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Die Kritiker: «Unsere Mütter, unsere Väter»

Die Vergangenheitsbewältigung bei den Öffentlich-Rechtlichen geht weiter. Nach «Nacht über Berlin» und «Die Holzbaronin» ist «Unsere Mütter, unsere Väter» bereits der dritte Stoff dieser Art in den letzten Wochen. Eine Rezension von Julian Miller.

Inhalt


Teil 1 – Eine andere Zeit

«Unsere Mütter, unsere Väter»

  • Produktion: ZDF und teamworx, in Zusammenarbeit mit Betafilm und ZDF Enterprises
  • Regie: Philipp Kadelbach
  • Drehbuch: Stefan Kolditz
  • Kamera: David Slama
  • Producer: Nico Hofmann, Benjamin Benedict, Jürgen Schuster
Berlin im Sommer 1941: Die fünf Freunde Wilhelm, sein schöngeistiger Bruder Friedhelm, Charlotte, Viktor und Greta treffen sich, um Abschied zu nehmen. Wilhelm und Friedhelm sind an die Ostfront beordert, Charlotte wird als Krankenschwester dorthin gehen. Sie versprechen, sich nach dem Krieg wieder zu treffen und sind fest davon überzeugt, dass das schon Weihnachten sein wird.

Nach anfänglich großen militärischen Erfolgen dringt die deutsche Wehrmacht in Richtung Moskau vor. Je länger der Krieg im Osten andauert, desto öfter erleben der kriegserfahrene Leutnant Wilhelm und sein Bruder Friedhelm, ein einfacher Soldat, die Schrecken des Russlandfeldzuges. Als die beiden Zeugen eines Pogroms in einem ukrainischen Bauerndorf werden, bei dem ein deutscher Offizier des Sicherheitsdienstes ein 14-jähriges Mädchen trotz der Intervention Wilhelms erschießt, geraten ihre bisherigen Einstellungen zum Krieg ins Wanken. Auch Charlotte trifft im Lazarett auf die desillusionierende Kriegswirklichkeit. Als sie eine jüdische Ärztin unter den Krankenschwestern ausmacht, sieht sie sich mit ihrer gefestigten nationalsozialistischen Gesinnung vor eine schwere Prüfung gestellt.

Greta arbeitet derweil in Berlin an ihrer Karriere als Schlagersängerin und beginnt eine Affäre mit Sturmbannführer Dorn von der SS - eine Liaison, die sie vor ihrem jüdischen Freund Viktor verheimlicht. Für Viktor und seine Eltern wird die Situation zunehmend schwieriger. Sie wollen das Land verlassen, doch das ist inzwischen fast unmöglich. Greta nutzt ihre Beziehung zu Dorn, um Papiere für Viktor zu besorgen. Doch noch in Berlin wird Viktor verhaftet. Dorn hat ihn verraten, die Papiere sind falsch.

Der Herbst geht zu Ende, der "Blitzkrieg" ist gescheitert, und die Wehrmacht steckt ohne hinreichende Ausrüstung im eisigen Winter vor Moskau fest. Friedhelm stumpft durch die Kriegserlebnisse zunehmend ab. Mehr und mehr fügt er sich in die Rolle als Soldat, während sein Bruder Wilhelm langsam am Sinn des Krieges zu zweifeln beginnt.

Teil 2 – Ein anderer Krieg


Von ihrem Liebhaber Dorn zur Truppenunterhaltung an die Ostfront geschickt, begegnet Greta zwei Jahre nach ihrem letzten Treffen Wilhelm, Friedhelm und Charlotte im fernen Russland wieder. Der Krieg hat die Freunde verändert. Es ist der Vorabend der größten deutschen Panzeroffensive: In der Nähe der russischen Stadt Kursk soll die "Operation Zitadelle" das Kräfteverhältnis im Osten wieder zu Gunsten der Wehrmacht verschieben.

Aus Überheblichkeit verpasst Greta ihr Flugzeug nach Deutschland und erlebt in Charlottes Lazarett zum ersten Mal hautnah die Schrecken des Krieges. Zur gleichen Zeit befindet sich Viktor mit anderen Leidensgenossen in einem Transportzug auf dem Weg in ein KZ in Polen. Er kann fliehen. Gemeinsam mit der Polin Alina flüchtet er in die Wälder. Ein polnischer Bauer entdeckt die beiden und will sie an die Deutschen verraten, doch sein Sohn warnt sie und führt sie zu einer Gruppe polnischer Partisanen.

Wilhelms Einheit wird in der Schlacht um Kursk aufgerieben und die beiden Brüder getrennt. Friedhelm, der glaubt, sein Bruder sei gefallen, entkommt als einziger dem sinnlosen Kampf. Schwer verwundet wird er in Charlottes Lazarett gebracht und nur durch ihren Einsatz gerettet. Die Nachricht von Wilhelms Tod trifft Charlotte schwer, war Wilhelm doch schon seit Berliner Tagen ihre heimliche große Liebe. Was jedoch weder Friedhelm noch Charlotte ahnen: Auch Wilhelm konnte sich retten. Er hat sich, verwirrt und verwundet, vom Kampfgeschehen entfernt und findet Unterschlupf in einer verlassenen Hütte, wo ihn die Feldgendarmerie schließlich aufstöbert und festnimmt.

Friedhelm, der zur Genesung Heimaturlaub bekommen hat, erfährt mit seinen Eltern von der Verhaftung seines Bruders und dessen Verurteilung zum Tod durch Erschießen wegen Fahnenflucht. Sein Vater verstößt den einst bevorzugten Sohn und nähert sich Friedhelm an. Dieser muss feststellen, dass er mit dem Leben in der Heimat nicht mehr zurechtkommt. Er lässt sich wieder an die Front versetzen.

Derweil berichtet Greta Dorn von ihrer Schwangerschaft. Aus Angst, seine Frau könnte von der Affäre mit Greta erfahren, lässt Dorn Greta verhaften.

Teil 3 – Ein anderes Land


Wilhelms Todesurteil wird aufgehoben und er stattdessen in ein Strafbataillon versetzt. Die Wehrmacht braucht jetzt jeden Mann. In Russland treffen sich Charlotte und Wilhelm wieder - eine aufwühlende Begegnung für beide. Vor allem Charlotte ist von ihren Gefühlen überwältigt, hielt sie doch Wilhelm für tot. Doch der Krieg reißt beide wieder auseinander. Die Rote Armee ist an allen Fronten auf dem Vormarsch. Während Friedhelms neue Einheit in Polen noch brutal gegen die Partisanengruppe vorgeht, der auch Viktor angehört, wird Charlottes Feldlazarett von den Russen überrollt. Charlotte gerät in russische Gefangenschaft. Greta bekommt im Gefängnis Besuch von ihrem ehemaligen Liebhaber und Förderer Dorn. Wie so viele sieht auch er das Ende der NS-Zeit kommen und versucht, seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen. Greta soll ihm bestätigen, dass er ihrem Freund Viktor zur Flucht aus Deutschland verholfen hat: ihr Leben gegen ihre Unterschrift. Wilhelm nutzt das Chaos des Rückzugs und setzt sich von seinem Strafbataillon ab. Er macht sich auf den schwierigen und gefährlichen Weg zurück nach Berlin. Der Krieg steht kurz vor dem Ende, doch täglich sterben noch Tausende von Menschen. Friedhelm wird in den letzten Kriegstagen mit einem Aufgebot gegen die vorrückende Rote Armee geschickt.

Vier Jahre zuvor hatten sich die fünf Freunde zu Weihnachten in Berlin wiedersehen wollen. Vier Weihnachtsfeste sind inzwischen ohne ein Wiedersehen vergangen. Ein Land liegt in Trümmern, Millionen von Menschen auf allen Seiten sind einen sinnlosen Tod gestorben. Auch an den fünf Freunden ist der Krieg nicht ohne Verluste vorübergegangen und die, die überlebt haben, werden nie wieder dieselben sein.

Darsteller


Volker Bruch («Der Baader-Meinhof-Komplex») als Wilhelm Winter
Tom Schilling («Der Baader-Meinhof-Komplex») als Friedhelm Winter
Katharina Schüttler («Gelobtes Land») als Greta
Ludwig Trepte («Ihr könnt euch niemals sicher sein») als Viktor Goldstein
Miriam Stein («Neue Vahr Süd») als Charlotte
Henriette Richter-Röhl («Wilde Wellen») als Hildegard
Götz Schubert («KDD – Kriminaldauerdienst») als Dr. Jahn

Kritik


Die Vergangenheitsbewältigung hielt in dieser Saison schon massiv Einzug in die öffentlich-rechtliche Fiction. Allein in den letzten Wochen haben bereits «Die Holzbaronin» und «Nacht über Berlin», beides Projekte mit massiver Überlänge, ihren Weg durch die Nazi-Zeit geschlagen; teils mehr, teils weniger ansprechend.

Ab dem 17. März geht es beim ZDF nun um «Unsere Mütter, unsere Väter». Im Klartext: um die Verbrecher, die Mitläufer, die Günstlinge und die Opfer des Nazi-Regimes. Mit insgesamt viereinhalb Stunden fällt die Laufzeit wieder einmal sehr üppig aus. Das Produktionsbudget mit seinen fast vierzehn Millionen Euro ebenso.

Beides hat Spuren hinterlassen, im positiven wie im negativen Sinne. Der vergleichsweise locker sitzende Geldbeutel sorgt für eine oft atemberaubende Ästhetik, die sich vor größeren deutschen Kinoproduktionen wahrlich nicht zu verstecken braucht, und erlaubt in ihrem szenischen Aufbau beachtliche Sequenzen. Das fällt natürlich vor allem bei all den Schlachten und Bombardierungen auf, die Regisseur Philipp Kadelbach hier versiert wie opulent in Szene setzen darf und vor allem in diesen Passagen beeindruckende, schockierende und erschütternde Momente schafft.

Es ist beachtlich, mit welcher (für deutsche Verhältnisse) erstaunlichen Kompromisslosigkeit man hier all den Schrecken des zweiten Weltkriegs inszeniert hat. Wenn einer zehnjährigen Jüdin in den Kopf geschossen wird, sieht die Kamera nicht weg, zeigt die geballte Entsetzlichkeit, ohne in den Voyeurismus des Brutalen zu verfallen. Der Schrecken ist nicht tarantinoesk überinszeniert, sondern in seiner brutalen Realität entsetzlich nahegehend – und somit um einiges verstörender. Das muss man sich in der Prime-Time erst einmal trauen.

Die üppigen viereinhalb Stunden Laufzeit lassen den Dreiteiler jedoch nicht ohne so manche Längen auskommen. Natürlich macht Kadelbachs beeindruckende Regierarbeit hier einiges wett; doch all die manchmal doch recht melodramatischen Momente in den Teilen Zwei und Drei reißen einen nicht selten aus der bedrückenden Atmosphäre, die Kadelbach ansonsten schafft, und beeinträchtigen die Relevanz der Produktion, weil es dadurch manchmal auch an der nötigen Glaubwürdigkeit fehlt. Angesichts der ansonsten durchaus vorhandenen Raffinesse von Stefan Kolditz' Drehbuch eher ein Schönheitsfehler als ein Schritt zum Totalausfall, aber doch eine unangenehme Verwässerung, ohne die das Konzept bestimmt noch besser funktioniert hätte.

Leider stellt sich jedoch schon angesichts der grundlegenden Prämisse eine Problemstellung, die wohl unmöglich zu lösen ist. Denn in der Figur der Krankenschwester Charlotte, die an die Front will, um ihrem Vaterland zu dienen, soll eine positiv besetzte Figur aufgebaut werden, die im Verlauf der Handlung eine Jüdin an die SS verrät. Prinzipiell ist es dasselbe Problem, an dem auch «Der Vorleser» letztlich gescheitert ist: Denn wie soll man zu einer derartigen Figur Sympathien aufbauen?

Vollumfänglich kann dagegen nahezu der gesamte Cast überzeugen, angefangen mit den außerordentlich versierten Hauptdarstellern Volker Bruch und Tom Schilling bis hin zu Götz Schubert in einer authentisch gezeichneten Nebenrolle. Henriette Richter-Röhls Gehversuche im ernsthaften Genre lassen angesichts ihrer hier gezeigten Leistung durchaus Hoffnung auf ihre zukünftige Karriere aufkommen.

Teil 1 von «Unsere Mütter,unsere Väter» ist am 17.März zu sehen, Teil 2 zeigt das ZDF am 18.März und Teil 3 am 20. März jeweils um 20.15 Uhr.
16.03.2013 12:44 Uhr Kurz-URL: qmde.de/62649
Julian Miller  •  Quelle: Inhalt: ZDF

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