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Graue Zellen und akustische Pannen: «Der große Sat.1 IQ-Test»

«Der große Sat.1 IQ-Test» bringt intelligente Fragen zurück in die Primetime. Und ärgerliche Tonpannen.

Quotenverlauf «Der große deutsche IQ-Test»

Die RTL-II-Sendung «Der große deutsche IQ-Test» erreichte 2010 an einem Sonntagabend 1,97 Mio. Menschen und generierte sehr gute 6,1 Prozent Marktanteil bei allen und 8,6 Prozent bei den Jüngeren. 2011 waren an einem Dienstag 1,49 Mio. dabei und 5,0 bzw. 7,5 Prozent drin. 2012 startete der Test an einem Montag erst um 21.20 Uhr und brachte es nur noch auf 1,07 Mio. sowie 4,9 respektive 7,0 Prozent.
Freitagabend, Viertel nach acht in Deutschland: Mit Notizblock und Stift bewaffnet starrt ein Redakteur von Quotenmeter.de auf seinen Fernseher. Über das Empfangsgerät flimmern die ersten Sekunden des «großen Sat.1 IQ-Tests». Ein Artikel der Reihe „Hingeschaut“ soll am Ende dabei herausspringen und die ersten Minuten dieser großen Primetimeshow liegen ganz im Rahmen der Erwartungen: Die audiovisuelle Aufmachung ist weniger flippig und möchtegern-cool als die der IQ-Tests, die RTL II zuletzt ausstrahlte, aber längst nicht so zurückhaltend und seriös wie die der RTL-Sendungen mit Günther Jauch zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts.

Das Showkonzept ist exakt so wie zu Jauchs Zeiten: Im Studio sitzen Zuschauerblöcke, die eine gesellschaftliche Gruppe repräsentieren (in diesem Fall Models, IT-Spezialisten, Ärzte, Bodybuilder, Abiturienten und Bauern) und am Test teilnehmen, außerdem sorgen den Test ausfüllende Promis im Scheinwerferlicht mit ihren Kommentaren für Kurzweil. Brigitte Nielsen beschwert sich, dass ihr Deutsch nicht gut genug ist, um den Test zu überstehen. Ross Anthony lacht aus Begeisterung („Haha, das krieg' ich hin!“) ebenso wie aus Verzweiflung („Haha, oh my, ich werde versagen!“). Hella von Sinnen lässt uns mit ihrer bekannten Form der gut gelaunt gebrüllten Beschwerde wissen, wenn sie bei einer Frage mehrere Antworten richtig findet. Marc Bator versucht, Humor und Kompetenz gleichzeitig zu vermitteln. Der «Bachelor»-Kandidat Jan Kralitschka hinterlässt erwartungsgemäß keinen Eindruck. Und Dr. Christine Theiss ist auch da.

Praktisch für den Quotenmeter.de-Redakteur, der sich ganz allein vor das televisionäre Flimmern setzte, um auf seinem Schreibblock seine Antworten zu notieren, und somit seinen IQ zu testen, und parallel dazu auch Notizen für das „Hingeschaut“ nieder zu kritzeln. Wo fast alles wie erwartet läuft, muss man sich nicht viel notieren. Über Moderator Matthias Killing kann er sich immer noch kein handfestes Urteil bilden, einerseits wirkt er zuweilen sehr steif, andererseits versucht er mit überzeugender Freundlichkeit, die munter kooperierende und den Test kritisierende Promimeute zu zügeln. Co-Moderatorin Sonya Kraus krakeelt wieder einmal so laut, dass sie eigentlich kein Mikro bräuchte, hält sich mit ihren Moderationstexten aber zurück und verzichtet auf ihre üblichen Doppeldeutigkeiten und Parolen, sie bringt etwas Laune ins Spiel, die Killing alleine nicht erzeugen kann.

Dem Quotenmeter.de-Redakteur kündigt sich vor der ersten Werbepause also ein eher dröges „Hingeschaut“ an. Was kann er schon anmerken? Die IQ-Fragen sind keine dümmlichen, Trash-TV-Aufgaben, sondern ernstzunehmende Fragen, wie sie auch außerhalb der Glotze in einem IQ-Test vorkämen. Einzig die Sparte „Kurzzeitgedächtnis“ ist eingangs dem Kommerzgott geopfert: Es laufen zwei Ausschnitte aus der Computeranimationskomödie «Madagascar 2», die am Samstagabend bei Sat.1 einen zum Scheitern verurteilten Kampf gegen den «Eurovision Song Contest» antritt. Natürlich gibt es auch einen Hinweis auf die Sat.1-Ausstrahlung und unser Redakteur wundert sich, ob man das Kurzzeitgedächtnis wirklich unverfälscht testen kann, wenn man etwas aus der Popkultur abfragt. Wer den Streifen kennt, kann sich bei diesen Fragen auch dank seines Filmwissens über die Runden retten.

Aber mit der ersten Werbepause von «Der große Sat.1 IQ-Test» kommt die große Rettung für unseren Redakteur: Eine Tonpanne! Darüber kann man schreiben! Die Sendung kehrt ohne Ton aus der Werbung zurück, was den Fernsehzuschauern nicht völlig die Teilnahme am IQ-Test versaut (man kann ja noch lesen), aber dann bricht Sat.1 die Ausstrahlung nach wenigen Minuten ab, zeigt ein Testbild, und steigt erneut dort ein, wo die Show nach dem ersten Werbeblock loslegte. All das, während in der oberen rechten Ecke das „Live“-Gütesiegel neben dem Senderlogo prangt. Ist der Spaß etwa nicht live? Und widersteht der Quotenmeter.de-Redakteur der Versuchung, bei den nun auch hörbar vorgelesenen, ihm bereits bekannten Fragen seine Antworten zu überdenken? Ja, er widersteht, nutzt er doch die gewonnene Zeit, sich im Internet über die Panne schlau zu machen. Mit ihm stürmen auch Hunderte andere Fernsehende ins Web. Der Twitter-Account von Sat.1 ist offensichtlich schon in den Pfingstferien, auf Facebook wird die offizielle Seite des Senders mit Häme, Schimpfe und neugierigen Fragen bombardiert. Die „Live“-Einblendung verschwindet.

Mit einer kleinen Studioaktion holt sich der IQ-Test von Sat.1 weitere Minuspunkte ein: Moderator Killing und Promi-Kandidat Anthony werden in eine dieser ach-so-witzigen Aufbauten gespannt, die ihre Insassen um sich selbst und von oben nach unten drehen. Währenddessen gilt es, Kopfrechenaufgaben zu lösen. „Sorry, aber ich mag meine TV-IQ-Tests puristisch, bittedankesehr“, verkündet der Redakteur snobistisch und schnieft kurz. All dies selbstredend kopfschüttelnd. Nach der zweiten Werbepause verläuft der Ton dann asynchron zum Bild, erst ist er wenige Sekundenbruchteile zu früh dran, dann sogar zehn oder gar fünfzehn Sekunden. Da die Fragekategorie „Räumliche Orientierung“ anhand Videoeinspielern abgefrühstückt wird, ist dies sehr unglücklich und lässt den Kopf mehr als nötig qualmen. Nach vier Fragen ist wieder alles in Ordnung. Kurios.

Nach dem dritten Werbeblock geht Killing dann auf die Tonpannen ein und zerstört jede Chance, die unser Quotenmeter.de-Redakteur hatte, einen verschwörerischen Artikel über die große Live-Lüge zu schreiben. Ab der Panne lief das Format bis kurz vor Schluss zwar „Live on tape“, weil Sat.1 nicht einfach die Notbremse gezogen hat, sondern wieder beim Beginn des zweiten Showblocks einstieg, dennoch lässt sich daraus kein großer, medienkritischer Abriss spinnen.

Und so plätschert der IQ-Test langsam zu Ende. Es ist nun einmal ein IQ-Test im Fernsehen. Das ist löblicherweise anspruchsvoller als die traditionelle Primetimeunterhaltung. Man darf sich streiten, ob so eine Sendung alberne Studioaktionen und Einspieler mit Sonya Kraus braucht, die Schlagerstars bittet, einen IQ-Test zu machen und auf einem Uni-Campus gemieden wird wie ein menschengroßes Pestbakterium. Manche werden sagen „Es ist Unterhaltung! Es muss ja was witziges passieren!“, andere werden sagen „Es ist eine Sendung über Intelligenz, kann sich Sat.1 nicht einmal zusammenreißen?!“

Was bleibt am Ende also zurück? Die Bodybuilder im Studio führen ihre Gruppe zum Sieg, die klügste Einzelperson befindet sich jedoch unter den Ärzten. Unser Quotenmeter.de-Redakteur landet mit seinem Ergebnis nicht im unteren Spektrum der Intelligenzskala, so sehr ewige Nörgler dies auch bezweifeln mögen. Und dann verfasst er ein „Hingeschaut“. Das soeben gelesen wird.
18.05.2013 07:26 Uhr Kurz-URL: qmde.de/63849
Sidney Schering

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