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Mediatheken: Können Internet-Abrufe die Fernsehquote ersetzen?

Neben dem Fernsehmarktanteil gewinnen bei bestimmten Formaten auch die Abrufe in den Online-Mediatheken an Stellenwert – das «Neo Magazin» treibt diesen neuerlichen Umstand auf die Spitze.

"...Ich brauch im Schnitt nur 0,4 Prozent", trällerte Jan Böhmermann erst neulich gegen Ende seines aufwendig inszenierten Intros vor der ersten Folge seines «Neo Magazins». 0,4 Prozent? Dieser Wert liegt schon recht deutlich unter dem ZDFneo-Senderschnitt, der in der jungen Altersgruppe 0,7 Prozent beträgt. Was Jan Böhmermann allerdings zugutekommt, ist die große Beliebtheit seiner Formate im Internet, die er sozusagen als zweite Chance für eine eventuell wenig überzeugende Fernsehquote nutzen kann.

Die erste Episode des «Neo Magazins» lief mit 0,3 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen alles andere als zufriedenstellend. Umso beeindruckender war im Nachhinein zu betrachten, wie viele Interessierte die Möglichkeit wahrnahmen sich die Debüt-Ausgabe des Formats per Internet-Mediathek zu Gemüte zu führen. Auf Anfrage von Quotenmeter.de gab das ZDF Auskunft über den Erfolg der Internetpräsenz des «Neo Magazins»: „Die drei Abrufvideos erzielen durchschnittlich 108.000 Sichtungen pro Folge. Die höchste Nutzung erreicht dabei Folge 1 mit 161 Tausend Sichtungen. Sie erreicht im aufgelaufenen Monat Rang 14 in der Hitliste aller Abrufvideos von ZDFonline. Zudem wird die Sendung durchschnittlich 5.500 Mal pro Folge als Podcast heruntergeladen.“ Die 60.000 Zuschauer, welche die erste Ausgabe des «Neo Magazins» per TV begutachteten, standen also einem fast drei Mal so hohen Wert an Mediathek-Aufrufen gegenüber. Mit einer gestiegenen Quote von 0,6 Prozent in der zweiten und 0,9 Prozent in der dritten Folge, verbuchte Jan Böhmermanns neuestes Fernseh-Format dann auch zusehends befriedigendere Marktanteile.

Zwar sprechen wir bei der Zuseherschaft von ZDFneo über wesentlich geringere Zahlen, trotzdem ist das Verhältnis von Fernsehzuschauern zu Mediathek-Aufrufen beispielsweise bei RTL, die ihre Aufrufe beim Videoportal RTL Now angeben, gänzlich anders: Die «Alarm für Cobra 11»-Episode des 5. Dezembers 2013 hat, trotz freier Verfügbarkeit, „nur“ etwa 330.000 Aufrufe vorzuweisen – live sahen 3,16 Millionen Menschen die Ausgabe um die beliebte Autobahnpolizei. Bei einem Fernsehpublikum von 3,95 Millionen Fernsehenden am 30. November, beliefen sich die Abrufe von der an diesem Tag stattgefundenen «Supertalent»-Episode auf knapp über 200.000 Aufrufe – beide Shows sind nach Ausstrahlung im Fernsehen sieben Tage kostenlos auf RTL Now abrufbar. Und selbst beim Internet außerordentlich präsenten «Berlin – Tag & Nacht» standen 1,35 Millionen Fernsehzuschauern am 11. Dezember, bei freier Verfügbarkeit der Folgen im Internet, eine Woche später 291.000 Abrufen in der RTL II-Mediathek gegenüber.

Quotenmeter.de sprach mit dem ZDF darüber, ob bei einem Format wie dem «Neo Magazin» der Fernsehmarktanteil den gleichen Stellenwert habe wie die Internetabrufe, worauf das ZDF in einem Statement antwortete: „Ja, beides hat das gleiche Gewicht.“ Allerdings ist es weniger der Interneterfolg oder der Fernsehmarktanteil, der zu einer Verlängerung der neuen Show für eine zwanzig Folgen starke zweite Staffel führte: „In erster Linie rechtfertigen der Inhalt und die Qualität der Sendung, die einfach zu ZDFneo passt, die tolle und kreative Zusammenarbeit mit dem Kopf Jan Böhmermann und der Produktionsfirma btf die Fortsetzung des «Neo Magazins»."

Dass bei einer außergewöhnlich hohen Zahl an Internetabrufen die Fernsehquote egal ist, entspricht also (noch) nicht der jetzigen Situation. Zwar kommt der Internet-Erfolg einem Format zugute, sollte es im Fernsehen nicht wie geplant überzeugen, allerdings gilt dies nicht in jedem Fall. Um die Bedeutungsverschiebung weiter voranzutreiben müsste es insbesondere bei ZDFneo neben dem «Neo Magazin» noch weitere Formate geben, die im Internet ähnlich beliebt sind. „Vergleichbare Sendungen sind «Roche & Böhmermann» (wegen Differenzen eingestellt) und «neoParadise» (als «Circus HalliGalli» bei ProSieben). Bei beiden Formaten haben die Onlineabrufe einen überdurchschnittlichen Beitrag geleistet“, erwähnte das ZDF. Beide Shows finden beim Digitalsender allerdings nicht mehr statt, wodurch das «Neo Magazin» wieder eine Ausnahme im jetzigen Programm darstellt.

Gerade bei Ausmaßen wie sie beim «Neo Magazin» der Fall sind, hat das ZDF die hohe Beliebtheit eines Formats im Internet im Hinterkopf, auch wenn ein Internetmarktanteil, der von etlichen Personen mittlerweile kontrovers diskutiert wird, nicht Realität ist. Durch die Gebühreneinnahmen und die nicht vorhandene Abhängigkeit von Werbung bei den Öffentlich-Rechtlichen steht das Zweite ohnehin nicht allzu sehr unter Quotendruck, trotzdem ist wegen den wenig vergleichbaren Shows zum «Neo Magazin» der Fernsehmarktanteil immer noch essentiell. Wesentlich problematischer ist aber ein Format im Privatfernsehen, welches seine Zuschauer, ähnlich wie das «Neo Magazin», zu großen Teilen über das Internet unterhält. Zwar existiert derzeit solch ein Format nicht, es ist aber davon auszugehen, dass die Abrufe im Internet Quotenprobleme im Fernsehen nur in einem sehr viel kleineren Maße wieder ausbügeln könnten. Noch immer ist die Fernsehlandschaft weit entfernt davon, dass Internetabrufe die Fernsehquote egalisieren.
19.12.2013 10:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/68026
Timo Nöthling

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