Carsten Reinemann ist Professor der Politischen Kommunikation an der LMU München. Mit ihm sprachen wir über die TV-Duelle in den USA zwischen Clinton und Trump und den Einfluss der Medienberichterstattung.
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Nach der zweiten Debatte äußerte sich Hillary Clinton in einer Talkshow über Donald Trumps nonverbales Verhalten während der zweiten Debatte, dem Townhall-Meeting: „Er hat mich buchstäblich auf der Bühne belauert und ich spürte seine Präsenz hinter mir und dachte: 'Wow, das ist wirklich seltsam‘.“
Man muss Trump zugestehen, dass er mit einer solchen Art von Format keine Erfahrung hat. Hillary Clinton ist seit Urzeiten in diesem Geschäft, kennt diese Formate und weiß, wie man mit den Zuschauern im Studio interagiert. Das war für ihn wahrscheinlich schon eine sehr schwierige Situation. Aber ich glaube nicht, dass dieses nonverbale Verhalten vielen Zuschauern während des TV-Duells aufgefallen ist. Erst dadurch, dass viele Medien oder beispielsweise «Saturday Night Live» im Nachhinein aufgriffen, wie er hinter Clinton her tigerte, wurde es zum Thema.
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Im Gegensatz zu dem, was häufig geschrieben wird, sind solche TV-Duelle für viele Wähler tatsächlich wichtig und werden als relativ informationsreich wahrgenommen. Es gibt eine ganze Reihe amerikanischer Forscher, die TV-Duelle als inhaltliches Highlight bezeichnen.
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Carsten Reinemann
Wir haben das nonverbale Verhalten in unserer Forschung auch mehrmals untersucht, jedoch würde ich den Einfluss auf die unmittelbare Wahrnehmung der Zuschauer nicht überschätzen. Aber dadurch, dass es eben im Nachhinein zum Thema wird, kann es wiederum einen Effekt haben. Das ist ähnlich wie beim TV-Duell von Richard Nixon und John F. Kennedy 1960, als die Tatsache, dass Nixon so geschwitzt hat, vor allem in der Medienberichterstattung danach ein großes Thema war. Es ist bei TV-Duellen häufig sehr schwer auseinanderzuhalten, welche unmittelbaren Effekte die Debatte hatte und welche erst durch die Nachberichterstattung ausgelöst werden.
Welche Unterschiede gibt es zwischen deutschen und amerikanischen TV-Duellen?
Die TV-Duelle in den USA sind ein etablierter und zentraler Bestandteil der Kampagne, der auch in einer gewissen Dramaturgie mit den Vorwahlen und den Parteitagen steht. Im Gegensatz zu dem, was häufig geschrieben wird, sind solche TV-Duelle für viele Wähler tatsächlich wichtig und werden als relativ informationsreich wahrgenommen. Aber im Allgemeinen gibt es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.
Können TV-Duelle Einfluss auf die Wahlentscheidung nehmen?
Es gibt natürlich Einflüsse, aber die sind nicht dramatisch groß. Im engeren Sinn können TV-Duelle nur dann entscheidend sein, wenn es um eine knappe Entscheidung geht. Wenn aber solche Duelle wie jetzt in den USA dazu führen, dass sie den weiteren Diskurs prägen, dann haben sie einen längerfristigen Effekt. Aber wir haben in Deutschland auch schon TV-Duelle gehabt, die in ihrer Wirkung einfach verpufft sind. Deswegen kann man nicht so einfach pauschalisieren. Um den weiteren Verlauf des Wahlkampfs zu prägen, kommt letztlich auf die konkrete Konstellation und die Geschehnisse während der Debatte an.
“If you don’t exist in the media, you don’t exist politically.“ Hat Donald Trump diese These auf die Spitze getrieben?
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Ina Ruck im QM-Interview
Ja, in gewisser Art und Weise hat Trump diese These auf die Spitze getrieben. Nicht zuletzt war er so erfolgreich, weil er eine Fernsehberühmtheit ist, ihn wahnsinnig viele Leute kennen und vielen Menschen auch als eine Art Vorbild dient. Ich glaube, dass ihm dieser Bekanntheitsgrad extrem geholfen hat, um überhaupt Präsidentschaftskandidat zu werden. In der Phase vor den republikanischen Vorwahlen hat Trump viel Aufmerksamkeit bekommen und ist auch sehr gut bewertet worden – häufig viel besser als Hillary Clinton. Darüber hat er sich nie beklagt, weshalb es im Moment umso seltsamer ist, dass die Medien nun an seinen Misserfolgen schuld sein sollen – jetzt, wo sich der Medientenor vielleicht etwas gedreht hat.
Sie würden also sagen, dass die Medien Einfluss auf seinen politischen Erfolg hatten?
Auf jeden Fall. Er hat eine ganze Menge von Merkmalen, die im neutralen Journalismus dazu führen, dass er wahnsinnig viel Aufmerksamkeit erhält. Er provoziert, ist eine Berühmtheit und er war anfangs erfolgreich, sodass er viel Beachtung und positive Berichte bekommen hat.
Professor Reinemann, viele Dank für das Gespräch.
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