Quotenmeter.de wirft einen Blick auf die weniger besungenen Oscar-Kategorien und präsentiert kuriose Zusammenhänge sowie spannende Duelle in den vermeintlichen Nebenkategorien.
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Quotenmeter.de wirft einen Blick auf die weniger besungenen Oscar-Kategorien und präsentiert kuriose Zusammenhänge sowie spannende Duelle in den vermeintlichen Nebenkategorien.Malerei oder Hypnose: Zwei Kamera-Maestros stellen sich
Für den geneigten Filmfreund gehört dieses Jahr die Kategorie „Beste Kamera“ zu denen mit der größten Fallhöhe. Es sind nämlich zwei mehrfach Oscar-nominierte virtuose Meister ihres Fachs nominiert, die gegen drei erstmals nominierte Kameramänner antreten, die dieses Jahr die Auszeichnung ebenfalls redlich verdient hätten. Einen den Filmliebhaber verärgernden Sieger wird es es bei der kommenden Oscar-Verleihung also nicht geben. Stellt sich bloß die Frage, wie lange der verdiente Gewinner auf seine Ehrung warten musste.
Unter den fünf nominierten Kameramännern hat Roger Deakins (Bild, nominiert für «True Grit») die längste Wartezeit auf einen Oscar-Sieg. Er wurde bisher neun Mal nominiert und blieb bislang sieglos. Das ist die zweitgrößte Nominierungsstrecke ohne Gewinn, die ein Kameramann bei den Oscars bis dato zurücklegte, nur George Folsey («Die schwarze Perle») blieb mit dreizehn Nominierungen glückloser. Roger Deakins, 1949 in England geboren, zählt mittlerweile zu den lebenden Legenden hinter den Kameras Hollywoods. Der passionierte Maler und studierte Grafikdesigner ist insbesondere für seine regelmäßige Zusammenarbeit mit Joel & Ethan Coen bekannt, für die er unter anderem «Fargo», «O Brother, Where Art Thou?» und «No Country for Old Men» in denkwürdigen Bildern einfing.
Außerdem drehte er den mit ikonischen Momenten durchsetzten «Die Verurteilten» (laut IMDb der beste Film aller Zeiten), sorgte für die bedrückende Atmosphäre in M. Night Shyamalans unterschätzten «The Village» und zeichnete sich für die mitunter poetischen Westernbilder in «Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford» verantwortlich. Deakins’ Anerkennung in Hollywood stammt jedoch nicht allein von seiner qualitativ hochwertigen Arbeit, sondern auch von seiner Menschlichkeit: Deakins ist eine sehr bescheidene Person, die sich nie zu schade ist, mit Fans über jedes noch so winzige technische Detail zu diskutieren oder angehenden Kameramännern hilfreiche Tipps zu geben. Seine geduldigen Ratschläge brachten Deakins letztlich sogar eine zweite Karriere als visuellen Berater im Animationsfilm ein: Pixars «WALL•E» und Dreamworks «Drachenzähmen leicht gemacht», zwei der optisch beeindruckendsten Computeranimationsfilme, profitierten beide von seinen Mentorenqualitäten und bestechen mit von ihm beeinflussten, dem Realfilm entliehenen Kamerabewegungen und einer malerisch-natürlichen Szenenbeleuchtung, die diese dunkleren sowie greifbareren Trickfilme von ihren knalligeren Mitbewerbern abheben.
Deakins’ wohl größter Mitbewerber ist dieses Jahr der 1961 geborene Chicagoer Wally Pfister (Bild), der für «Inception» nominiert wurde. Seit einschließlich «Memento» war er als Kameramann an sämtlichen Filmen von Christopher Nolan beteiligt und erhielt für diese Kollaborationen insgesamt vier Oscar-Nominierungen. Neben «Inception» wurden auch seine hypnotischen Bilder für «Batman Begins», «Prestige» sowie «The Dark Knight» mit einer Nominierung geehrt. Die enge Zusammenarbeit zwischen Nolan und Pfister war ausschlaggebend für den finalen Look von «Inception»: Da sich Regisseur/Autor Christopher Nolan und Pfister einig waren, dass sich die Traumwelten von «Inception» real und glaubwürdig anfühlen sollten, schoss Pfister in Paris, England, Japan, Kanada und Marokko zahlreiche Standfotos, die er daheim durch minimale Photoshop-Manipulation, wie durch einen blaugrauen Farbfilter, verfremdete. Somit entstand der Farbcode für die ineinander verschachtelten Traumwelten in «Inception», von der bläulich-grauen Umgebung der verregneten Auto-Verfolgungsjagd, über das warme Orange des Hotels in dem der ikonische, die Schwerkraft besiegende Faustkampf stattfindet, bis zur beinahe monochromatisch-weißen Umgebung der Schnee-Festung.
Pfister, der das IMAX-Format liebt und nach den ausgewählten «The Dark Knight»-Sequenzen den gesamten Abschluss der «Batman»-Trilogie im Riesenformat drehen möchte, gewann den Hauptpreis bei der Preisverleihung der American Society of Cinematographers, weshalb er zusammen mit Roger Deakins, diesjähriger Gewinner bei den BAFTAs (den britischen Oscars), als absoluter Favorit für die große Oscar-Nacht gilt. Doch vielleicht geschieht eine kleine Überraschung, und Danny Cohen gewinnt für «The King‘s Speech». Auf den Academy-Award-Stimmzetteln ist nur der Filmtitel abgedruckt, nicht der Name des verantwortlichen Kameramanns, so dass vielleicht einige Sympathiestimmen wegfallen. Danny Cohens zurückhaltender, aber äußerst effektiven Kameraarbeit im unterhaltsamen Historiendrama vielleicht helfen könnte, da dies insgesamt der große Liebling dieser Saison ist.
Neben den beiden berühmten Kameramännern Deakins und Pfister einerseits, «The King‘s Speech» andererseits, gehen die anderen zwei Nominierten fast schon unter. Dabei könnte es durchaus sein, dass Darren-Aronofskys Stammkameramann Matthew Libatique (einzig «The Wrestler» musste ohne ihn auskommen) für die beklemmenden und albtraumhaften Bilder in «Black Swan» prämiert wird. Oder es gewinnt vielleicht doch Jeff Cronenweth, der für die Einprägsamkeit von «The Social Network» unerlässlich war und zuvor schon bei «Fight Club» mit Regisseur David Fincher zusammenarbeitete. Man sieht schon, 2010 war ein großartig fotografiertes Jahr, wenn Filme wie «Black Swan» bestenfalls Außenseiterchancen zugesprochen bekommen.
Die einschneidende Entscheidung der Oscar-Nacht
Sollten Sie in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar von der Müdigkeit übermannt werden und mit sich selbst ringen, ob es sich tatsächlich lohnt, die Oscar-Verleihung bis zum Schluss anzusehen, dann sollten Sie dringend den nachfolgenden Ratschlag befolgen: Warten sie bis zur Übergabe der Statuette für den besten Schnitt! Denn sobald der Gewinner für diesen Oscar bekannt gegeben wurde, steht fest, ob der Rest des Abends spannend wird, oder nicht.
Die Schnitt-Kategorie ist generell viel wichtiger und interessanter, als der Gelegenheitszuschauer denken mag. So werden die Nominierungen zwar von Spezialisten bestimmt, es ist allerdings die gesamte Academy, die den Gewinner dieser Kategorie wählt. Und seit 1981 war jeder Gewinner des Oscars für den besten Film auch für den Schnitt-Oscar nominiert. Dieses Jahr können sich die Cutter von «127 Hours», «Black Swan», «The Fighter», «The King‘s Speech» und «The Social Network» Hoffnungen auf den begehrten Preis machen. Fans von «True Grit», «Toy Story 3» oder «Inception» können dagegen eigentlich schon jegliche Hoffnung auf einen Sieg ihres Favoriten in der Hauptkategorie begraben. Weshalb aber soll nun ausgerechnet dieses Jahr der Verlauf des restlichen Abends anhand der Schnittkategorie vorherbestimmt werden?
Der alles entscheidende Faktor war der kürzlich verliehene Eddie, der Preis der US-Filmcutter-Gewerkschaft. Nahezu jeder Oscar-Gewinner für den besten Schnitt gewann zuvor den Gewerkschaftspreis, seit 2001 ist diese Statistik komplett makellos. Entweder gewinnt die Trophäe ein actionreicher Film, wie vor wenigen Jahren «Das Bourne Ultimatum», oder nun mal der Oscar-Gewinner für den besten Film.
Dieses Jahr ging der Hauptpreis bei den Eddies an Angus Wall und Kirk Baxter, die Cutter des einstigen Überfavoriten und mehrfach mit dem Golden Globe ausgezeichneten «The Social Network». Wenn also recht früh in der Oscar-Nacht Tariq Anwar für den Schnitt von «The King‘s Speech» auf die Bühne gerufen wird, dann hat die Filmwelt einen statistischen Ausreißer miterlebt und der weniger gebannte Fernsehzuschauer könnte im Falle großer Müdigkeit ausschalten. Der Erdrutschsieg von «The King‘s Speech» wäre damit nämlich besiegelt.
Wenn jedoch «The Social Network» für den Schnitt prämiert wird, dann könnte es ein extrem spannender Abend werden, denn dann verlor der große Oscar-Favorit die Schnitt-Statuette nicht gegen einen actionreichen Film, sondern gegen seinen ärgsten Konkurrenten um die Preise für die beste Regie und den besten Film. In diesem Falle wäre es fatal, die Oscar-Übertragung frühzeitig gegen eine weitere Mütze Schlaf einzutauschen. Und sollte tatsächlich einer der anderen drei Nominierten gewinnen, dann erleben Sie live am Fernseher, wie in Hollywood statistische Anarchie ausbricht.
Die Oscar-Sonderwoche bei Quotenmeter.de geht weiter. Morgen präsentieren wir Ihnen Hintergrundinformationen über die Darstellerkategorien und blicken zudem auf die Musik-Oscars.