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Die Kritiker: «Lerchenberg»

Zum 50. Geburtstag schenkt sich das ZDF mit seiner vierteiligen Sitcom ein wenig Selbstironie. Ob der Versuch geglückt ist, verrät Julian Miller in seiner Rezension.

Inhalt


Folge 1 – Das Wunder

Hinter den Kulissen

  • Produktion: lüthje schneider hörl FILM GbR
  • Regie: Felix Binder
  • Drehbuch: Felix Binder, Vivien Hoppe, Maren Lüthje, Florian Schneider, Niels Holle und Marc O. Seng
  • Kamera: Jenny Bräuer
  • Producer: Florian Schneider, Maren Lüthje und Andreas Hörl
Eigentlich läuft gerade alles prima für Billie: Die ZDF-Jungredakteurin ist kurz davor, ihr erstes ehrgeiziges Filmprojekt zu realisieren. Doch dann funkt ihr kurz vor Drehbeginn ihre Vorgesetzte Dr. Elisabeth Wolter dazwischen und verlangt, dass Billie Sascha Hehn in ihrem Projekt unterbringt. Schnell ist klar, dass der abgehalfterte Ex-Star nicht so anspruchslos, glatt und arrogant ist, wie seine Rollen das nahelegen - sondern in Wirklichkeit noch viel schlimmer. Hehn will sich auf jeden Fall nicht mit einer Nebenrolle in Billies Projekt zufriedengeben, sondern fordert die Hauptrolle für sich. Und für Billie bahnt sich noch mehr Ärger an. Denn ihre neue Volontärin Judith ist anscheinend an Billies Job ebenso interessiert wie an Billies Schwarm, dem Sportredakteur Philipp. Es ist, als ob sich mit Hehns Auftauchen im Sender ein Fluch über sie gelegt hätte.

Folge 2 – Ein Fall für Zwei

Sascha, der neue Matula? Sein Trailer jedenfalls kommt bei dem zuständigen Redakteur sehr gut an. Aber gleich zu Beginn der Dreharbeiten kommt von ganz oben die Ansage, dass Sascha die Rolle auf keinen Fall bekommen soll. Offensichtlich gibt es zwischen Berthold Bode, dem Redaktionsleiter für Serien, und Sascha noch eine offene Rechnung. Wie es aussieht, hat Sascha es dadurch sogar auf die ZDF-Giftliste geschafft, eine Namensliste mit Personen, die beim ZDF nicht mehr willkommen sind. Während Billie versucht, die Angelegenheit mit dem Redaktionsleiter aus der Welt zu schaffen, versucht Sascha, direkt an die Giftliste zu kommen, um seinen Namen zu löschen. Schließlich führt aber für Sascha kein Weg mehr daran vorbei, sich bei Berthold Bode zu entschuldigen. Doch dass er damit alles noch schlimmer macht, hätte Billie nun wirklich nicht erwartet.

Folge 3 – Du bist, was du isst

Beim Durchforsten des Fernsehprogramms kommt Sascha spontan auf die geniale Idee, eine Kochsendung zu machen. Billie ist alles andere als begeistert, aus Mangel an Alternativen lässt sie sich aber davon überzeugen, eine inhaltlich wertvolle Ernährungssendung zu konzipieren, an der sie zunehmend Gefallen findet. Als Sascha Billies kurze Abwesenheit nutzt, um das Konzept mit etwas mehr Schmiss und guter Laune aufzupeppen, mutiert Billies ganzheitlicher Ansatz zu einer kitschigen Weihnachtskochshow mit Waisenkindern und Gesang. Wutentbrannt überlässt Billie Sascha sich selbst. Dieser ist mit der Vorbereitung der Sendung alleine völlig überfordert. Als auch noch herauskommt, dass Sascha gar nicht kochen kann, fasst sich Billie ein Herz und hilft ihm gemeinsam mit Frau Merzig aus der Patsche.

Folge 4 – Sascha hautnah

Dr. Wolter macht Druck. Billie soll endlich ein Format für Sascha an den Start bringen und zwar erfolgreich, billig und schnell. Da liegt nichts näher als eine Doku-Soap: 'Sascha hautnah' soll Sascha in sein echtes Leben folgen. Aber was machen, wenn man weder Auto, noch einen Platz zum Schlafen hat? Eine Wohnung als seine eigene ausgeben und Frau und Kind gleich mit dazu mieten? Saschas Lösung macht Eindruck, bis alles auffliegt und selbst im Schnitt nichts mehr zu retten ist. Billie reicht es nun endgültig. Sie wirft hin, auch wenn das für sie bedeutet, sich als Mainzelmännchen-Reporterin bei einer Fastnachtssendung wiederzufinden. Und Sascha ist völlig am Ende: kein Job, keine Wohnung und eine Doku Soap, die ihn völlig ruinieren wird. Aber Saschi never gives up - und das Mainzelmännchen erst recht nicht.

Darsteller:
Sascha Hehn («Das Traumschiff») als Sascha Hehn
Eva Löbau («Hilfe! Hochzeit!») als Billie
Cornelia Gröschel («In aller Freundschaft») als Judith
Matthias Lier («Vater Paul») als Philipp
Karin Giegerich («Klinik am Alex») als Dr. Wolter
Anke Sevenich («Geld.Macht.Liebe») als Frau Merzig
Stephan Kampwirth («Die Chefin») als Berthold Bode

Kritik:
Man merkt es der Serie an, dass sie in der Nachwuchs-Redaktion des ZDF ihre Anfänge hatte. Wie man im Mediengesabbel sagen würde: Sie ist frisch.

Zumindest für deutsche Verhältnisse. Denn Anklänge an die erfolgreiche amerikanische Sitcom «30 Rock», die einen satirischen Blick hinter die eigenen NBC-Kulissen wirft, sind in «Lerchenberg» unverkennbar. Die Gemeinsamkeiten hören nicht schon damit auf, dass beide Titel auf das Gebäude des Konzernzentrums anspielen.

Doch anders als NBC ist das ZDF bekanntermaßen eine Anstalt des öffentlichen Rechts und somit von Struktur und Aufgaben her ein Hybrid zwischen einem Beamtenapparat und dem Anspruch, kreativ zu sein. Die Abläufe und die handelnden Personen sind andere als bei NBC – und so wird aus der «30 Rock»-Prämisse eher eine Art «The Office». Im Mainzer Sendezentrum geht es behäbiger, leiser, hierarchischer, kurz: deutscher zu als im Rockefeller Center in New York. Und natürlich öffentlich-rechtlicher. Die Übertragung des Konzepts auf die hierzulande herrschenden Zustände glückt vollkommen, weil man auf die lokalen Gegebenheiten weit genug Rücksicht nimmt und nicht einfach stur ein amerikanisches Format nachbaut, das mit den hiesigen Gegebenheiten allenfalls schwer vergleichbar ist.

Für Brancheninsider wirkt «Lerchenberg» fast ein bisschen zu sehr im Plot verhaftet, wenn der selbstreferentielle Aspekt des Konzepts hin und wieder fast schon in den Hintergrund rückt. Dennoch, oder gerade dadurch, hat man einen guten Kompromiss zwischen Special-Interest-Satire und deren gekonnter dramaturgischer Verflechtung mit dem Korsett einer Mockumentary-Sitcom gefunden.

Und keine Angst: Die Seitenhiebe klingen fast ständig durch, wenn auch manchmal eher auf der zweiten Ebene. «Lerchenberg» schafft viele goldene Momente, etwa wenn Wayne Caprendale neben Sascha Hehn an der Bar sitzt und von seinem neuen Projekt erzählt: „Was ganz Innovatives. Ich soll 'nen Proktologen spielen.“ Zumindest als kritischer Medienbeobachter fühlt man sich hier sofort zu Hause.

Selbstironie ist hier also in Massen vorhanden. Dass das Format keine Selbstanklage wird, ist verständlich und wäre dem Konzept ja auch vollkommen abträglich gewesen. Gleichzeitig kann die Mini-Serie durchaus als eine Art Lehrstück gesehen werden, das gekonnt vermittelt, weswegen Innovation in diesen Strukturen oft so schwer möglich ist. Dass es mit «Lerchenberg» doch geklappt hat, sich selbst sinnvoll auf die Schippe zu nehmen und im Rahmen der Möglichkeiten einer Sitcom durchaus selbstkritische Töne zu finden, ist ein glasklarer Gewinn für das ZDF. Für diese und andere (viele Kritiker würden sagen: derzeit eher wenige) Formate: Glückwunsch zu 50 Jahren Sendergeschichte!

«Lerchenberg» läuft am Donnerstah, 28.03. ab 22.45 Uhr bei ZDFneo, sowie jeweils zwei Folgen am 05.04. und 12.04. ab 23.00 Uhr im ZDF.
28.03.2013 13:24 Uhr Kurz-URL: qmde.de/62903
Julian Miller

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