen Bel Powley im Profil täuschend ähnlich sieht) und Alexander Skarsgard als von erfrischender Unbekümmertheit gezeichneter Lebemann ist auf den Punkt.
«The Diary of a Teenage Girl» ist auf DVD und Blu-ray erhältlich sowie via Amazon, Maxdome, iTunes, Google Play, Wuaki, Microsoft, Videoload, JUKE, Sony und CHILI streambar.
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