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360 Grad: Das gewisse Etwas

VOX bringt «The X-Factor» nach Deutschland. Julian Miller analysiert das Format.

Der Castingwahnsinn will kein Ende nehmen. Vor rund zwei Wochen wurde bekannt, dass VOX sich die Rechte an einer deutschen Version der britischen Talent-Show «The X-Factor» gesichert hat, die im nächsten Jahr auf Sendung gehen soll. Das Konzept stammt aus dem typischen einfallslosen Einheitsbrei des Reality-Schwachsinns. In den ersten Sendungen werden die absoluten Gurken niedergemäht, bis man in den großen abendfüllenden Shows auch mal den ein oder anderen nicht ermordeten Song zu hören bekommt. Im Mutterland ist die Show ein Straßenfeger und heimst regelmäßig Einschaltquoten von um die zwanzig Millionen Zuschauer ein. In der Sendeleitung von VOX flimmern also wohl schon die Eurozeichen in den Augen von so manchen Verantwortlichen.

Was man jedoch wahrscheinlich nicht bedacht hat, ist, dass man vielleicht das wichtigste Element der Show nicht miteingekauft hat: Simon Cowell, in der englischsprachigen Welt so ziemlich der Gott des Castings. Unter Anderem ist er einer der Miterfinder von «Pop Idol», dem britischen Original von «Deutschland sucht den Superstar». Bis heute bildet er auch den Kopf der Jury des amerikanischen Ablegers der Show, «American Idol». Auch für «Britain's Got Talent”, ein Konzept, das in Deutschland als «Das Supertalent» Quotenrekorde bricht, zeichnet er sich verantwortlich. Sein Erfolgsgeheimnis: Er macht, was sich verkauft. Westlife, Leona Lewis und die Teletubbies für die geistig im Kindesalter Zurückgebliebenen unter den pubertierenden Musikhörern.

In der angelsächsischen Welt sind seine Sprüche mittlerweile legendär. “That was pathetic!”, “You're completely and utterly useless.” und “I don't like music anymore.” nach versaubeutelten Sangeseinlagen übergewichtiger texanischer Kellnerinnen sind nur einige Beispiele. In Deutschland hat Dieter, der Dieddär, Bohlen es sich zum Ziel gesetzt, Cowell in seiner Manier beim Nachwuchsherunterputzen so gut es eben geht zu imitieren. Doch Cowell behält stets seine Würde und liefert seine Schmähsprüchlein mit englischem Charme ab, was Bohlen wohl nicht einmal buchstabieren könnte.

Nur wen holt man für die Jury des deutschen «X-Factor»s wieder einmal aus der Versenkung? Wir haben nun einmal keinen Simon Cowell, ganz zu schweigen von einer Sharon Osbourne oder einem Randy Jackson. Deutsche Zuschauer werden stets mit irgendwelchen Radiomoderatoren oder «Bravo»-Schreiberinnen abgespeist und kantige Gesichter gibt es in der Jury immer nur eins: nämlich das vom Dieddär. Zwischen keiner deutschen Casting-Jury stimmt wirklich die Chemie. Sei es, weil ein Jury-Mitglied in seinem egomanischen Wahn durchdreht («Popstars») oder weil die einzelnen Mitglieder in ihren Vorstellungen so weit voneinander entfernt sind wie der Mond («Deutschland sucht den Superstar»). Mal sehen, ob «X-Factor» das gewisse Extra bieten kann, das es dem Namen nach sucht.

360 Grad erscheint immer freitags nur bei Quotenmeter.de
18.12.2009 00:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/39111
Julian Miller

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