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Die Kritiker: «Rosa Roth - Der Schuss»

Nach fast zwanzig Jahren ist Schluss: Am Samstag geht «Rosa Roth» zu Ende - mit einer der besten Folgen, die für die Reihe je produziert wurden, meint Kritiker Julian Miller.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: MOOVIE - the art of entertainment GmbH
  • Drehbuch: Thorsten Wettke
  • Regie: Hannu Salonen
  • Kamera: Wolf Siegelmann
  • Produzent: Oliver Berben
Inhalt
Als Rosa Roth die Flure eines Berliner Gerichts betritt, um im Mordprozess gegen den russischen Waffenhändler und Großunternehmer Nikolai Raskow, mit dem sie es schon einmal, in ihrem allerersten Fall vor knapp 20 Jahren, zu tun hatte, auszusagen, ahnt sie noch nicht, dass dieser Fall auch ihr letzter sein wird.

Im Zentrum der Ermittlungen steht aber zunächst gar nicht die Mordanklage gegen Nikolai Raskow, sondern die rätselhafte Entführung von Maria Fassner. Sie ist die Gattin des Speditionsunternehmers Fassner. Ein Unbekannter hat sie seit drei Tagen in seiner Gewalt und fordert ein Lösegeld von 100 000 Euro.

Rosa Roth und Markus Körber können nicht verhindern, dass es dem Täter auf überaus raffinierte Weise gelingt, bei der Lösegeldübergabe unerkannt mit seiner Beute zu verschwinden.

Die Indizien deuten bald darauf hin, dass es sich bei dem Entführer um den Taxifahrer Stefan Gruber handelt. Er hat mit Teilen des Lösegeldes Flugtickets für sich und seine kleine Tochter Deborah, die bei der Familie Deinhardt als Pflegekind lebt, gekauft, um sich mit dem Kind in die USA abzusetzen. Zwischen den Deinhardts und Stefan Gruber gibt es seit längerem einen Streit um das Sorgerecht für Deborah.

Bei der nächtlichen Verhaftung des mutmaßlichen Entführers kommt es zu einer Verkettung tragischer Umstände. Als Rosa Roth und Markus Körber Grubers Haus mit gezogenen Waffen betreten, überschlagen sich die Ereignisse. Dann fällt ein Schuss auf Körber, Rosa schießt zu dessen Verteidigung in die Richtung des Schützen und trifft Grubers Tochter Deborah. Ihre Verletzung ist so schwer, dass sie schließlich nicht überlebt.

Für Rosa ist von diesem Moment an nichts mehr, wie es war. Sie flüchtet wie in Trance an die Ostsee, um wenigstens für ein paar Momente ihre Gedanken und Gefühle zu ordnen, bevor sie sich der Internen Ermittlung stellen muss. Doch daraus wird nichts, denn schon dort erfährt sie, dass Raskow, dem es offenbar gelungen ist, das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen, zumindest indirekt auch mit dem Entführungsfall Fassner zu tun hat.

Bei Raskows erfolgreicher Anwältin Yasemin Deinhardt handelt es sich nämlich um Deborahs Pflegemutter. Damit erscheint der Entführungsfall Fassner plötzlich in einem ganz neuen Licht. An einen Zufall will Rosa nicht glauben. Wie aber hängen Raskow und seine Anwältin Deinhardt mit dem Entführungsfall Fassner zusammen? Und war Stefan Gruber überhaupt Maria Fassners Entführer? Wie kam er sonst in den Besitz des Lösegelds?

Wieder zurück in Berlin, nimmt Rosa gemeinsam mit Markus Körber die Ermittlungen noch einmal auf. Ihre größte Sorge aber gilt dem Zustand der kleinen Deborah. Die Ärzte können Rosa nur wenig Hoffnung machen.

Für Rosa steht eines außer Zweifel: Sie muss die Hintergründe dieses Falles und die mögliche Verstrickung Raskows darin lückenlos aufklären. Dieses Mal soll Raskow nicht ungeschoren davonkommen.

Darsteller


Iris Berben («Niemand ist eine Insel») als Rosa Roth
Thomas Thieme («Das Leben der Anderen») als Markus Körber
Carmen Maja Antoni («Das weiße Band») als Karin von Lomanski
Gunter Schoß («Der Landarzt») als Günther Zorn
Devid Striesow («Tatort – Saarbrücken») als Stefan Gruber
Mina Tander («Maria, ihm schmeckt's nicht!») als Yasemin Deinhardt
Johann von Bülow («Der Minister») als Jörg Deinhardt
Hans-Michael Rehberg («Schindlers Liste») als Nikolai Raskow
Jürgen Vogel («Die Welle») als Boris Raskow
Lisa Maria Potthoff («Trau niemals deiner Frau») als Esther Bergmann

Kritik


«Der Landarzt», «Forsthaus Falkenau», «Kommissar Stolberg» und «Rosa Roth». Was passt nicht in diese Reihe?

Wer jetzt «Rosa Roth» gesagt hat, hat Geschmack bewiesen. Verschwimmen beim ZDF also die Grenzen zwischen qualitativ hochwertigen Produktionen («Rosa Roth») und austauschbarer, belangloser Dauerberieselung («Landarzt», «Forsthaus» und «Stolberg»), wenn die Entscheider bei ihren betagteren Serien und Reihen einmal feucht durchwischen?

Tatsächlich soll nicht das ZDF, sondern Iris Berben entschieden haben, nach 19 Jahren den Dienst zu quittieren. Man könnte es ihr nicht verübeln – fast zwei Jahrzehnte in derselben Rolle sind auch bei einer geringen Schlagzahl an jährlich produzierten Folgen eine ordentliche Hausnummer. Und wenn es ihr Ziel war, genau auf dem Höhepunkt aufzuhören – sie hat es erreicht. «Rosa Roth» war in den meisten Fällen überdurchschnittlich gutes Fernsehen, aber selten so gut wie im Abschiedsspecial „Der Schuss“.

In gewohnter Weise präsentiert sich das große Finale angenehm unaffektiert, verzichtet auf die bekannten billigen Tricks, mit denen ähnliche Filme bei den Öffentlich-Rechtlichen gerne ihre Tragik durch hemmungsloses Melodramatisieren aufweichen. Stattdessen ein Tabubruch: Ein Kind kommt zu Tode. Und dieses Kind ist kein Redshirt bei einem großangelegten Gemetzel. Es hat sogar einen Namen: Deborah. Man zeigt, wie es von seinen Pflegeeltern liebevoll verhätschelt wird und wie der leibliche Vater alles daransetzt, es wiederzubekommen. Bis zum schicksalsträchtigen Moment, als Rosa Roth es in einem tragischen Unfall erschießt.

Dabei gilt beim ZDF wie bei der ARD doch die ungeschriebene Regel: Kindern und flauschigen Haustieren darf nur dann etwas passieren, wenn sie am Schluss gerettet werden. Sonst schalten die Frauen ab, heißt es immer.

In diesem Moment, als Rosa Roth aus dem Fenster der Berliner Villa schießt und unten die kleine Deborah steht, bricht das Format endgültig die Regeln. Leider bricht es nicht gleichzeitig mit den Konventionen. Zeitlupe und eine in ihrer Inszenierung zu forcierte Dramatik müssen auch hier sein. Trotzdem: eine starke Szene. Wie stark wäre sie erst gewesen, hätte man auf die Überkandidelei verzichtet und wäre dem vielleicht etwas kühlen, aber doch naturalistischen Stil des Formats auch in diesem extremen Moment treu geblieben.

Vielleicht ein kleines Zugeständnis an die Frauen, die sonst abschalten würden. Das war dann aber auch ihr letztes Zugeständnis bei «Rosa Roth». Der Rest wird mit Würde zu Ende gebracht. Sinnvoll, clever, in einer emotional durchaus anspruchsvollen Manier.

Und natürlich mit einem gewohnt hervorragenden Cast: Iris Berben hat mit ihrem herausragenden Spiel in dieser Rolle zeigen können, dass weibliche Krimi-Protagonistinnen gerade dann sympathisch werden, wenn sie nicht auf das Bild von Frauenaffinität gebürstet werden, das in Degetoredaktionen so vorherrscht, sondern als intelligente und emotional stabile Charaktere geschrieben sind. Das wird einem fehlen.

Ähnlich schwer fällt der Abschied von Alleskönner Thomas Thieme. Ihm gelang es, in vergleichsweise wenigen Folgen eine sehr warmherzige, sehr nahbare Nebenfigur zu etablieren.

Bei den Episodenrollen gibt «Rosa Roth» im Finale noch einmal Vollgas: Devid Striesow darf einen nicht geringen Teil des Gelingens auf einen Namen verbuchen. Schließlich hat er als Vater der erschossenen Deborah nicht die leichteste Rolle, dafür aber die Last auf den Schultern, den Plot durch ein nahbares Spiel fassbar zu machen. Und Jürgen Vogel spielt den Fiesling, wie ihn nur Jürgen Vogel spielen kann.

„Ich bin nicht mehr so fit wie vor zwanzig Jahren. Ich bin aus der Zeit gefallen“, gesteht sich Rosa Roth bei einem Glas Wein mit ihrem Kollegen Markus Körber ein, als sie mit ihm den schrecklichen Unfall aufarbeitet. Zeilen, die man metafiktional verstehen darf. Nein, muss.

Ist «Rosa Roth» aus der Zeit gefallen? Wenn man sich das heutige programmliche Umfeld ansieht, muss die Antwort lauten: absolut. Bei fast zwei Jahrzehnten on air ist das so gut wie unvermeidlich. Dass das Format – anders als etwa die «Polizeirufe» mit Jaecki Schwarz – nicht zum Anachronismus wurde, ist der differenziert entworfenen Hauptfigur zu verdanken, die mehr Variation erlaubt, als klischeehaft zusammengeschusterte Ermittlerrollen, bei denen es möglichst viel menscheln soll. Wären von «Rosa Roth» also noch mehr Folgen drin gewesen, ohne einen qualitativen Verfall befürchten zu müssen? Bestimmt.

Aber man soll ja aufhören, wenn's am schönsten ist. Angesichts des großartigen Finales hat man sich das hier auch zu Herzen genommen.

Chapeau!

Das ZDF zeigt die letzte von «Rosa Roth» mit dem Titel „Der Schuss“ am Samstag, den 12. Oktober um 20.15 Uhr.
12.10.2013 11:46 Uhr Kurz-URL: qmde.de/66674
Julian Miller  •  Quelle: Inhalt: ZDF

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