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Die Kritiker: «Kückückskind»

Bei der Geburt vertauscht: Der 15-jährige Dominik ist eigentlich Türke, die Türkin Ayse eigentlich Deutsche. Was «Kückückskind» aus dieser Grundsituation macht? Leider nur wenig, meint Kritiker Julian Miller.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: Dor Film Köln GmbH
  • Drehbuch: Florian Hanig
  • Regie: Christoph Schnee
  • Kamera: Diethard Prengel
Inhalt
Bei der Geburt vertauscht: Bei einem Krankenhausaufenthalt ihres Sohns erfahren die erfolgreiche Kölner Modedesignerin Antonia Greve und ihr Ex-Mann Claus, dass der 15-Jährige Dominik nicht ihr leiblicher Sohn sein kann. Schnell findet man heraus: Dominik wurde am Tag seiner Geburt mit Ayse vertauscht, die als Tochter der Gemüseladenbesitzer Erdal und Hatice Güngör mit zwei Schwestern in einer traditionell türkischen Familie aufwächst.

Ratlosigkeit macht sich breit, doch dann entscheiden sich die beiden Jugendlichen für einen Tausch: Die aufmüpfige und rebellische Ayse zieht für zwei Wochen bei Antonia ein, Dominik wird 14 Tage bei den Güngörs leben. Klar, dass die neue Wohnsituation für zahlreiche chaotische Momente sorgt und frischen Wind ins Leben der beiden 15-Jährigen und ihrer Eltern bringt. Einzelkind Dominik lernt, dass er über drei Ecken mit sämtlichen Türken in Köln verwandt sein soll. Ayse freut sich über die neuen Perspektiven, die sich ihr als Deutsche bieten. Übermutter Antonia ist hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihren Sohn bei sich zu behalten und der Begeisterung über ihre neue Tochter - die sich allerdings manchmal so gar nicht mädchenhaft benimmt. Hatice hat Angst ihre Tochter Ayse zu verlieren. Und Erdal ist begeistert, dass er einen lang ersehnten Sohn in die Arme schließen kann, muss aber bald feststellen, dass zwar türkisches Blut durch Dominiks Adern fließt, er aber immer noch sehr deutsch denkt. Als Antonias Modenschau zu scheitern droht und damit ihre Existenz auf dem Spiel steht, werfen die beiden Familien ihre kulturellen Missverständnisse und Befindlichkeiten über Bord und raufen sich zusammen. So findet jeder in dieser ungewöhnlichen Patchwork-Familie seinen Platz - eben auch Dominik und Ayse.

Darsteller


Natalia Wörner («Die Säulen der Erde») als Antonia Greve
Adnan Maral («Türkisch für Anfänger») als Erdal Güngör
Ava Celik («Die Stein») als Ayse Güngör
Robert Alexander Baer («Ich fühl mich Disco») als Dominik Greve
Siir Eloglu («Stadtklinik») als Hatice Güngör
Nicki von Tempelhoff («Engel der Gerechtigkeit») als Claus Greve
Hans Joachim Heist («heute-show») als Sachbearbeiter Borowski

Kritik


Nicht immer sind Culture-Clash-Komödien gleich Selbstläufer wie «Türkisch für Anfänger» und «Fack ju Göhte». Es gehört schon mehr dazu, als die Schrullen beider Kulturen zu verdichten und der Situationskomik nach Lehrbuch freien, quirligen Lauf zu lassen.

Genau an dieser Stelle hackt es nämlich bei «Kückückskind»: Der Film ist zwar sicherlich mehr als ein Sammelsurium abstruser Zufälle und noch abstruserer Charaktere geworden. Aber gerade was die (teilweise ja notwendige) Überzeichnung der Figuren angeht, überschreitet das dramaturgische Konstrukt hier häufig ein kritisches Maß.

Der deutsche Teenager Dominik etwa, der nun zu seinen leiblichen türkischen Eltern zieht, um den neurotischen Klauen seiner Mutter zu entgehen, wird von diesem Drehbuch so stark stereotypisiert, dass jedwede Glaubwürdigkeit abhanden kommt. Dieser Dominik ist nicht nur ein bisschen nerdig-verschroben und, was soziale Kompetenz angeht, etwas schwer von Begriff; nein: In der Isch-geh-Schulhof-Klasse im sozialen Brennpunkt hält er sein Referat zum Thema „Mein Vorbild“ über Mahatma Gandhi, wenn die anderen Checkas über halbkriminelle Rapper referieren. Mit der Konsequenz, dass er dann zu Hause ohne Hose auftaucht. Bei einer anderen Gelegenheit „borgt“ sich Problemschüler Süleymann Dominiks iPhone. Die große Synthese, mit der man diese Konflikte zu einem glücklichen Ende erzählen will, besteht darin, dass er in der Schulaufführung seinen „Faust“ rappt und sich damit Respekt ergattert.

Das Thema soziale Friktionen hätte zweifelsohne mehr geboten als diese einfallslosen Handlungsabläufe, diese unglaubwürdigen Charakterwandlungen und all die Stereotypisierungen, die viele Figuren der Vielschichtigkeit berauben, die das Drehbuch aus der dramaturgischen Grundsituation durchaus hätte entwickeln können.

Aber nicht immer geht hier alles so schief wie bei der männlichen Hauptfigur. Ihr weibliches Pendant, Ayse, bietet ein deutlich interessanteres Untersuchungsfeld. Mitunter deshalb, weil sie als Figur größere Probleme hat als die zerbrochene Ehe der Eltern und die obsessive Mutter, mit denen sich der stereotype Dominik herumschlagen muss. Mit Ayse kann man mehr erzählen: etwas über Perspektivlosigkeit, über Xenophobie, über soziale Ausgrenzung. Blöd, dass man das nur im Ansatz macht, dass dieses Potential zugunsten altbackener Albernheiten auf der Strecke bleibt. Denn am Schluss bleibt von dieser Ayse nur eines im Gedächtnis: ihre Schauspielerin Ava Celik, die sich mit ihrer darstellerischen Vielseitigkeit als große Entdeckung entpuppt.

Das ZDF zeigt «Kückückskind» am Mittwoch, den 29. Januar um 20.15 Uhr.
28.01.2014 14:09 Uhr Kurz-URL: qmde.de/68672
Julian Miller  •  Quelle: Inhalt: ZDF

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