In der Quotenmeter-Redaktion ist man sich uneinig, wie es mit der Serie weitergehen soll.
Pro von Fabian Riedner
Im November 2015 stellte der Streaming-Anbieter Netflix die komplette Serie «Jessica Jones» online. Die Produktion von Marvel Television, ABC Studios und Tall Girl Productions war in der Quotenmeter-Redaktion so beliebt, dass viele Redakteure alle 13 Folgen innerhalb einer Woche angesehen haben. "Die Autoren nehmen die angerissenen Motive sehr ernst, spinnen daraus allerdings eine hochspannende, sich bedachtvoll entfaltende, 13 Kapitel lange Kriminalgeschichte", urteilte Quotenmeter wenige Tage nach der Premiere.
Die Produktion mit Krysten Ritter, Mike Colter und David Tennant war inhaltlich und von der Machart her das Höchste der Gefühle in Sachen Superheldenserien. Mit eindrucksvollen Szenen und einer gut geschriebenen Geschichte waren die 13 Episoden das Highlight des Herbstes. Man muss das Format nun zwar nicht auf zehn Staffeln ausweiten, aber es gibt durchaus noch interessante Storys zu erzählen. Zwar ist der Hauptgegner Kilgrave, verkörpert von «Doctor Who»-Darsteller David Tennant, aus dem Weg geräumt, aber innerhalb der ersten Staffel hat man eine verschwiegene Polizei-Abteilung eingeführt. Der Hauptgegner der zweiten Runde könnte also durchaus der verschwiegene Polizei-Kreis mit seinen Superpillen werden.
Auf der anderen Seite muss die Serie sich auch von auserzählten Nebenfiguren trennen. Einige der Nebendarsteller verfügen über keine Tiefe, wie man es von Jessica Jones, Luke Cage, der sowieso eine eigene Serie bekommt oder Trish Walker gewohnt ist. Man sieht also: Es ist tatsächlich noch etwas Luft nach oben – und offene Handlungsfäden gibt es ebenfalls. Beispielsweise wurde Officer Simpsons am Ende der ersten Staffel entführt. Nur von wem? Wer steckt dahinter? Sofern die Autorin Melissa Rosenberg eine weitere gute Story im Sinn hat, sollte die Fortführung von «Jessica Jones» also nur Formsache sein.
Contra von Manuel Weis
Wie wäre uns «Scrubs» in Erinnerung geblieben, hätte es nicht noch eine neunte Staffel gegeben? Hat es «Two and a Half Men» wirklich besser gemacht, dass Ashton Kutcher nach den Sheen’schen Eskapaden eingestiegen ist und das Format durch dessen letzte Jahre begleitet hat? Wäre es nicht ein schöner und sehr runder Abschluss und somit ein heißer Anwärter auf
die Serie des Jahres gewesen, hätte Netflix‘ «Bloodline» nicht in der allerletzten Szene die Türen für die kommende zweite Season brettelsbreit aufgerissen? Und droht nun einer anderen Serienperle, nämlich Marvels «Jessica Jones» das gleiche Schicksal?
Die erste Staffel der Comic-Verfilmung wirkte in sich rund, dicht erzählt und geschlossen. Die zentrale Handlung, das Handeln von Kilgrave, war eng mit der Hauptfigur verbunden. Kilgrave wird – außer es kommt zu einem wahnwitzigen Plot – künftig nicht mehr mitwirken. Damit ist auch der bezaubernde David Tennant raus aus der Serie. Eine neue Staffel müsste sich quasi komplett neu erfinden, einen anderen Anker an anderer Stelle hinauswerfen. Das kann natürlich funktionieren – die Gefahr aber besteht, dass genau dies doch nicht gelingt. Die atmosphärische Dichte bei «Jessica Jones» war nicht zuletzt wegen der Figur Kilgrave nahezu am Optimum.
Es gibt also sehr gute Chancen, dass die zweite Season des Formats nicht mit der ersten mithalten kann: Auch wenn die Autoren in der Schlusssequenz einen Mini-Grundstein für neue Geschichten gelegt haben. Freilich ist die Figur «Jessica Jones» mit all ihren Problemen und Eigenheiten in 13 Folgen lange nicht auserzählt. In einem eigenen Format muss diese Entwicklung aber nicht weitergehen. Es gibt Gerüchte, wonach die Superheldin in der im kommenden Frühjahr erscheinenden zweiten «Daredevil»-Staffel auftauchen soll. Alle Marvel-Serien spielen ja bekanntlich in der gleichen Welt. Dort könnte Jessica sehr, sehr gut weiter am Leben erhalten werden – ohne, dass es stören würde, wenn sie kein ganz zentrales Element mehr umgibt.
Und rein theoretisch könnte sie in einer der folgenden «Luke Cage»-Staffeln ebenfalls mitwirken. Cage war schon Part der ersten «Jessica Jones»-Season und bekommt 2016 eine eigene Serie. Auch er wäre somit wohl für künftige Staffeln rund um die Detektivin mit Alkoholproblem nicht mehr so leicht abkömmlich. Auch wenn es eine faustdicke Überraschung wäre, wenn Netflix mit «Jessica Jones» nicht weitermacht (zu lesen war bisher von Terminproblemen wegen anderen Marvel-Projekten, die aber eigentlich überwindbar sein müssten), wäre es ein gutes Zeichen von Netflix, nicht jede Geschichte auf Gedeih und Verberben zu verlängern. «Jessica Jones» ist nämlich kein «Scrubs».
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