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Der Fernsehfriedhof: Ein Bingo... ohne Bingo

Folge 241: Erinnerungen an ein tägliches Vorabendquiz der frühen 90er Jahre und eine ehemalige Sat.1-Allzweckwaffe.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir des Auf- und Abstiegs eines wahren Fernsehpioniers.

«Bingo» wurde am 18. Februar 1991 in Sat.1 geboren und entstand zu einer Zeit, als die noch jungen Privatkanäle zahlreiche tägliche Quiz- und Gameshows aus der Taufe hoben. An den Erfolg von «Ruck Zuck», «Hopp oder Top», «Riskant» und «Glücksrad» versuchte auch die neue Sendung anzuschließen. Ihr Konzept kombinierte typische Elemente der damaligen Vertreter mit der populären Bingo-Lotterie, denn in jeder Ausgabe kämpften drei Kandidaten darum, durch das korrekte Beantworten von Allgemeinwissensfragen ihre Zahlenfelder auszufüllen.

Die jeweiligen Spielbretter bestanden dabei aus 15 (später 12) Feldern, von denen in drei Runden zunächst die vier Ecken, dann die mittlere Reihe und schließlich das gesamte Feld belegt werden mussten. Als Belohnung gab es dafür Kopfhörer, schnurlose Telefone, Armbanduhren, Keyboards oder Kurzreisen. Im Finale mussten die Teilnehmer anschließend auf einer Videowand mithilfe weiterer Fragen eine Reihe aus fünf Feldern erreichen. Je schneller dies gelang, desto höher fiel der Geldgewinn aus. Im Idealfall waren 5.000 DM zu holen.

Dabei gab es kaum Abweichungen, denn die einzelnen Abschnitte unterschieden sich nur darin, dass die Fragen mal einzelnen Kategorien zugeordnet waren oder sich die Kontrahenten mal durch einen Joker für die Beantwortung einer Frage gegenseitig blockieren konnten. Anders als es der Titel der Show und die Anordnung der Spielbretter vermuten ließen, hatte der Ablauf nichts mit dem eigentlichen Glücksspiel zu tun, denn die markanten Buchstaben B-I-N-G-O traten gar nicht auf und auch die Zahlenfelder wurden nicht per Zufall, sondern streng aufgrund der korrekten Antworten besetzt. Im Grunde gewann das Spiel also, wer zuerst 15 Fragen richtig beantworten konnte.

Das eigentliche Bingo-Prinzip kam vielmehr in der zusätzlichen Gewinnmöglichkeit für die heimischen Zuschauer zum Tragen, bei der es mithilfe der offiziellen Spielscheine, die entweder der Programmzeitschrift Hörzu beilagen oder im Kiosk erhältlich waren, Prämien und sogar ein komplettes Haus zu gewinnen gab. Dazu mussten die Spieler von den ersten im Verlauf der Sendung freigelegten Zahlen insgesamt 15 Stück auf ihrem Schein ankreuzen können, um an der Verlosung teilnehmen zu dürfen. Wem dies gelang, der musste sich per Telefon bei der Redaktion melden – jedoch täglich nur von 9.00 bis 11.00 Uhr und von 18.45 bis 22.00 Uhr.

Als Moderator wurde der ehemalige Schlagersänger und Nachrichtensprecher Wolf-Dieter Herrmann ausgewählt, der damals bereits eines der ersten bekannten Gesichter des Senders war und gern als Sat.1-Allzweckwaffe bezeichnet wurde. Schließlich war er einer derjenigen, der die Zuschauer des neuen Kanals zuerst begrüßen durfte. Außerdem führte er ab 1987 durch die Sendung «Guten Morgen mit Sat.1», den Vorläufer des heutigen «Frühstücksfernsehens». Dabei machte er insbesondere durch die lockeren, aber fundierten Gespräche mit seinen Gästen auf sich aufmerksam. Als die Produktion jedoch von Hamburg nach Berlin umzog, entschied sich Herrmann gegen einen Ortswechsel, verließ das morgendliche Magazin und übernahm das Vorabendquiz. Hilfreiche Erfahrungen konnte er zuvor in der Rubrik «Superball» sammeln.

Aufgenommen wurde die Gameshow dann nicht in den üblichen Medienstandorten Köln, Hamburg oder München, sondern in einem Studio in Dortmund. Um eine dezente Casino-Atmosphäre in der goldenen Kulisse andeuten zu können, saß das Livepublikum nicht in Rängen, sondern um runde Bistrotische angeordnet, auf denen Sektkübel für eine lockere Stimmung sorgten. Dabei verlangte die Produktion von allen Beteiligten eine hohe Ausdauer ab, denn in der Regel wurden aus Kostengründen vier Ausgaben am Stück aufgezeichnet. Weil zudem das Geld für einen Warm-Upper gespart wurde, musste Herrmanns das Publikum in den Pausen mit seinem Gesang unterhalten. Daher war es nur konsequent, dass er anlässlich der 500. Ausgabe einen eigenen Schlager mit dem Titel „Mit dir möcht ich gern Bingo spieln“ vom Komponisten Ralph Siegel geschrieben bekam, der fortan am Ende jeder Ausgabe eingespielt wurde.

Im Erfolgssog der anderen täglichen Gameshows ging das halbstündige Format, das montags bis samstags um 18.15 Uhr gezeigt wurde, zwar nicht total unter, konnte aber mit den meisten Konkurrenten dennoch nicht mithalten. Daher fiel ab Januar 1992 auch die Samstagsausgabe weg, bevor Ende des Jahres die komplette Sendung eingestellt wurde. Dennoch brachte sie ein zugehöriges Brettspiel, ein PC-Game und sogar eine kurzfristige Kinder-Variante hervor.

«Bingo» wurde am 31. Dezember 1992 beerdigt und erreichte ein Alter von 525 Folgen. Die Show hinterließ den Moderator Wolf-Dieter Herrmann, der ab 1993 seinen Daily Talk «Herrmann – Die Talkshow für Sie» nach nur zwei Monaten wieder verlor und damit endgültig aus großen Fernsehsendungen verschwand. Zwar führte er ab 1996 noch durch den «Boulevard Deutschland» für die Deutsche Welle, präsentierte dann jedoch ab 2001 das tägliche Call-In-Quiz «Greif an!» beim umstrittenen Sender 9Live, bevor er ab 2003 die Nachrichten für eine kleine Berliner Lokalstation verlas. Aktuell produziert er zusammen mit seiner Ehefrau lediglich sein eigenes Online-Portal «PotsdamFernsehen.de» und tritt wieder als Schlagersänger auf kleineren Festen und Veranstaltungen auf. Insgesamt führte er bisher durch mehr als 1.800 TV-Ausstrahlungen.

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der kontroversen Live-Cartoon-Call-In-Comedy-Show von VIVA.

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30.05.2013 11:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/64066
Christian Richter

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