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Die 87. Oscar-Nominierungen: Von Vermisstenmeldungen und schleichendem Wandel

Enttäuschende Auslassungen und positive Überraschungen. Unsere Analyse der Oscar-Lage.

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Die Filme mit den meisten Oscar-Nominierungen 2015

  • 9x «Grand Budapest Hotel», «Birdman»
  • 8x «The Imitation Game»
  • 6x «Der Scharfschütze – American Sniper», «Boyhood»
  • 5x «Die Entdeckung der Unendlichkeit», «Whiplash», «Foxcatcher», «Interstellar»
Die Oscars befinden sich im Umbruch.
Nur nicht schnell genug.

Dass sich eine derart langlebige Instanz wie die Academy of Motion Picture Arts & Sciences über die Jahrzehnte hinweg verändert, erklärt sich von selbst. Dass sie mit dem prestigeträchtigen Oscar zudem eine unentwegt in Bewegung befindliche Kunst- und Unterhaltungsform beäugt, treibt diese Entwicklung weiter an. Dass etwa der erste «Star Wars»-Film ebenso wie der erste «Indiana Jones»-Part als bester Film nominiert wurden, mag man rückblickend kaum noch glauben. Übergroßes Popcorn-Kinovergnügen war zu ihren Zeiten in dieser Form allerdings noch nicht an der Tagesordnung, was ihren Vorstoß ein Stück weit erklärt. Nunmehr sind derartige Blockbusterproduktionen alltäglich, es fehlt also der Neuheitsfaktor, der reines Entertainment bei einer derartigen Organisation wie der amerikanischen Filmakademie zu gesteigerter Aufmerksamkeit verhelfen kann.

Dass schierer Filmspaß von den Academy Awards nunmehr bloß sekundär beachtet wird, lässt sich also erklären und soll daher hier gar nicht beklagt werden. Zumal dann und wann sehr wohl ein Projekt wie «Avatar – Aufbruch nach Pandora» oder die «Der Herr der Ringe»-Trilogie den Sprung in die „wichtigeren“ Oscar-Kategorien schaffen. Außerdem übernehmen Jahr für Jahr andere, weniger filmzentrische Publikationen dieses Klagelied. Denen sei geantwortet: Nein, möchten die Oscars ihre hohe Bedeutung für die Filmwelt behalten, müssen «Der Hobbit – Die Schlacht der fünf Heere» oder «Die Tribute von Panem – Mockingjay: Teil I» nicht automatisch ganz oben mitmischen. Es sind Produktionen anderen Schlags, die in der Nominierungsliste zum 87. Oscar kläglich vermisst werden.

„Du brauchst keine Bande. Im Leben geht auch mal etwas daneben!“


Spätestens im Laufe der Neunzigerjahre kristallisierte sich die Machart eines archetypischen Oscar-Films heraus: Dramen, die Problemthemen anpacken, aber einen optimistischen Tonfall beibehalten und audiovisuell weder besonders spartanisch, noch all zu üppig daherkommen – sondern halt in der angenehmen Mitte positioniert sind. Dieser Schlag von Produktionen gewann zwar nicht eine Statue nach der anderen, hat jedoch dank zahlloser Nominierungen eine nicht zu verachtende Präsenz beim Oscar. Auch dieser Aufstieg lässt sich filmhistorisch durchaus als respektabel und verdient betrachten. Selbst wenn mitunter qualitative Fehlschläge wie «Extrem laut & unglaublich nah» unverdienterweise eine Nominierung als bester Film erhielten. Es gibt einen Platz für positive Dramen. Und in den vergangenen Jahren wurden glücklicherweise viele der geheuchelten, berechnet produzierten „Oscar Bait Movies“ ignoriert. So auch dieses Jahr – Angelina Jolies «Unbroken» viel weitestgehend auf die Nase, obwohl er meilenweit nach Oscar-Fraß riecht.

Ärgerlicherweise verläuft die Abkehr der Academy von dieser Art Filmen nicht rasch genug, um mit der cineastischen Strömung mitzuhalten. Und so kommt es, dass zu wenig Raum für beißende, ebenso gemeine wie spaßige Geschichten zu machen. New Hollywood fand seinerzeit durchaus Oscar-Beachtung, die aktuelle Welle intelligenter, dunkler, und trotzdem amüsanter Filme dagegen zerschellt am zwar bröckelnden, aber weiterhin bestehenden Schutzwall aus „klassischem“ Oscar-Stoff. Dramen wie «Die Entdeckung der Unendlichkeit» oder «The Imitation Game» haben sich redlich einige Nominierungen verdient. Allerdings holten sie und auch Clint Eastwoods «Der Scharfschütze – American Sniper» derart viele Nominierungen, dass bei der Verkündung der Oscar-Anwärter auch zu allerlei deprimierenden Auslassungen kam.

Eine der ärgsten Enttäuschungen ist, dass Schriftstellerin Gillian Flynn entgegen aller Erwartungen nicht für die Leinwandadaption ihres Bestsellers «Gone Girl» nominiert wurde. Ebenso wird eine Nennung für David Fincher als bester Regisseur vermisst, geschweige denn, dass «Gone Girl» nicht als bester Film nominiert wurde. Und auch ein entfernter Verwandter dieses Thrillers kam nicht so gut an, wie von Experten erwartet: Der satirische Medienthriller «Nightcrawler», den viele Branchenkenner und Filmkritiker in den Sparten 'bester Hauptdarsteller' und 'bester Schnitt' sowie 'bester Film' auf dem Zettel hatten. Beides sind dreiste, spannende, schwarzhumorige sowie dramatische Filme – und somit (wie es scheint) emotional zu komplex für das moderne Oscar-Rennen. Vor einigen Jahren hätten Oscar-Kenner nicht einmal eine Prognose dieser Projekte gewagt, doch der schleichende Untergang solcher Filme wie «L.A. Crash» ließ Hoffnung für diese Filme aufkeimen. Es war verfrüht – nun heißt es, auf das kommende Jahr zu hoffen.

Zumindest emotionale Kargheit ist bei den Academy Awards aktuell nicht verpönt. Das zeigte vergangenes Jahr das fesselnde Sklavendrama «12 Years a Slave», dieses Jahr vertritt «Foxcatcher» den Sektor für grimmige, langsam erzählte Dramen. Optimistische und desolate Stimmungen wissen die Academy-Mitglieder also zu respektieren. Bedauerlich, dass solch emotional verfahrenen Filme wie «Gone Girl», «Nightcrawler» oder auch das ungewöhnlich komplexe Disney-Märchenmusical «Into the Woods» schwächere Oscar-Chancen haben. Oder das Rassendrama «Selma», das die Thematik aus einer Perspektive betrachtet, die der demografisch relativ einheitlichen Academy fremd ist. Kurzum: Im Oscar-Feld gibt es zu wenig Respekt für Filme, die keine Leitplanke, keine Bande bereitstellen, um die Rezeption zu lenken.

Womöglich erklärt dies sogar die Abwesenheit von «The LEGO Movie» in der Sparte für den besten Animationsfilm: Der Trickspaß von Phil Lord & Chris Miller steckt voller bewusster Widersprüche. Der Film feiert beispielsweise Originalität, verfolgt aber gezielt einen ausgelutschten Handlungsbogen. Er profitiert von der LEGO-Optik, macht sich aber auch über ihre Begrenzungen lustig. Soll man also mit oder über den Film lachen? Dem Massenpublikum ist es egal. Hauptsache lustig. Oscar-Material? Nein, das wiederum nicht. Zumindest nicht als filmisches Gesamtwerk.
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16.01.2015 10:45 Uhr Kurz-URL: qmde.de/75712
Sidney Schering

super
schade

77 %
23 %

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Tags

12 Years a Slave A Serious Man Academy Academy Award Academy Awards American Sniper Aufbruch nach Pandora Avatar Avatar – Aufbruch nach Pandora Birdman Boyhood Der Herr der Ringe Der Hobbit Der Scharfschütze Der Scharfschütze – American Sniper Die En

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
mwen001
16.01.2015 16:34 Uhr 1
GONE GIRL und NIGHTCRAWLER für einen Oscar? Habe ich andere Filme gesehen? David Fischer hat einen guten Job gemacht mehr nicht und NIGHTCRAWLER war eine Katastrophe! das soll Oscarmaterial sein? No way!
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