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Die Kritiker: «Der Mann mit dem Fagott»

Story


Deutschland, September 2010. Nach erfolgreichem Konzert sitzt Udo Jürgens erschöpft in der leeren Halle, als sein Tourmanager ihm ausrichtet, ein gewisser Kasajev aus Moskau habe ihn zu erreichen versucht. Es ginge um eine Bronzestatue: „Der Mann mit dem Fagott". Udo ist tief bewegt, vor seinem geistigen Auge entrollt sich ein ganzer Film. Die Geschichte seines Vaters und seines Großvaters beginnt 1891 auf dem Bremer Weihnachtsmarkt: Die russisch klingende Musik eines Fagottspielersverzaubert den 21-jährigen Heinrich Bockelmann so sehr, dass er nach Moskau auswandert. Sein Mut wird belohnt, gut 20 Jahre später ist er Direktor einer einflussreichen Privatbank. Sein Glück ist perfekt, als seine Frau Anna ihm eine Bronzestatue schenkt, die verblüffende Ähnlichkeit mit dem Fagottspieler aus Bremen hat.

Die deutsche Kriegserklärung an Russland stellt die Familie vor eine Zerreißprobe. Nur durch Bestechung gelingt es dem prominenten Bankier, dass Frau und Kinder ins sichere Schweden ausreisen können. Heinrich wird denunziert und als vermeintlicher Spion in ein sibirisches Lager deportiert. Dessen Kommandant schlägt dem Klassenfeind ein skurriles Geschäft vor: Der reiche Häftling soll Gelder aus seinem Privatvermögen an das bankrotte Gefängnis überweisen. Heinrich erhält einen Passierschein nach Moskau, wo das Unglaubliche geschieht: Er trifft den Mann mit dem Fagott wieder. Das Erlebnis beflügelt ihn so sehr, dass er die Flucht nach Schweden wagt.

Darsteller
Udo Jürgens ist Udo Jürgens
Christian Berkel («Der Kriminalist») ist Heinrich Bockelmann
David Rott («Familie macht glücklich») ist Udo (jung)
Ulrich Noethen («Der Untergang») ist Rudi
Melika Foroutan («KDD - Kriminaldauerdienst») ist Anna
Valerie Niehaus («Der Landarzt») ist Gitta
Herbert Knaup («Das Leben der Anderen») ist Onkel Erwin

Kritik
Der Lebenslauf von Udo Jürgens bildet lediglich ein Untersuchungsfeld dieses Zweiteilers, was gleich zu einer Vielzahl von Problemen führt. So fehlt es leider vollständig an einem übergeordneten thematischen Zusammenhang, der über den Anspruch, eine Familienchronik sein zu wollen, hinausgeht, weswegen «Der Mann mit dem Fagott» leider dramaturgisch an allen Ecken und Enden auseinanderfällt. Die gesellschaftlichen Umwälzungen im zaristischen Russland als Folge des Ausbruchs des ersten Weltkriegs, die Nazi-Zeit in Kärnten, die Familienzwiste um den für seinen Onkel untragbaren Lebenswandel des jungen Udo Jürgens – hier will man so ziemlich alles betrachten.

Leider hat man sich auch gegen eine chronologische Narrative entschieden, und erzählt die Plots stattdessen collageartig, oder besser gesagt: häufig vollkommen wirr. Wenn Udo etwa gerade in einer Lebenskrise steckt, nachdem ihm im Tonstudio Schmonzetten aufgezwungen worden sind, geht es schnurstracks zurück in ein Uraler Gefängnis zur Zeit des ersten Weltkriegs, wo sein Großvater gerade ums nackte Überleben kämpft. An allen Ecken und Enden wird herumgestochert, immer wieder reißt man den Zuschauer aus der Handlung und verpflanzt ihn an eine zeitlich vollkommen andere Stelle, um dort wieder ein paar dramaturgische Löcher zu stopfen. Die verquere Erzählweise scheint lediglich einem Widerwillen zur Chronologie zu entspringen; Sinn ergibt sie nämlich keinerlei. Einen angenehmen Rhythmus findet das Drehbuch von Miguel Alexandre (auch Regie) und Harald Göckeritz, das auf dem gleichnamigen Roman von Michaela Moritz und Udo Jürgens basiert, leider ebenso wenig.

Teilweise geschieht die Auseinandersetzung mit den weltgeschichtlichen Themen dabei überraschend differenziert, doch immer wieder werden sie leider zu forciert emotionalisiert und die Dialoge sind bis auf wenige Ausnahmen zumeist von lapalienhaftem Schwachsinn durchsetzt.

Bezeichnend ist es natürlich auch, dass man mit der Tatsache, dass der junge Udo seine Freundin Gitta nach Strich und Faden betrügt, äußerst undifferenziert umgeht, und das Drehbuch ihm dafür eine Absolution nach der anderen erteilt. Das wirft vielleicht ein etwas zu idealisierten Blick auf den Schnulzensänger, auch wenn das angesichts des Konzepts wohl zu erwarten war.

Die eine oder andere gelungene Szene (etwa Udo Jürgens' Auftritt in einem New Yorker Club der 50er Jahre, oder die Auseinandersetzung mit seinen künstlerischen Idealen, wenn er diese verraten soll) ändert am Gesamtbild leider wenig. Auch schauspielerisch mag der Film zwar hochkarätig besetzt sein und tatsächlich können so ziemlich alle Darsteller überzeugen (Valerie Niehaus und Ulrich Noethen spielen sogar herausragend) – doch am Schluss überwiegen leider die Defizite.

Teil I von «Der Mann im Fagott» wird am Donnerstag, den 29. September 2011, um 20.15 Uhr ausgestrahlt. Am Freitag, dem 77. Geburtstag von Udo Jürgens, ist der zweite Teil um 20.15 Uhr zu sehen.
28.09.2011 11:33 Uhr Kurz-URL: qmde.de/52299
Julian Miller

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Der Mann im Fagott

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