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«Zervakis & Opdenhövel. Live»: Menschen, Tiere, Emotionen

Menschen, Tiere, Emotionen, oder bei ProSieben: Afghanistan, Flut, James Blunt. Im Lichte des neuen Sendungsbewusstsein ist dieses Format ein deutlicher Fehlschlag.

Für den angedachten Themenkomplex der Premierenausgabe von «Zervakis & Opdenhövel. Live» waren eigentlich besondere Moderationskünste vonnöten – weil es eben viel zu Moderieren gab, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Denn von der Vernichtung der afghanischen Zivilgesellschaft nach dem unaufhaltsamen militärischen Siegeszug der Taliban über die zerstörten Existenzen im Ahrtal nach der Flutkatastrophe bis hin zu einer bierseligen Runde mit James Blunt und einem Schnelldurchlauf durch die aktuellen Geschehnisse in der Twitter-Republik sollte diese Sendung wohl so ziemlich alles abbilden, was Deutschland in den letzten paar Monaten irgendwie bewegt hat, und zwar mit ganz unterschiedlichen Tonalitäten.

Zu Beginn erzählte ein weiblicher Popstar aus Afghanistan von ihrer langjährigen Karriere als selbstbestimmte Musikerin, ihren Konzerten in Kabuler Stadien, wo die Taliban in den 90er Jahren Frauen öffentlich erschoss, und ihren erschütternden Fluchterlebnissen auf dem Weg zum Flughafen in den Wirren des Abzugs der US-Streitkräfte. Und wenige Minuten später wurde mit James Blunt ein Mann, der vor fünfzehn Jahren mal zwei Stunden lang berühmt war, zum Weltstar hochgejazzt, auch wenn er beruflich schon lange den Schlenker hinter sich hat, der viele auf direktem Wege in irgendein Dschungelcamp führt: Restauranteröffnung und hauptberufliches Bierzapfen. Was wiederum der dankbare Aufhänger war, um den Engländer in einem überschaubar mitreißenden Tischspiel Pils und Altbier unterscheiden zu lassen und ihm standesgemäß ein paar deutsche Worte zu entlocken.

Wie das zusammenpasst? Eigentlich gar nicht. Und hier wären wieder die Moderatoren gefragt, einen eleganten Rahmen zu finden, inhaltliche Brücken zu bauen und bei allen Themen eine irgendwie geartete Relevanz herzustellen, aus der ersichtlich würde, warum die Aufarbeitung des schlimmen Schicksals, das Millionen von afghanischen Frauen blühen wird, neben James Blunts Schwänken aus seinem Restaurantleben stehen kann.

Vom großen Sendungsbewusstsein, mit dem ProSieben in dieses Jahr gestartet ist, bleibt nach der ersten Ausgabe dieses Formats also nicht viel übrig, außer ein neues Boulevardmagazin, für das man sich Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel geschnappt hat: eine Mit-Vierzigerin und einen Mann über 50, die das junge Publikum ansprechen sollen. Merkste selber. Da passte es irgendwie ins Bild, dass Linda Zervakis ob ihrer Altersweitsichtigkeit in dieser Sendung mehrmals stockte, weil sie die Schrift auf dem Teleprompter nicht lesen konnte.

Warum also dieses seltsame Sammelsurium aus People-Themen und journalistischem Hochreck? Darüber kann man nur mutmaßen: Vielleicht weil die ProSieben-Senderspitze glaubt, man brauche einen zünftigen Entertainment-Rahmen, um die Relevanz ein bisschen zu verstecken. So wie die übereifrigen Mütter, die die Erbsen in irgendetwas Leckerem verstecken, bevor sie dem Kleinkind vorgesetzt werden. Ein Blick auf YouTube und Twitter würde dagegen zeigen, dass die jungen Zuschauer so politisiert sind wie lange nicht mehr – und ein Rezo vielleicht ein besseres Gesicht für ein junges aktuelles Polit-Magazin aus dem Privatfernsehen wäre als Matthias Opdenhövel, der mit unpassenden Witzen über das Nachfolgeprogramm zum Thema Kokain-Elend („harter Stoff in jeder Hinsicht“) nicht mehr wie der souveräne Schlag-den-Raab-Moderator wirkt, sondern wie ein unangenehm onkeliger Typ, der den Schuss nicht gehört hat. Linda Zervakis fehlte in diesem Format dagegen durchgehend die Chance, mit ihrem journalistischen Know-how zu glänzen. Für das Kanzlerduell am nächsten Sonntag dürfte ProSieben ihr gern eine Brille sponsern oder alternativ die Schrift auf dem Teleprompter größer machen.
13.09.2021 23:01 Uhr Kurz-URL: qmde.de/129433
Oliver Alexander

super
schade

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Tags

Zervakis & Opdenhövel. Live

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Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
Familie Tschiep
14.09.2021 00:35 Uhr 1
Ich habe es nicht gesehen, weil das Konkurrenz zu stark war. Ich bin gespannt auf die Quoten. Mit einem neuen Magazin im Privatfernsen zu starten, ist heute ein Abenteuer.
Mr. Cutty
14.09.2021 14:51 Uhr 2
Man hat sich seine Zielgruppe entsprechend herangezogen und anscheinend erwartet man auf ProSieben gewisse Dinge nicht.



Die Quote ist jedenfalls noch ausbaufähig.



https://www.quotenmeter.de/n/129447/zervakis-opdenhoevel-live-wie-geht-es-jetzt-weiter
Fabian
14.09.2021 18:51 Uhr 3


Ausbaufähig? Der Flughafen Berlin ist ausbaufähig. 0,33 Mio. Zuschauer sind ein erstes Problem. Es handelt sich auch nur um einen geschönten Marktanteil, da eigentlich eine Messung am Fernseher von anderen Tätigkeiten wie Netflix, YouTube & Co möglich ist. Dann würde man vermutlich noch tiefer herum krebsten. Es wird Zeit, dass ein bereinigter Marktanteil kommt.
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