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Die Kritiker: «Kalt ist die Angst»

Im ARD-Film in der Tradition klassischer Psycho-Thriller entspinnt sich ein hoch sehenswertes und facettenreiches Verwirrspiel um eine herausragende Hauptdarstellerin.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Caroline Peters, Rudolf Kowalski, Christoph Maria Herbst, Annika Blendl, Hans-Werner Meyer, Anke Sevenich, Arndt Schwering-Sohnrey, Nika Emilia Lou Vamvakaris, Abak Safaei-Rad

Hinter der Kamera:
Regie: Berno Kürten,; Buch: Martin Douven; Kamera: Klaus Eichhammer; Schnitt: Melania Singer; Szenenbild: Ulrich Passauer, Musik: Maurus Ronner; Kostüm: Gurli Thermann; Produktionsforma: Polyphon Pictures
Verschwörungen, Verlust, Paranoia, Gesellschaftskritik – alle diese Themen sind der bunten Welt der öffentlich-rechtlichen Fernsehfilme nicht fremd und finden vereinzelt Platz in den Skripten der 90-Minüter. Oft bleiben der große Anspruch und die nötige Konsequenz für einen wirklich erfrischenden Stoff dabei aber auf der Strecke. Man konzentriert sich zuweilen eindimensional auf eine Facette der Geschichte, was insbesondere angesichts der aberwitzig vielen Krimis im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine zu häufige Enttäuschung darstellt. Ohnehin kennzeichnen Krimis bei ARD und ZDF das alles dominierende Genre, umso erfrischender wirken die Versuche, diese Konvention aufzubrechen und nebenbei mehrschichtige Narrative zu erzählen. Im Falle des Genres Psycho-Thriller gelang dies zumindest anfangs in der noch ungen ZDF-Krimi-Reihe «Neben der Spur». Mit «Kalt ist die Angst» brachte nun die Degeto einen weiteren Film ähnlicher Couleur auf den Weg, der dieser Tage seine Premiere im Ersten feiert.

Claire (Caroline Peters) wirkt auf den ersten Blick, wie eine Frau, die alles im Leben hat. Ihr Gatte David (Hans-Werner Meyer) leistet mit seiner Firma Entwicklungshilfe in Afrika – ein Job, der gutes Geld abwirft und dem Ehepaar ein glückliches Leben in einem Designerhaus ermöglicht. Ein dunkler Schatten hängt dennoch über der Ehe: Bis heute blieb die Ehe kinderlos, was insbesondere Claire psychisch schwer zusetzt, sodass diese bereits die Hilfe von einer Psychiaterin und Medikamenten in Anspruch nehmen musste. Doch Claire muss sich schnell mit ganz anderen Themen auseinandersetzen, als ihr Mann gerade von einer Dienstreise zurückgekehrt ist. David wird tot in seiner Firma aufgefunden. Sein Chef Hagedorn (Rudolf Kowalski) und sein Assistent Michael (Christoph Maria Herbst) helfen Claire, diesen Schock zu verdauen, der sie erneut in schwere psychische Probleme stürzt. Als sie jedoch immer mehr mit Widersprüchen in Davids Vergangenheit konfrontiert wird, weiß Claire nicht mehr, wem sie vertrauen kann. Schmutzige Geschäfte in Afrika, eine Beziehung zwischen ihrem Mann David und einem Callgirl (Annika Bendl) und ein vermeintlicher Einbruch in ihrem Haus lassen sie an allem zweifeln, was sie bislang geglaubt hat. Ist Claire einer Verschwörung auf der Spur oder bildet sie sich alles nur ein?

Dass «Kalt ist die Angst» so erfrischend daherkommt, liegt nicht etwa an komplett unkonventionellen Entscheidungen des Buchs. Vielmehr steht der TV-Film in der Tradition klassischer Psycho-Thriller – ein Genre, dass allerdings im deutschen Film dieser Tage selten konsequent umgesetzt wird. Der unklare psychische Zustand von Protagonistin Claire eröffnet Autor Martin Douven («Liebling, lass die Hühner frei») und Regisseur Berno Kürten («Nord Nord Mord - Clüver und der tote Koche») viele Möglichkeiten, birgt jedoch auch Gefahren. Die Gratwanderung zwischen geistiger Gesundheit und geistiger Umnachtung des Hauptcharakters kann die Sympathie des Zuschauers schnell trüben, zuweilen sogar ermüdend wirken. Essenziell sind hierfür eine vielschichtige Hauptfigur und ein visuelles Konzept, das den Zuschauer selbst an der Authentizität der Geschehnisse zweifeln und rätseln lässt.

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Lesen Sie ab Samstagnachmittag auch das Quotenmeter.de-Exklusivinterview mit Hauptdarstellerin Caroline Peters.
Beide Herausforderungen meistert «Kalt ist die Angst». Bei Claire hat es der Zuschauer nicht mit einer geleckten und über jeden Zweifel erhabenen Filmheldin zu tun, sondern mit einer egozentrischen und hochverunsicherten Frau, die lange Zeit ihres Lebens nur mit sich selbst beschäftigt war und allmählich beginnt hinter die Fassaden ihrer Mitmenschen zu blicken. Dies verlangt ihrer Darstellerin einiges ab. Mit Caroline Peters engagierte man eine Schauspielerin, die sich in den vergangenen Jahren vor allem durch ihre Rolle im ARD-Publikumshit «Mord mit Aussicht» in die Herzen der Zuschauer spielte.

Vielen unbekannt ist abseits ihrer Schmunzelkrimi-Rolle die Tatsache, dass sich hinter Peters zudem eine der renommiertesten deutschen Theaterschauspielerinnen verbirgt, die mittlerweile allerlei Auszeichnungen ihr Eigen nennen darf. Ihre Leistungen machen sie im Fernsehfach dieser Tage zu einer der gefragtesten Charakterschauspielerinnen und im Zuge von «Kalt ist die Angst» verdichtet die herausragend dargestellte Ambivalenz ihrer Figur das Rätselraten um den tatsächlichen Hintergrund der Geschichte. Hat der Zuschauer es tatsächlich mit einer skrupellosen Verschwörung zu tun oder doch mit einer gezeichneten Witwe am Rande des Wahnsinns? Mühelos und trotzdem glaubhaft wandelt Peters zwischen den Extremen – mit ihr der Zuschauer.

So bleibt fast über die gesamte Laufzeit des Films unklar, womit man es als Beobachter überhaupt zu tun hat. Die schwere Aufgabe, den Film über 90 Minuten Länge dennoch plausibel zu gestalten, gelingt, wenn auch mit Abstrichen. Am deutlichsten wird dies in Claires Konfrontationen mit dem ehemaligen Assistenten ihres Mannes, Michael. Christoph Maria Herbst legt den Bodyguard als einen wortkargen und stets überernsten Mann mit strenger Arbeitsethik an. Mehrmals erhofft sich Claire durch Gespräche mit dem Ex-Kollegen ihres verstorbenen Ehemanns Aufklärung, dieser wiegelt jedoch einmal zu oft ab, bis ihre Aufeinandertreffen über eine gewisse Redundanz verfügen. Auch die Auflösung um Herbsts Figur gerät schließlich etwas hochgegriffen.

Die hohen Ambitionen von «Kalt ist die Angst» lassen sich auch an den zahlreichen Themen ablesen, denen sich der Film annimmt, ohne aufgrund der Bandbreite jemals halbherzig zu wirken. Verlust und das traditionelle Familienbild hinterfragt der 90-Minüter neben Elementen des klassischen Verschwörungsthrillers, die mit Paranoia, Medikamentenmissbrauch und psychischer Versehrtheit gepaart wurden. Nebenbei wirft der Thriller einen kritischen Blick auf die Arbeit von Entwicklungshelfern in Afrika und deren wirtschaftlichen Partikularinteressen. All diese Facetten spiegeln sich in den auftretenden Charakteren, die neben Peters uneingeschränkt gute Leistungen hervorbringen. Hervorzuheben und für die Geschichte besonders wichtig ist dabei Rudolf Kowalski als Chef Davids und väterlicher Bezugsperson Claires.

«Kalt ist die Angst» stellt einen der wenigen deutschen Fernsehfilme dar, die den Mut haben, als Genre-Film zu stehen. Dem Psycho-Thriller gelingt dabei fast über die gesamte Laufzeit die hochanspruchsvolle Aufgabe, den Zuschauer stets im Unklaren über die wahre Natur der Geschehnisse auf dem Bildschirm zu lassen und versetzt ihn so geschickt in die vertrackte und nervenaufreibende Lage von Hauptfigur Claire. Dabei konzentriert sich der von TV-Veteran Berno Kürten inszenierte 90-Minüter nicht nur auf das Verwirrspiel seiner Beobachter, sondern auf eine Vielzahl an Themen, denen aufgrund der Laufzeit des Films jedoch auch teilweise nicht die Tiefe eingeräumt werden kann, die sie verdient hätten. Ein intelligentes und plausibles Buch in der Tradition klassischer Psycho-Thriller, mit einer herausragenden Caroline Peters, der eine nuancierte Gratwanderung gelingt.

Das Erste zeigt «Kalt ist die Angst» am Samstag, dem 14. Januar 2017, ab 20.15 Uhr.
12.01.2017 11:20 Uhr Kurz-URL: qmde.de/90533
Timo Nöthling

super
schade


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