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Die Kino-Kritiker: «Zimmer 205»

Hat Horrorkost aus deutschen Landen überhaupt nochmal die Chance, in der Gunst der Zuschauer zu steigen? Momentan sieht es nicht so aus und leider hat auch die Horrorproduktion «Zimmer 205» nicht die Chance, das kritische Publikum vom Gegenteil zu überzeugen.

Filmfacts: «Zimmer 205»

  • Kinostart: 04. April 2013
  • Genre: Horror/Thriller
  • Laufzeit: 100 Min.
  • FSK: 16
  • Kamera: Jan Fehse
  • Musik: Wolfram de Marco
  • Autor: Eckhard Vollmar
  • Regie: Rainer Matsutani
  • Darsteller: Jennifer Ulrich, Julia Dietze, André Hennicke, Inez Bjørg David, Tino Mewes,
  • OT: Zimmer 205 (D 2011)
Deutsche Kost aus dem Horrorbereich hat hierzulande Mühe, sich von seinem schlechten Image loszusagen. Allzu oft werfen Experten mutigen Filmemachern vor, Innovation zu scheuen und sich mit konventionellen sowie längst abgegriffenen Genre-Grundsätzen zufriedenzugeben. Dass diese These nicht von ungefähr kommt, bewiesen in den letzten Jahren zahlreiche, zum Großteil nur für den DVD-Markt produzierte Billigfilmchen sowie hie und da TV-Movies, wie die ProSieben-Produktion «Gonger», die sogar eine Fortsetzung erfuhr. Auch wenn letztere durchaus qualitativ hochwertig produziert wurde, reihte sie schlussendlich auch nur ein Horrorklischee an das nächste und war sich nicht zu schade, munter von anderen Genrebeiträgen abzukupfern. Innovation sieht anders aus. Darunter zu leiden haben schließlich diejenigen, die sich bemühen, die horrende Filmsparte mit etwas wirklich neuem zu bereichern. So geschehen 2011: Tim Fehlbaums Weltuntergangsfantasie «Hell» ging mit gerade einmal 140.000 Besuchern nahezu sang- und klanglos an den deutschen Kinokassen unter und brachte es hierzulande lediglich auf den Status „Geheimtipp“. Das Klischee, deutsche Filmemacher könnten halt nur Romantic-Comedy, scheint sich damit zwar nicht automatisch zu bestätigen, dass es komödiantische Kost leichter hat, beim deutschen Publikum anzukommen, ist jedoch nicht weit hergeholt.

Umso erstaunlicher ist es, dass Regisseur Rainer Matsutani, der bereits für Folgen der TV-Comedy «Ladyland» und die Kinokomödie «666 – Traue keinem mit dem du schläfst» zuständig war, mit seinem Mysteryhorrorfilm «Zimmer 205» noch einmal den Versuch wagt, das voreingenommene deutsche Publikum mit Horror made in Germany zu begeistern. Dass er das Unterfangen mit einem Cast angeht, der sich auch auf internationalem Parkett sehen lassen könnte oder sich dort zum Teil schon hat sehen lassen, erleichtert ihm die Sache. Überhaupt gab sich Matsutani Mühe, seiner Produktion einen internationalen Touch zu verleihen, was ihm in manchen Momenten auch gelingt. Leider ließ jedoch auch er sich zu offensichtlich von amerikanischem und vor allem japanischem Horror inspirieren, als dass „Zimmer 205“ nicht dasselbe Schicksal ereilen wird wie schon die Werke seiner ebenso mutigen Regie-Kollegen zuvor.

Katrin (Jennifer Ulrich) hatte es nicht leicht. Nach dem Selbstmord ihrer Mutter in ein seelisches Loch gefallen, wagt sie mit dem Beginn eines Studiums einen Neuanfang. Weit weg von Zuhause und ohne ihren überfürsorglichen Vater bezieht sie in einem Studentenwohnheim das Zimmer 205. Schnell kommt sie in Kontakt mit Mitkommilitonen und sie scheint in eine hoffnungsvolle Zukunft zu steuern. Sogar das männliche Geschlecht ist ihr nicht abgeneigt. Doch eines Tages erfährt sie von der düsteren Vergangenheit ihrer Vormieterin. Annika (Julia Dietze) lebte ebenfalls in Zimmer 205 und verschwand vom einen auf den anderen Tag spurlos. Diese Tatsache könnte Katrin eigentlich egal sein, würde sie nicht plötzlich seltsame Nachrichten von ebenjener Annika erhalten, die darauf hindeuten, ihre Mitstudenten könnten etwas mit ihrem Verschwinden zu tun haben. Auf einmal wird Katrin von finsteren Visionen heimgesucht und schon bald ereignen sich erste mysteriöse Todesfälle. Schnell rückt die psychisch labile Studentin in den Fokus der Ermittlungen, doch sie hat längst selbst die finstere Spur ihrer Vormieterin aufgenommen…

Die Aussage, deutschem Genrekino mangele es an Innovation, könnte die Story von «Zimmer 205» nicht treffender untermauern. Auch wenn es sich bei der deutschen Produktion um ein Remake des in Deutschland nie veröffentlichten, dänischen Horrorfilms «Kollegiet» handelt, bleibt die Frage, ob Regisseur Matsutani nicht doch einiges hätte besser machen können, um dem Streifen Leinwandausmaße zu verleihen, statt ihn auf Fernsehniveau kleinzuhalten. Denn auch wenn die Geschehnisse jederzeit in stimmungsvolle Bilder gekleidet sind und der Zuschauer damit durchaus in den Genuss einer bedrückenden Atmosphäre kommt, stellt sich nie das Gefühl ein, man folge gerade einer Hochglanz-Kinoproduktion. Und siehe da: In Auftrag gegeben wurde «Zimmer 205» von ProSieben und ohne vom Sender auf die Qualität zu schließen, kommt man nicht umher zu sagen: „Man merkt’s!“. Dabei wäre «Zimmer 205» für TV-Verhältnisse eine ansehnliche Produktion. Gründe dafür, den Streifen auch in die Lichtspielhäuser zu bringen, sind dagegen eher rar.

Einer von ihnen ist die Qualität des Ensembles. Während auch erstklassige Hollywoodproduktionen nicht davor gefeit sind, sich innerhalb der Besetzungsliste doch mal den einen oder anderen Ausreißer nach unten zu erlauben, bewies Matsutani bei der Zusammensetzung des Casts ein beachtliches Fingerspitzengefühl. Sämtliche Darsteller verkörpern ihre Rollen glaubhaft. Allen voran Julia Dietze («Iron Sky») ist es, die voll und ganz in ihrer perfiden Rolle aufgeht die sie sich mittels Method Acting aneignete. Seien es die wenigen Momente, in denen sich Dietze tatsächlich in Richtung Kamera wendet und mit einem stechenden Blick ihre Umwelt fokussiert, oder die Augenblicke in denen sie durch kleine Gesten und Mimiken ihrer als undurchsichtig angelegten Figur Kontur verleiht: Dietze ist ein durch und durch fieser Bösewicht und braucht für ihr Ziel, Schrecken zu erzeugen, nicht viel. Ihr gegenüber steht die zierliche Jennifer Ulrich («Wir sind die Nacht»), die es optisch nicht mal annährend mit den einnehmenden Auftritten Dietzes aufnehmen kann. Ihre Rolle der Katrin offenbart nie so ganz, inwieweit sie psychisch stabil oder selbst in die unheimlichen Geschehnisse verwickelt ist, was den Reiz ihrer Figur ausmacht. Sei es das andauernde Fingernägelkauen oder ihre Reaktionen auf die Visionen: Jennifer Ulrichs Katrin ist vor allem eines: undurchsichtig und daher bis zum Schluss nie wirklich einzuordnen. Ulrich weiß die Vielschichtigkeit ihrer Figur perfekt umzusetzen und überzeugt daher ebenso sehr wie Julia Dietze. Gemeinsam gelingt es den beiden, den Film zu tragen, wenngleich Jennifer Ulrichs Darbietungen fast einer One-Woman-Show gleichen. Auch unter den Nebendarstellern finden sich jede Menge bekannte Gesichter. André Hennecke («GSG 9»), Tino Mewes («Danni Lowinski») und Inez Bjørg David («Männerherzen») sind dabei nur ein Teil des Casts, der somit durch die Bank hochwertig besetzt ist.

Leider hangelt sich dieses tolle Ensemble durch ein Drehbuch, das sich von der ersten bis zur letzten Szene ausschließlich an Motiven aus bekannten Horrorfilmen anzulehnen versucht. Dabei schien der Regisseur eine Schwäche für japanischen Horror à la «Ring» und «Dark Water» sowie sich bewährte Elemente aus Klassikern wie «Wenn die Gondeln Trauer tragen» zu haben, denn nicht nur bei der Optik ließ sich Matsutani von den japanischen Kollegen allzu offensichtlich inspirieren. Auch Drehbuchautor Eckhard Vollmer («Das Haus der Krokodile») reihte munter ein Klischee an das nächste und machte damit genau das falsch, was Kritiker deutscher Genrekost ohnehin schon seit Jahren vorwerfen. Dem Zuschauer bleibt vom unheilvollen Blick in den Spiegel über den unerwarteten Flashback bis hin zum abstrusen, offenen Ende nichts erspart, was er nicht schon woanders wesentlich besser und interessanter gesehen hat. Stellenweise klaute man sogar ganze Storylines, indem man eine markante Aufklärung des Horror-Meilensteins «Ring» einfach 1:1 übernahm und lediglich deutschen Gefilden anpasste. Das nimmt der Inszenierung jeglichen Schrecken und macht aufgrund der meilenweit gegen den Wind zu riechenden Auflösung lediglich Platz für gepflegte Langeweile, wogegen auch die interessanten und international anmutenden Settings nichts ausrichten können.

Fazit: Ein toller Cast macht noch keinen Horror-Hit. «Zimmer 205» ist der zusammengeklaute Versuch einer deutschen Produktion, im Horrorgenre endlich mal wieder Fuß zu fassen. Während der Mut des Regisseurs ebenso gutzuheißen ist wie die Leistungen sämtlicher Darsteller, bleibt beim Anblick des fertigen Films jedoch die Frage offen, ob ein derart lahmes Drehbuch tatsächlich dafür geeignet ist, zu beweisen, dass auch die Deutschen Horror können. Das ist deshalb so schade, weil «Zimmer 205» ein absolut solider Fernsehfilm geworden wäre. Ihn jedoch auf die große Leinwand zu bringen, hat dagegen umso mehr den Anschein einer Verzweiflungstat.

«Zimmer 205» ist ab dem 04. April in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
03.04.2013 13:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/62932
Antje Wessels

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