Carsten Reinemann ist Professor der Politischen Kommunikation an der LMU München. Mit ihm sprachen wir über die TV-Duelle in den USA zwischen Clinton und Trump und den Einfluss der Medienberichterstattung.
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Herr Professor Reinemann, „Nie war ein TV-Duell unbarmherziger“ schrieb die Süddeutsche Online über die zweite Fernsehdebatte zwischen Hillary Clinton und Donald Trump. Wie war Ihr Eindruck?
Ja, das kann man so sagen. Am Niveau der Angriffe hat man deutlich gemerkt, dass es hier nicht einfach um politische Differenzen geht, sondern wirklich tiefgreifende Abneigungen zwischen Trump und Clinton vorhanden sind. Da wurde zum Teil mit sehr harten Bandagen gekämpft. Speziell während des zweiten und dritten Duells hat man gemerkt, dass gegenseitiger Respekt fast nicht mehr vorhanden ist – in einer politischen Auseinandersetzung eigentlich die Basis dafür, dass man sich noch miteinander unterhalten und streiten kann. Dann noch das Klima zu vergiften, wie Trump es beim zweiten Duell gemacht hat, indem er Frauen einlädt, die Bill Clinton der sexuellen Übergriffe beschuldigen, ist dann doch relativ ungewöhnlich.
Sind dadurch die inhaltlichen Themen während der TV-Duelle in den Hintergrund gerückt?
Ja, wobei immer nur ein kleiner Teil dessen, was im Duell wirklich diskutiert wird, dann auch die Nachberichterstattung dominiert. Und wenn man mit ungewöhnlichen Äußerungen den Rahmen dessen sprengt, was eigentlich üblich ist, dann muss man sich als Kandidat im Nachhinein auch nicht wundern, wenn die Inhalte in der öffentlichen Wahrnehmung am Ende nicht mehr vorkommen.
Entgegen populärer Vorurteile sind Fernsehduelle als solches nämlich relativ substanziell. Gerade in den USA, wo die Medien sehr viel stärker als in den meisten Ländern Europas von Horse-Race-Berichterstattung gekennzeichnet sind und nicht so sehr von politischen Inhalten. Wie bei einem Pferderennen drehen sich die Berichte eher um die Frage ‚Wer liegt vorn?‘. Demgegenüber hatten TV-Duelle vom Umfang ihrer inhaltlichen Substanz immer einen Vorteil und es gibt eine ganze Reihe amerikanischer Forscher, die TV-Duelle als inhaltliches Highlight bezeichnen. Deswegen ist momentan wahrscheinlich auch der Kontrast so groß. Wenn Donald Trump beispielsweise in der letzten Debatte Zweifel daran hat, dass die Wahl anständig durchgeführt wird, reicht natürlich diese eine Aussage, um die politischen Diskussionen des Duells in der öffentlichen Wahrnehmung zu verdrängen.
Über Carsten Reinemann
Carsten Reinemann ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit dem Schwerpunkt Politische Kommunikation. Der 1971 in Köln geborene Forscher studierte Publizistik, Politik und Psychologie an der Universität Mainz. Er beschäftigte sich in seiner Forschung eingehend mit den Wirkungen von TV-Duellen, u.a. den Debatten zwischen Gerhard Schröder und Edmund Stoiber bzw. Angela Merkel.Haben Sie gewisse Strategien bei den beiden Kandidaten erkennen können?
Die beiden Kandidaten haben schon ihre übliche Kommunikationsstrategie verfolgt. Hillary Clinton zeigte sich stark in den politischen Details und sie konnte sich eigentlich zu jeder Frage substanziell äußern. Und wenn es um die E-Mail-Affäre ging, versuchte sie aus der Diskussion rauszukommen. Donald Trump agierte wie auf anderen Wahlkampfveranstaltungen: wenig darauf bedacht, seine eigenen Pläne vorzustellen. Auf der einen Seite blieb er in bestimmten Politikbereichen sehr oberflächlich, sodass man den Eindruck haben muss, dass er die Themen gar nicht so genau kennt. Andererseits ging er natürlich voll auf Angriff. Das Negative steht durch die Intensität seiner Attacken sehr stark im Vordergrund. Das ist jedoch nicht unüblich für einen Herausforderer, der wie in diesem Fall gegen das ‚Weiter so!‘ der bisherigen Politik argumentiert. Diese starke Negativität ist insgesamt ein wirklich bemerkenswertes Merkmal dieser Trump-Kampagne – garniert mit alledem, was man Rechtspopulisten auch hier in Europa als Kommunikationsmuster zuschreiben kann.
Wie nimmt der Zuschauer solche Angriffe wahr? Bleiben diese eher hängen als inhaltliche Debatten?
Es gibt nicht ‚den Zuschauer‘, man muss zwischen denjenigen, die ohnehin schon fest von einem Kandidaten überzeugt sind und den unentschlossenen Wählern differenzieren. Der Angriff kommt natürlich vor allem bei den eigenen Anhängern an. Die finden es super, wenn der Kandidat auf den Gegner draufhaut. Damit geht man aber gleichzeitig zwei Risiken ein: Einerseits, dass die Anhänger meines Gegners durch solche Angriffe noch eher mobilisiert werden. Andererseits ist es ziemlich zweifelhaft, ob Negativität ohne einen daran gekoppelten Plan für die Zukunft unentschlossene Wähler überzeugen kann. Wenn Leute schwanken, muss man eigentlich auch ein Angebot machen, dass ihnen eine positive Perspektive bietet. Man denke nur mal an die Obama-Kampagne, da gab es eine Vision für die Zukunft. Nur eine negative Abrechnung ist meines Erachtens zu wenig, sei es in einem TV-Duell oder in einer Kampagne insgesamt.
Gab es einen Gewinner der TV-Duelle?
Ja, mit Sicherheit ist das Hillary Clinton, das zeigten auch alle Umfragen nach den Debatten. Das Besondere an diesen TV-Duellen war, dass sie die Agenda weiterhin stark beeinflusst haben. Einzelne Aussagen während der Duelle oder in ihrem direkten Umfeld haben die Diskussion eine ganze Woche oder noch länger geprägt. Andere TV-Duelle sind direkt nach ihrem Ende manchmal schon kein Thema mehr. Die Kandidaten haben dann die Chance, ihren Wahlkampf woanders fortzuführen und andere Themen zu setzen. Aber dadurch, dass insbesondere Donald Trump im Nachhinein auf eine bestimmte Art und Weise auf die Fernsehdebatten reagiert hat, haben die Duelle die öffentliche Diskussion extrem geprägt. Da ging es eben vor allem das Thema Frauenfeindlichkeit. Wenn Donald Trump clever gewesen wäre, hätte er versucht, die Thematik nicht mehr anzusprechen.
Donald Trump ist letztlich also selbst schuld daran, dass seine Umfragewerte gesunken sind?
Definitiv. Er ist im Grunde in einer extrem defensiven Haltung, die sich in Angriffen äußert. Eigentlich könnte Trump auch inhaltlich agieren, da er mit Sicherheit einige Punkte vorzuweisen hat. Aber er handelt nicht clever, wie jetzt beispielsweise auf einer Wahlkampfveranstaltung in Gettysburgh, wo er die ersten Minuten seiner Rede damit verbringt zu erzählen, wie er die Frauen verklagen wird, die ihn der sexuellen Belästigung beschuldigen. Man muss sich das mal vorstellen. Er ist vermutlich ein spezieller Charakter, der nicht in der Lage ist, auf eine rationale Art und Weise auf so etwas zu reagieren. Aber man sieht ja, dass Trump auch nach den TV-Duellen immer noch auf seine Unterstützer setzen kann. Was er aber gebraucht hätte: diese Basis mit unentschlossenen Wählern erweitern. Und das ist ihm im Laufe der Duelle nicht gelungen.
Auf der nächsten Seite: Wie kann man Trumps Stalking während der zweiten Debatte einorden? Können TV-Duelle Einfluss auf die Wahlentscheidung nehmen? Und welchen Einfluss hatten die Medien an Trumps Erfolgen?
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