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«Der Klügere kippt nach»: Hella brüllt sie alle nieder

Der anarchische Tele-5-Talk hatte leichte Anlaufschwierigkeiten, nahm jedoch im Laufe der Zeit spürbar Fahrt auf. Hauptverantwortlich hierfür: Die nimmermüde Quasselstrippe Hella von Sinnen.

Jahrelang formulierte Hugo Egon Balder - halb scherzhaft, halb ernsthaft - die Ambition, ein Format namens «Der Klügere kippt nach» im Fernsehen zu präsentieren. Kai Blasberg, der als Geschäftsführer von Tele 5 schon häufig seine Sympathie für mutige und unkonventionelle Unterhaltung unter Beweis gestellt hat, gibt der skurrilen Idee nun eine Bühne. Nach der Auftaktfolge am Ostermontag vermag man noch nicht zu beurteilen, wie zukunftsträchtig das ist. Zunächst präsentierte sich die Live-Show etwas behäbig und dröge, doch im Laufe der gut einstündigen Ausstrahlung nahm sie spürbar Fahrt auf. Während Hella von Sinnen ihrem Ruf als schrill umherbrüllendes Show-Dynamit gerecht wurde, wirkte Wigald Bonig als Moderator komplett deplatziert. Und wo war eigentlich der Vater der TV-Saufrunde?

Konzeptionell ist die der Sendung zugrunde liegende Idee überaus simpel: Vier prominente Gäste, in diesem Fall Hella von Sinnen, Bernhard Brink, Paula Lambert und Ingmar Stadelmann, sitzen gemeinsam in einer Hamburger Kultkneipe und sprechen über Themen, die Moderator Boning ihnen vorgibt. Barkeeper Balder sorgt währenddessen dafür, dass die Promis mit alkoholhaltigen Getränken versorgt werden, sodass die Zungen der Gäste möglichst schnell möglichst locker werden.

Ob es nun dem Alkohol oder einfach der generellen Dynamik am Tisch geschuldet ist, lässt sich schwer beurteilen, aber der Plan einer sich immer mehr hochschaukelnden Stimmung am Tisch ist in jedem Fall auf Anhieb aufgegangen. Wesentlichen, ja mitunter sogar deutlich zu großen Anteil hieran hat Hella von Sinnen, die locker drei Viertel der Redezeit für sich in Anspruch nimmt und ihre Mitstreiter allesamt deutlich in den Hintergrund drängt. Entspricht ein Thema nicht ihrem Interessensgebiet, brüllt sie dies offensiv und hartnäckig in die Runde, ihr Satz "ich will dazu kurz noch einen Satz sagen" ist meist gleichbedeutend mit "die nächsten fünf Minuten gehören mir", divergiert eine von einem der übrigen Statisten geäußerte Meinung von ihrer eigenen, muss sie dies umgehend und ohne Rücksicht auf Verluste klarstellen. Das ist aufdringlich und nervig - trägt allerdings entscheidend dazu bei, dass die Show im Laufe der Zeit immer ausgelassener und anarchischer wird, nachdem sie atmosphärisch zunächst reichlich karg daherkommt.

Hier wiederum kommt Wigald Boning ins Spiel, dem es als Moderator weder gelingt, einen strukturierten Meinungsaustausch zu initiieren, noch den Unterhaltungswert und die Lockerheit besitzt, Anarchie in das Format zu transportieren. So wirken seine Versuche, Stichworte zu neuen Themen einzustreuen, häufig etwas deplatziert und stören den Gesprächs- oder besser: von Sinnens Monologfluss, an anderer Stelle nimmt er fast schon die Rolle des Spielverderbers ein, dessen verbaler Input von den Gästen häufig ignoriert wird. Die Idee, einen nüchternen und beinahe professoral-spießig daherkommenden Moderator zu integieren, hätte durchaus aufgehen und einen angenehmen Gegenpol zum heiteren Saufgelage bilden können. In der ersten Sendung aber nimmt er der Sendung ein wenig den Drive - und gibt ihr dafür entschieden zu wenig Substanz.

Im Zuge dessen fragt man sich, was Balder eigentlich während der gesamten Zeit so im Hintergrund hält, während sein moderierender Kumpane kaum Land sieht. Als Barkeeper ist er völlig verschenkt, seine wenigen Wortbeiträge sind allerdings ungleich unterhaltsamer als alles, was Boning in der guten Stunde Sendezeit äußert - vor allem, als er auf Hellas Lustlosigkeit, sich zu Michelle und Matthias Reim zu äußern, scharfzüngig erwidert, dass so "auch mal die anderen hier zu Wort" kämen. Und die anderen Gäste? Brink präsentiert sich einige Male überraschend schlagfertig und gewitzt, Lambert tritt nach der Sex-Thematik zu Beginn der Sendung nur noch selten in Erscheinung und Stadelmann ist immer dann mit einem humoristischen Rohrkrepierer zur Stelle, wenn das Publikum sich gerade zu sehr zu amüsieren droht.

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Insgesamt offenbart die Auftaktfolge von «Der Klügere kippt nach» bereits einige Stärken und Schwächen, die in einer solchen Idee stecken: Sobald sich eine spannende Eigendynamik entwickelt, unterhalten sich die Menschen vor und hinter der Kamera prächtig. Entwickelt sich diese nicht, kann es schnell zu peinlicher Stille kommen. So aufdringlich und anstrengend eine Hella von Sinnen auch manchmal sein mag, ist sie in solch einer Sendung Gold wert, die einen Initiator benötigt, der keine Scham und wenig Grenzen kennt und zu jedem Thema irgendwas zu sagen hat - und sei es nur ein zweiminütiger Monolog über die Gründe des eigenen Desinteresses. Doch gleichzeitig braucht es auch jemanden, der sie zu zügeln weiß, sollte sie zu sehr über die Stränge schlagen. Wigald Boning gehört nicht zu diesem Schlag Menschen, Hugo Egon Balder schon eher. Insofern könnte eine rasche Lehre, die man aus dem Piloten ziehen kann, sein: Mehr Balder, weniger Boning.

In jedem Fall aber sollte es weitere Einsätze für dieses nicht uninteressante Projekt geben, das so eine angenehme "Komm, wurscht, wir machen's einfach"-Haltung an den Tag legt und im Zuge dessen auch in Kauf nimmt, mit voller Wucht gegen die Wand zu donnern. Dazu passt dann auch die Ankündigung am Ende der Sendung, dass man sich "wahrscheinlich" kommende Woche wiedersehen werde - wenn ja, dann auf jeden Fall wieder mit Hella von Sinnen. Ob man das als Versprechen oder Drohung aufnimmt, bleibt jedem selbst überlassen.
07.04.2015 00:52 Uhr Kurz-URL: qmde.de/77395
Manuel Nunez Sanchez

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Der Klügere kippt nach

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