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Die Kino-Kritiker: «Der Diktator»

Derbe und charismatisch: Sacha Baron Cohen kehrt mit als selbstverliebter Diktator in die Kinos zurück.

Mit den satirischen, semi-dokumentarischen Komödien «Borat» und «Brüno», in denen er Ahnungslose durch geschickte Fragestellungen oder gezielte Provokation durch seine Kunstfiguren auflaufen ließ und so gesellschaftlich-moralische Missstände aufdeckte, sorgte der britische Komiker Sacha Baron Cohen in den vergangenen Jahren vielfach für Furore. Oft aber wird vergessen, dass der gewitzte Provokateur vor diesen zwei Filmen schon einmal als Hauptdarsteller, Produzent und Autor einer Kinokomödie fungierte. 2002 verpflanzte er den Möchtegerngangster und -rapper Ali G. von seiner Hit-Fernsehshow in die fiktionale Blödelkomödie «Ali G in da House», die trotz manch gelungener Sprüche den entlarvenden, hintersinnigen Charme dieser mittlerweile in Rente geschickten Figur missen ließ.

Nun verzichtet Baron Cohen, auf den nach den Publikumserfolgen von «Borat» und «Brüno» eh kaum noch jemand reinfallen würde, erneut auf das ihm so hervorragend liegende Stilmittel und setzt stattdessen auf eine geskriptete Handlung. Gänzlich auf Spontaneität wollte der Komiker zwar nicht verzichten, so dass beim Castingaufruf für die weibliche Hauptrolle explizit ein großes Improvisationstalent gefordert wurde, trotzdem begibt er sich mit «Der Diktator» wieder ins gewöhnliche Komödienfach. Dennoch versucht Sacha Baron Cohen als Admiral General Aladeen, seines Zeichens Diktator eines nordafrikanischen Ölstaates, seinen bewährten Mix aus Provokation, sympathischer Blödelei und Vulgärhumor zur Fruchtung zu bringen. An die Brillanz seiner vorhergegangenen zwei Filme reicht «Der Diktator» dennoch nicht heran, es fehlt schlicht das Grauen des Realen, an dessen Stelle nun eine konstruierte Durchschnittshandlung rückt. Trotzdem triumphiert Baron Cohen, wo viele seiner Kollegen scheitern: Seine Ausflüge weit unter die Gürtellinie sind nicht stumpfsinnig und ermüdend, sondern helfen, einen ganz und gar nicht urtypischen Kinohelden zu entwerfen.

Eigentlich dürfte der ignorante Despot, der es sich in seinem güldenen Palast gut gehen lässt, während sein Volk leidet, dem Kinopublikum nicht ans Herz wachsen. Es sind genügend Actionfilme denkbar, in denen solch eine Diktatoren-Karikatur den abscheulichen Schurken mimen würde. Aber Baron Cohens spitzbübische Spielfreunde, die augenzwinkernde Art, mit der die charakterlichen Abgründe des Admiral General Aladeen ausgelotet werden und einige wohlweislich eingestreute verletzliche Momente machen aus dem Tyrannen einen liebenswerten Anti-Helden. Die politisch inkorrekten, sowohl Schurkenstaaten als auch deren westliche Wahrnehmung karikierenden Szenen im fiktiven Staat Wadiya bieten Baron Cohens neuster Kunstfigur die deutlichsten Gelegenheiten zu glänzen, weshalb es schade ist, dass die Handlung sehr rasch nach New York verlegt wird.

Sobald der entmachtete Despot vorübergehend in einem schlecht geführten Veganerladen schuften muss, verliert «Der Diktator» seinen Biss und seine Einzigartigkeit, dennoch bleibt der Film für Liebhaber von Baron Cohens kunterbunt gemischten Humor kurzweilig. Dies ist auch Anna Faris («Scary Movie») zu verdanken, die als politische Aktivistin und Geschäftsführerin des besagten Lebensmittelladens kaum wiederzuerkennen ist und eine erfrischend andersartige Performance abliefert. Das unglaubwürdige Techtelmechtel, dass das Drehbuch den beiden andichtet, bleibt aber kaum mehr als ein klischeehafter Handlungsmotor, selbst wenn er zugleich als Initialzündung für einige urkomische, derbe Gags dient. Und zum Schluss findet «Der Diktator» auch wieder, wenn auch nur flüchtig, zum bissigen Sozialkommentar seiner indirekten Vorgängerfilme zurück.

Fans von «Borat» und «Brüno», denen auch die inszenierten Elemente dieser Filme gefielen, werden bei «Der Diktator» also erneut auf ihre Kosten kommen. Durch Wegfall des dokusatirschen Einschlags hallt diese Komödie längst nicht so lange nach, wie die zwei vorherigen Kinospäße von Baron Cohen, aber das Timing sitzt wie immer perfekt und die hohe Gagdichte trügt effektiv über so manche Drehbuchschwächen hinweg.

«Der Diktator» läuft ab 17. Mai 2012 in vielen deutschen Kinos.
16.05.2012 10:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/56757
Sidney Schering

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