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„Der Traumberuf Journalist hat Kratzer bekommen“

Fake News, Lügenpresse, schlechte Bezahlung: Der Journalismus ist in Verruf geraten. Wie bildet man da noch Journalistenanwärter aus? Ein Gespräch mit dem Leiter der RTL-Journalistenschule Leonard Ottinger.

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Wo gehe ich als Printjournalist nach meiner Ausbildung denn dann heute noch hin?
Das ist schwierig. Ich würde immer als ersten Schritt auf die persönliche Neigung und eben nicht auf den Arbeitsmarkt schauen. Wenn Sie also daran Spaß haben, eine bestimmte Stadt oder Region zu bearbeiten, dann versuchen Sie das auch erstmal im Lokalbereich. Wenn Sie lieber investigativ arbeiten, schließen Sie sich einem Rechercheverbund an oder fragen bei Reportageformaten an. Das sagen wir übrigens auch unseren Schülern immer wieder.

Wie gehen die jungen Schüler damit um, dass ihr Berufsstand Lügenpresse genannt wird?
Wir müssen uns dem Dialog mit Anfeindern stellen, auch wenn wir damit nur einige erreichen, andere nicht.
Leonard Ottinger, Leiter der RTL-Journalistenschule
Wir diskutieren über diese Frage immer wieder und wollen im Rahmen des aktuellen Jahrgangs oder später das auch mal im Rahmen eines Schwerpunkts anbieten. Da geht es dann nicht nur um Lügenpressevorwürfen auf der Straße, sondern auch um Hatespeech auf Facebook. Wir überlegen gerade, was wir den Schülern an die Hand geben, ein spezielles Training hierzu ist in Vorbereitung.

Was geben Sie mir denn an die Hand, wenn ich als Journalist mit Lügenpresse angefeindet werde?
Sagen Sie, dass Presse grundsätzlich der Wahrheit und Unabhängigkeit verpflichtet ist. Da reden keine Politiker in die Redaktionskonferenzen rein. Erklären Sie, dass es bestimmte handwerkliche Regeln gibt. Ja, im Journalismus können auch Fehler passieren, dass man sich in einer Richtung auch mal verrennt und wieder zurückrudern muss. Dies zu benennen stärkt die Glaubwürdigkeit. Wichtig ist es auf Transparenz zu setzen: Wie entsteht diese Sendung? Warum haben wir dieses Thema aufgegriffen? Schauen Sie sich zum Beispiel den tagesschau-Blog an oder die Rubrik Glashaus bei Zeit.de. Einen gewissen Teil der Anfeinder erreichen Sie mit dieser Transparenz, den anderen Teil erreichen Sie nicht.

Glauben Sie wirklich, dass Sie den Kritiker, der Sie in Dresden konfrontiert, weil er ein Mikrofon sieht, erreichen, in dem Sie ihm Ihre Recherche erklären und seine Vorwürfe nicht stimmen?
Wir müssen uns diesem Dialog stellen, auch wenn wir damit nur einige erreichen, andere nicht. Aber ich stand selbst noch nicht in Dresden vor der Situation.

Wie sieht es bei Hatespeech im Internet aus? Lohnt sich da die Diskussion mehr?
Die Diskussion lohnt in jedem Fall. Wenn Sie sich der Diskussion verschließen, geben Sie den Kritikern und den Vorwürfen nur neues Futter. Die Zeit für die Kommentare muss man sich nehmen und sie zum Teil wenigstens beantworten und das ist in den Redaktionen inzwischen auch angekommen.

Sandra Müller vom SWR hat uns neulich in einem Interview erzählt, dass sie Kritiker aus dem Netz auch mal wie Renate Künast zu Hause besucht.
Das ist ein gutes, mutiges Mittel. Vielleicht ist das tatsächlich auch eine Form, mit Kritik umzugehen und daraus dann auch einen weiteren Beitrag zu generieren.

Aber diese Hausbesuche oder auch einfach nur das Diskutieren mit den Kritikern im Netz bezahlt Ihnen niemand.
Nicht unbedingt, aber das Thema Zuschauerbeziehung hat bei RTL einen enormen Stellenwert. Neben der Tatsache, dass man mit seinen Zuschauern immer mal wieder auch persönlich zusammensetzt, gibt es zum Beispiel mehrere WhatsApp-Gruppen, in denen Zuschauer über Sendungen diskutieren. Wir haben eine sogenannte Zuschauerwohnung, in denen Redakteure mit Zuschauern gemeinsam Fernsehen schauen und über das Programm reden.

Einmal umblättern, dann lesen Sie: Recherche, Fotos, Social Media: Löst der Allrounder den Spezialisten ab?
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04.05.2017 10:52 Uhr Kurz-URL: qmde.de/92831
Sascha Blättermann

super
schade


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RTL II News Team Wallraff

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