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Die Kritiker: «In aller Stille»

Story


Anja ist Polizistin in einer bayerischen Gemeinde. Nach der Trennung von ihrem Ehemann Franz bemüht sie sich um ein geregeltes Leben in der neuen Situation. Viele Nachtdienste, die 13-jährige pubertierende Tochter Laura und ein angespanntes Verhältnis zu ihrer eigenen Mutter hinterlassen allerdings Spuren in diesem neuen Leben. Besonders im Umgang mit ihrem dreijährigen Sohn Tom fehlt es Anja an Herzlichkeit.

Eines Nachts wird sie mit ihrem Kollegen Anton Kirmayer zu einer Familie gerufen. Die Nachbarin behauptet, dass Max, das kleine Kind der Familie Anik, für Stunden in der Kälte im Garten stehen musste. Anja wagt im entscheidenden Moment nicht nachzuschauen, ob Max Spuren körperlicher Misshandlungen zeigt. Einige Tage später verschwindet der Junge. Immer mehr Abgründe in der Familie Anik tun sich auf: Die Mutter trinkt, der Vater misshandelt den Sohn regelmäßig. Von Stunde zu Stunde schwindet die Hoffnung, bis Max schließlich tot in einer Tonne gefunden wird.

Darsteller
Nina Kunzendorf («Bis nichts mehr bleibt») ist Anja Amberger
Lola Dockhorn («Räuber Kneißl») ist Laura Amberger
Jannik Brengel («Uns trennt das Leben») ist Tom Amberger
Michael Fitz («Sterne über dem Eis») ist Franz Amberger
Michael A. Grimm («Die Rosenheim-Cops») ist Christian Anik

Kritik
Sofern man in einem Film einen gewissen Grad an Differenziertheit anstrebt, ist es einer Figurenorchestrierung nicht gerade förderlich, wenn man aus der Hauptprotagonistin eine allein stehende, berufstätige Mutter von zwei Kindern macht, die mit ihrer familiären Situation heillos überfordert ist. Anja hat nicht einmal ansatzweise bei der Bewältigung ihres Privatlebens Erfolg und sie wird wegen ihrer Berufstätigkeit als schlechte Mutter dargestellt, die ihre Kinder schlägt. Das ist abscheulich und wohl für jede alleinerziehende Mutter Deutschlands ein Schlag ins Gesicht.

Bis auf die äußerst undifferenzierte Hauptfigur offenbart sich der Rest des Drehbuchs von Ariela Bogenberger jedoch als überraschend psychologisch vielschichtig. So sind die Ermittlerfiguren des Films rundum gelungen, da sie stets menschlich und nicht abgekühlt agieren und reagieren. Die tragischen Begebenheiten um das Verschwinden des kleinen Max nehmen sie sichtlich mit und hier und da können sie nicht mehr anders, als ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Man erlaubt sich Tränen. Man erlaubt sich Schreikrämpfe. Man erlaubt sich sogar hysterische Anfälle. Dadurch erreicht man einen sehr hohen Grad an Authentizität.

Plot und Figuren sind insgesamt arm an Glaubwürdigkeitsmängeln, wenn die Handlung bezüglich ihrer Relevanz für das dramaturgische Konstrukt auch vor den Charakteren in den Hintergrund rückt. Das ist nicht weiter tragisch, sofern man an «In aller Stille» nicht vollkommen falsche Erwartungen stellt. Der Titel ist Programm. Es handelt sich hier um einen sehr leisen Film ohne Explosionen oder Verfolgungsjagden. Nur die Figuren werden laut. Stellenweise schlägt man jedoch etwas zu sentimentale Töne an, was im Widerspruch zu dem ansonsten recht naturalistischen Stil des Films steht.

Nachdem er im vergangenen Jahr noch mit der Verfilmung des Allgäuer Kluftinger-Romans «Erntedank» ein vollkommen dämliches Machwerk absonderte, bringt Regisseur Rainer Kaufmann mit «In aller Stille» einen Film ins Fernsehen, der fast schon hätte großartig sein können, hätte man das Privatleben der Hauptfigur nur etwas nuancierter dargestellt. Denn ansonsten sind Drehbuch und szenische Umsetzung vollends gelungen und auch die Schauspieler machen ihre Arbeit durchwegs einwandfrei.

Das Erste strahlt «In aller Stille» am Mittwoch, den 3. November 2010, um 20.15 Uhr aus.
02.11.2010 13:32 Uhr Kurz-URL: qmde.de/45561
Julian Miller

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In aller Stille

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