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Wer Suggestion sät...

Die Kritiker: Am Sonntag zeigt das Erste einen neuen «Tatort» aus Bremen. Titel: "Wer Wind sät, erntet Sturm". Und wer Suggestion sät, erntet keinen guten Krimi:

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Sabine Postel als Inga Lürsen
Oliver Mommsen als Kommissar Stedefreund
Thomas Heinze als Lars Overbeck
Lucas Prisor als Kilian Hardendorf
Annika Blendl als Katrin Lorenz
Rafael Stachowiak als Milan Berger
Helmut Zierl als Henrick Paulsen

Hinter der Kamera:
Produktion: Bremedia Produktion GmbH und Bremer Bühnenhaus GmbH
Drehbuch: Wilfried Huismann
Regie: Florian Baxmeyer
Kamera: Peter Krause
Produzentin: Kirsten Lukaczik
Man spürt in fast jeder Minute, wie sich diese «Tatort»-Folge bemühen muss, ein Krimi zu sein. In erster Linie ist sie nämlich etwas völlig Anderes: ein Lehrstück und der Versuch eines politischen Diskussionsbeitrags, vermeintlich massentauglich verpackt in ein Whodunit.

Inga Lürsen ermittelt im Umfeld mehr oder weniger radikaler Umweltschützer, die sich die Offshore-Windparks des Unternehmers Lars Overbeck in Bremerhaven als Feindobjekt ausgesucht haben. Einer der Radikaleren ist Henrick Paulsen. Er begeht Hausfriedensbruch an einem Windrad in der Nordsee, klettert hoch, und macht dort ein Video für seinen Vlog über die Hunderte, vielleicht Tausende von Vögeln, die ständig in den Rotorblättern verenden. Danach verschwindet er spurlos.

Nach Lürsens und Stedefreunds Logik ist er entweder in tödlicher Gefahr oder Person of Interest in einem Mordfall, in dem sie ermitteln: Denn ein argentinischer Mitstreiter von Paulsens Umweltschützergruppe ist im gemeinsamen Domizil erschossen worden.

Paulsens ehemalige Partnerin, Katrin Lorenz, verkörpert einen anderen Typus des Aktivismus: einen legalen, kompromissfähigen, realpolitischen. Sie ist Vorsitzende einer weltweit operierenden NGO, die umweltfreundliche Windparks zertifiziert – und ihre Zertifikate sind bei den Betreibern begehrt. Das hat sie zu einer sehr einflussreichen Stimme gemacht, ihre Organisation zu einem Global Player. Mit Paulsen verbinden sie die gemeinsame kleine Tochter und alte Sympathien. Gleiches gilt für Overbeck, der mit Paulsen trotz starker inhaltlicher Differenzen kein angespanntes Verhältnis zu haben behauptet.

Das hört sich alles sehr ausgewogen an, als ob hier ein Thema von vielen verschiedenen Seiten beleuchtet würde, die sich in der Figurenorchestrierung niederschlagen: Der am Umweltschutz ehrlich interessierte, aber von wirtschaftlichen Zwängen eingeengte Unternehmer. Sein Widersacher, der schmierige, wertelose Hedgefond-Manager. Die engagierte Aktivistin, die sich auf das Machbare konzentriert und damit viel Gutes tun kann, wofür sie aber harte Prinzipien über Bord werfen muss. Und der durchgeknallte Radikale, dem jedes Mittel Recht zu sein scheint, und der sich nach nichts mehr sehnt, als nach der Öko-Diktatur.

Das Problem daran ist das Suggestive: Denn zu offensichtlich sind diese Figuren primär eben keine Figuren, sondern Konstellationen politisch-gesellschaftlicher Positionen. Ihnen fehlt die Eigendynamik. Und so klingen leider auch die Dialoge eher wie vertonte und zum Drehbuch umgearbeitete Leitartikel, unterfüttert mit abgestandenen Allgemeinplätzen. Ein paar Kostproben: „Du schreckst vor nichts zurück!“ „Nur wer gegen den Strom schwimmt, gelangt zur Quelle!“ „Blauer Himmel, Sonnenschein, und die Umweltzerstörung geht weiter!“ „Die Wahrheit, die du nicht ertragen kannst!“ „Manchmal muss man die Dinge eben selbst in die Hand nehmen!“

„Wer Wind sät, erntet Sturm“ flüchtet sich immer wieder in Geschrei und Gepolter, um das Lehrstück ein bisschen zu kaschieren. Doch am Schluss sieht das leider so aus, wie es wohl entstand: berechnend und berechnet. Lürsen, Stedefreund und ihre Verdächtigen bleiben seelenlose Stichwortgeber – und diese «Tatort»-Folge ein laues Lüftchen.

Das Erste zeigt «Tatort – Wer Wind sät, erntet Sturm» am Sonntag, den 14. Juni um 20.15 Uhr.
12.06.2015 13:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/78804
Julian Miller

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Tatort Tatort – Wer Wind sät erntet Sturm Wer Wind sät erntet Sturm

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