„Hilfe! Ein Film, der mich interessiert, wurde von Kritikern nicht gerade heiliggesprochen. Was soll ich jetzt nur tun?“ Nun, Quotenmeter.de hat einige hilfreiche Ratschläge für solch eine Problemsituation auf Lager …
Wir alle waren schon einmal in dieser Situation: Wochenlang, vielleicht sogar monatelang haben wir gebannt den Kinostart eines Films herbeigesehnt. Wir haben die Trailer verschlungen, Karten vorbestellt, vielleicht sogar erste Merchandisingprodukte erworben. Aber dann, wenige Tage vor Filmstart: Oh Schreck! Die ersten Rezensionen sind ganz und gar nicht schön! Geradezu boshaft! Nur ganz, ganz wenige Kritiken sind verhalten positiv!
Was sollen wir bloß tun? Die versnobten, eitlen Kritiker online beschimpfen, die ja wohl ganz klar unfähig waren, das geballte Maß an Qualität zu erkennen, das uns bereits in den Trailern und TV-Spots angrinst? Eine Petition gegen verkopfte, spießige Meinungsmache gründen? In den Hungerstreik treten? Das ganze verdammte Internet in Brand stecken, sobald wir rausgefunden haben, wie das überhaupt geht? Nein, nein, nein. Das alles macht zwar Spaß, ist aber langfristig betrachtet nicht gesund. Stattdessen sollten wir diesen Weg gehen: Die sieben Stationen der Popcorn-und-Rollenwechsel-Verrissverarbeitung!
Schritt eins: Immer schön ruhig durchatmen!
Es ist nur ein Film. Es ist nur ein Film. Es ist nur ein Film! Dann finden ihn halt viele Kritiker blöd, na und? Das muss dir nicht wehtun. Das sollte dir nicht wehtun! Es gibt viel wichtigere Dinge im Leben. Denk über diese nach und nicht über die Verrisse.
Schritt zwei: Erinnere dich daran, dass Kritiker keine Meinungsdiktatoren sind!
Auch wenn einige wenige so rüberkommen: Der Löwenanteil der Kritiker will dir nicht vorschreiben, was du zu denken und zu fühlen hast. Und selbst bei denjenigen, die das wollen, gilt: Sie können es nicht. Ein Kritiker kann Denkanstöße geben oder Erwartungen an einen Film beeinflussen. Aber wenn ein Kritiker einen Film langweilig und nichtssagend findet, heißt das nicht, dass du den Film ebenfalls doof finden musst, weil du sonst ebenfalls langweilig und nichtssagend wärst. Kritiker (und Freunde und andere Filmfans) können mit dir vielleicht uneinig sein, dir deine Meinung wegnehmen, können sie aber nicht.
Schritt drei: Über Filme zu urteilen ist nicht nur kein diktatorischer Prozess, sondern ebenso wenig ein demokratischer, denke daran!
So. Es ist also wirklich passiert. «Murmeln sortieren 3D: Angriff der Staubkörner» hat bei Rottentomatoes einen Wert von 4%. Das heißt, also: Der Film ist grottenschlecht. Und niemand auf der Welt kann ihn für gut befinden. Immerhin hat er somit eine noch miesere Bewertung als der gemeinhin missachtete neue «Ben Hur» oder «The Huntsman & The Ice Queen» … Aber: Halt! Nein. So funktioniert Rottentomatoes nicht. Ja, gemeinhin sagt man der Einfachheit halber über Filme, bei denen die Mehrheit den Daumen nach unten streckt, dass sie schlecht sind. Eine überwältigende Mehrheit an negativen Besprechungen bei Rottentomatoes drückt, ganz streng genommen, aber bloß aus: Sehr viele Menschen halten diesen Film für schlecht. Vier Prozent der Kritiker fanden ihn aber ganz offensichtlich gut. Wenn vier Prozent eines Berufsstands einen Film mögen können – dann du vielleicht auch?
Schritt vier: Der erste Schwall an Wut ist erstmal wieder verraucht? Dann lies dir doch mal in Ruhe die Argumentationen der Kritiker durch, statt nur auf das Endresultat zu starren und sich zu wünschen, die Benotung wäre höher!
„Die mögen meinen heiß erwarteten Film nicht, die haben mir nichts mehr zu sagen!“ Das ist eine Reaktion, die letztlich noch unfairer ist, als du dir die Kritiker wahrscheinlich im ersten Augenblick vorgestellt hast. Einen ganzen Film auf eine Note (oder einen Smiley oder ein Sieben-Worte-Fazit) zu reduzieren ist problematisch. Glücklicherweise sind Kritiken normalerweise länger. Daher solltest du eine Kritik auch nicht auf die mit ihr daherkommenden Wertung reduzieren. Wie sieht die Argumentation aus, die zu diesem Fazit führt? Superspannende Figuren aber unorigineller Plot? Ja, nicht so schlimm, vielleicht erwartest du von «Geht das schon wieder los 5: McShooty ballert sich durch das Gemeindezentrum» eh eine schöne Dosis Familiarität, gewürzt mit coolen neuen Nebenrollen?! Ja, vielleicht hättest du da keine 6/10 sondern eine 7,5/10 gegeben, aber wenn die Beobachtungen nachvollziehbar sind, wieso bist du eigentlich an die Decke gegangen?
Schritt fünf: Ins Kino gehen oder nicht? Du hast das Sagen!
Wenn du unbedingt «Lamas spucken auf feuchte Bieber» am Starttag im Multiplex sehen möchtest, dann gucke «Lamas spucken auf feuchte Bieber» am Starttag im Multiplex. Keine Kritik der Welt, kein noch so mieses US-Einspielergebnis der Welt und keine Flut an negativen YouTube-Kommentaren unter dem Trailer sollte dich davon abhalten, deinen Traum zu verfolgen. Wenn du allerdings eh große Zweifel hattest, ob du nicht lieber erst für «Junge Kätzchen knabbern Oreos» ins Kino gehen solltest, dann lies dir halt Kritiken aufmerksam durch. Und schau dir die Lamas je nach Begründung der Kritiker erst am Kinotag an oder wenn dir ein Gutschein in die Hände fällt. Oder gar nicht. Du bist dein eigener Boss. Alle anderen sind nur Berater.
Schritt sechs: Verfolge das Mantra „Es sind stets mehrere Blickwinkel möglich“
Du wusstest es! Du hast es von Tag eins an gesagt! David Lynchs «Traktorpflege» war den vielen Negativstimmen zum Trotz der geilste Kinoabend, den du die letzten fünf Jahre erlebt hast. Also … Was nun? Manchen Kritiken merkt man an, dass der Film den Autoren zu speziell ist. Andere meckern über den für Lynchs Verhältnisse zu biederen Look. Tja: Du musst einer Kritik nicht zustimmen. Vielleicht denkst du dir bei einigen Artikeln: „Ah, so muss der Film also auf Nicht-Traktorfahrer wirken!“ Wieder andere machen dich auf handwerkliche Mängel aufmerksam, die dir zwar egal sind, bei denen du aber verstehst, dass sie stören können. Und, ja, manche lassen dich weiter ratlos zurück. Das ist ja das Schöne an Filmen: Sie lassen sich aus allerhand Blickwinkeln betrachten. Und in manche lässt es sich leichter hineinversetzen („«Hardcore» hat mir wegen seiner atypischen Kameraführung Kopfschmerzen verursacht, also hatte ich keinen Spaß“), wieder andere sind echt exzentrisch und verquer („«The Do-Over» ist die mutigste Komödie aller Zeiten“). Aber wenn sie sich interessant erklären lässt, diese Meinung ..?
Schritt sieben: Engagiere dich. Aber mit Anstand!
Dir juckt es weiter in den Fingern? Dann engagiere dich am wundervollen Prozess des Filmediskutierens. Statt aber jeden, der anderer Ansicht ist, die Fähigkeit zu denken abzusprechen, allen Kritikern vorzuwerfen, geschmiert zu sein oder mit Drohungen um dich zu schmeißen: Versuch mal, am gesitteten Diskurs teilzunehmen. Erkläre deine Position in Foren, bei Twitter oder in Blogs. Und denk dran: Zu einem ergiebigen, reizvollen Diskurs gehört auch, sich mit der Gegenseite zu beschäftigen. Da es auch nicht um so etwas Folgenschweres geht wie Politik oder Wirtschaft, kann man das auch deutlich entspannter angehen. Lies ruhig Verrisse deiner Lieblingsfilme, um mal zu kapieren, wieso man sie missachten kann. Wenn diese Rezensionen gut geschrieben sind, bist du vielleicht ein Stück klüger, ohne danach direkt gehirngewaschen zu sein. Und womöglich findest du Anreize für weitere Diskussionspunkte?
Nimm aus all dem vor allem diese Lektion mit: Film ist ein wunderbares Hobby. Machen wir es nicht mit Hass und Wut kaputt.
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22.08.2016 10:22 Uhr 1