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Die Kritiker: «Tatort: Zwischen den Fronten»

Julian Miller sah einen sehr guten «Tatort» aus Österreich vorab.

Inhalt


Höchste Alarmstufe rund um das Wiener Palais Liechtenstein bei der internationalen Konferenz der Vereinten Nationen. Doch selbst diese strengen Vorsichtsmassnahmen können das Attentat bei der Ankunft von Marcus Sherman nicht verhindern, als der amerikanische Konferenzleiter mit seinen Security-Leuten in einer schwarzen Limousine vorfährt. Die Bombe war im Wagen des Österreichers irakischer Herkunft Kásim Bagdadi versteckt, der hier als Vertreter der Internet-Community „Comet" vor zahlreichen Diplomaten und Staatschefs aus der ganzen Welt sprechen sollte. Während Marcus Sherman unverletzt blieb, werden Kásim Bagdadi und ein Polizist durch die gewaltige Explosion in den Tod gerissen.

Erste Anzeichen deuten auf einen Selbstmordanschlag mit einem islamistischen Hintergrund, als Moritz Eisner und seine Assistentin Bibi Fellner vom Bundeskriminalamt die Ermittlungen aufnehmen. Allerdings müssen sich beide bei diesem großes Aufsehen erregenden Fall in einer gemeinsamen „Task Force" dem ebenfalls eingeschalteten Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) unterordnen.

Das lässt die Chefin dieser kleinen Spezialeinheit Major Melanie Warig den Chefinspektor auch schnell und unmissverständlich spüren, was Moritz Eisner wütend macht. So entbrennt vom ersten Augenblick an eine starke Rivalität, die von Eisners Chef Ernst Rauter intensiv befeuert wird. Weil er eine erhebliche Abneigung gegen seinen Amtsleiter-Kollegen Mag. Fred Michalski vom BVT und dessen hochtrabenden Ambitionen hat.

War Kásim Bagdadi ein Terrorist, der diesen Anschlag als Einzelgänger und von allen unbemerkt vorbereitet hatte? Oder wurde er von einer Organisation unterstützt? Seine Mutter Nawal Bagdadi, die als Ressortleiterin bei der UNO arbeitet, weist diesen Verdacht empört zurück. Und auch Eisners Tochter Claudia, die Kásim persönlich kannte, beschwört ihren Vater: „Der war nie im Leben ein Terrorist." Allerdings traut ihm sein enger Jugendfreund Martin Ledic, der Elektrotechnik gelernt hat und die TU besucht, diesen Anschlag durchaus zu. Als der Student jedoch einige Tage später erhängt aufgefunden wird, ist für Fred Michalski der Fall gelöst. Es waren zwei Einzeltäter, wobei der eine die Tat ausgeführt und der andere sich danach umgebracht hat, weil er mit dieser Schuld nicht weiterleben konnte. Aber Moritz Eisner, der herausgefunden hat, dass sowohl Kásim Bagdadi als auch Martin Ledic in Marcus Shermans Tochter Mary verliebt waren, fragt sich, ob nicht vielleicht ein ganz privates Motiv wie Eifersucht mit im Spiel war.

Das Geschehen wird immer mysteriöser, als schließlich auch noch Bibis alter Bekannter aus ihrer Zeit bei der Sitte Oberst Sebastian „Basti" Moslechner vom Abwehramt in die Untersuchungen verwickelt wird und einige Verbindungen zu einem nach Eisners Meinung rechtsradikalen Geheimbund führen. Zudem hat Moritz Eisner den Verdacht, dass nicht alle mit offenen Karten spielen und er sogar abgehört wird. Als Fred Michalski entscheidet die Akte zu schließen, wollen das Moritz Eisner und Bibi Fellner verhindern. Denn sie haben von dem Gerichtsmediziner Gerhard Braun erfahren, dass Martin Ledic keineswegs freiwillig aus dem Leben geschieden ist, sondern ermordet wurde. Ein versteckter Hinweis von Major Melanie Warig führt sie auf eine heiße Spur. Und direkt in eine Schattenwelt, wo einflussreiche Hintermänner ganz massiv und rücksichtslos versuchen, politischen Einfluss zu gewinnen.

Darsteller


Harald Krassnitzer («Der Winzerkönig») als Moritz Eisner
Adele Neuhauser («Wo ist Fred?») als Bibi Fellner
Stefanie Dvorak («Dorfers Donnerstalk») als Major Julia Wiesner
Peter Gilbert Cotton («Upstairs») als Marcus Sherman
Geneviève Boehmer als Mary Sherman
Susanne Wuest («Carlos – Der Schakal») als Major Melanie Warig
Alfred Dorfer («Dorfers Donnerstalk») als Fred Michalski

Kritik
An Österreich haben sich schon viele die Zähne ausgebissen. Thomas Bernhard. Elfriede Jelinek. Peter Handke. Die mangelhafte Aufarbeitung der Nazi-Zeit sowie Traditionsverbundenheit und Wertkonservativismus als alles durchdringende Ideologie – zwei Phrasen, hinter denen sich, wie in „Zwischen den Fronten“ (Regie: Harald Sicheritz), oft rechtsextremes Gedankengut mit dem vollen Programm aus Rassismus, Antisemitismus und Ausländerhass verbergen.

Es ist wahrlich kein einfaches Thema, dessen sich die Autorin Verena Kurth, die zusammen mit Najem Wali die Idee für das Drehbuch hatte, hier angenommen hat. Selbstmordanschläge, die alte Debatte um Überwachung versus Sicherheit im bösen, bösen Internet und dann noch österreichische Sozialkritik. Ein Unterfangen, das aufgrund seiner Vielzahl an Betrachtungsweisen und der Schwierigkeit, all diese Elemente sinnvoll in einen Kontext zu verweben, selten gelingt.

Hier hat es funktioniert: Sicherlich primär deswegen, weil man trotz all dem Klamauk die Ernsthaftigkeit bewahrt hat, weil die Figuren intellektuell gut genug ausgestattet sind, um den Umfang ihres Handelns abzusehen, weil man die abstrakten Themen durch stimmige Spannungsbögen sinnvoll in einen dynamischen Plot transportieren konnte.

All der derbe Wienerische Humor stört da nicht – im Gegenteil: Er macht die Geschichte authentischer, die Handlungsstränge glaubhafter, da er nett geschriebene und kitsch- wie melodramfreie Situationen liefert, um die Relevanz der handelnden Personen als Faktor in derart staatstragenden Fällen aufzuzeigen.

Am Schluss waren die Attentäter, natürlich entgegen der ersten Vermutung der Ermittler, keine islamistischen Terroristen oder Netzaktivisten, die für die Aufrechterhaltung freiheitlich-demokratischer Werte in einem Staat wie Österreich protestieren, war der Anschlag nicht die Tat eines eifersüchtigen Liebhabers. Am Schluss stellen sich die Hintermänner als ein Klüngel von rassistischen Austrofaschisten heraus, die ihre Vision eines Überwachungsstaates verwirklicht sehen wollen. Und ihre Ideologie als „traditionsverbunden und wertkonservativ“ beschreiben. Es sind Hintermänner, an die Eisner und Fellner nicht rankommen. Forget it, Bibi, it's Vienna-town.

Das Erste strahlt «Tatort: Zwischen den Fronten» am Sonntag, den 17. Februar 2013, um 20.15 Uhr aus.
16.02.2013 09:27 Uhr Kurz-URL: qmde.de/62116
Julian Miller

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