Von Adele bis Zimmer, von Oscar-Favoriten zu Geheimtipps: Das Kinojahr 2012 war ein reinster Ohrenschmaus. Wir haben, mit argem Kopfzerbrechen, aus den vielen musikalischen Kino-Höhepunkten die zehn stärksten Soundtracks ausgesucht.
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2012 war ein prächtiges Jahr für Filmfans, die nicht nur auf Story und sattes Sehvergnügen, sondern auch auf gelungene Melodien achten. Hans Zimmer konzentrierte sich auf ein Herzensprojekt, Kritikerfavorit Alexandre Desplat war mit äußerst unterschiedlichen Filmen schwer beschäftigt und während in der ersten Jahreshälfte dank Michael Giacchino und Alan Silvestri das kraftvolle, klassische Filmorchester wieder an Bedeutung gewann, bot die zweite Hälfte des deutschen Kinojahres Liebhabern der minimalistischen Kinokompositionen mehrere Highlights. 2012 aus der Masse an preisverdächtigen und zu unrecht übersehenen Soundtracks nur zehn Favoriten auszuwählen war keine leicht Aufgabe, selbst eine Top 15 wäre nur bedingt repräsentativ. Aber mit den folgenden zehn Alben dürfte jeder Freund der gepflegten Filmmusik sehr gut beraten sein – von heiteren Liedern über elektrischem 80er-Ambiente hin zu famosen Blockbusterhymnen: Dies sind die Highlights des musikalischen Kinojahres 2012!
«Die Muppets» (Various Artists)
Obwohl die seit 1955 das Fernsehen, die Kinowelt und den Musikmarkt unsicher machenden Muppets seit jeher auch für ihre Musikalität berühmt sind, erhielten sie in ihrer gesamten Schaffenszeit nicht einen einzigen Academy Award für den besten Song. Dies änderte sich erst im Februar 2012, als sich die von Bret McKenzie («Flight of the Conchords») geschriebene Powerballade „Man or Muppet“ gegen den Titelsong der Animationskomödie «Rio» durchsetzte. Neben der ebenso augenzwinkernden wie rührenden Nummer, in der sich ein Muppet-Fan und ein einsamer Muppet fragen, wer sie tief in ihrem Herzen wirklich sind, überzeugt der Soundtrack zum Kino-Comeback der filzigen Chaotenbande noch mit vielen weiteren schmissigen Liedern. Darunter befinden sich das an frohgemute Musicals der 50er erinnernde „Life's a Happy Song“ (das seine Glückseligkeit mit trockenem Wortwitz würzt), eine gegackerte Coverversion von Cee Lo Greens „Fuck You“ sowie die Barbershop-Quartett-Antwort auf „Smells Like Teen Spirit“. Ein Musikmix, so vielfältig und durchgeknallt wie die Muppet-Bande selbst.
Anspieltipps: „The Muppet Show Theme“, „Life's a Happy Song“, „Pictures in My Head“, „Me Party“, „Man or Muppet“, „Forget You“, „Mahna Mahna“
«The Artist» (Ludovic Bource)
Kein anderer der in dieser Hitliste repräsentierten Filme lebt so sehr von seiner Filmmusik wie der Oscar-Abräumer «The Artist». Michel Hazanavicius' engagierte, unterhaltsame und clevere Stummfilmhommage erweckt den Charme der frühen Kinoära, imitiert jedoch nicht einfach deren größten Kinomagier, sondern konstruiert liebevoll eine genüsslich melodramatische Handlung über die Liebe zwischen zwei Künstlern zueinander und zu ihrem Medium, wie sie zur Stummfilmzeit niemand hätte spinnen können. Komponist Ludovic Bource fängt den Geist großer Stummfilm-Begleitmusiken ein, mit ihren verflucht eingängigen Melodien und tänzelnder Leichtgängigkeit, respektiert aber auch moderne Hörgewohnheiten und haut nicht derart theatral in die Tasten. Hinzu kommt, dass er die emotionale Vielschichtigkeit des Films kunstvoll und spaßig mit seinen einfachen Leitthemen vereint und ohne große Umwege von reinster Freude zu verlorener Melancholie findet – und wieder zurück. Und es sind insbesondere die Schwenks zurück zur Leichtigkeit, die den «The Artist»-Soundtrack zu den besten des Jahres macht – hört man das frohe Titelthema, sieht man den Stummfilmstar George Valentin vor seinem inneren Auge, wie er mit seinem treuen Hunde-Co-Star rumtollt. Wenn eine Filmmusik den Zuhörer genüsslich an den Filmhelden denken lässt, weiß man, dass sie das Zeug zum Klassiker hat.
Anspieltipps: „The Artist Ouverture“, „1927 A Russian Affair“, „George Valentin“, „Fantaisie D'amour“, „Silent Rumble“, „Comme Une Rosée De Larmes“, „L'ombre Des Flammes“, „Charming Blackmail“, „Peppy and George“
«Drive» (Various Artists
Tagsüber Stuntfahrer, nachts Fluchtwagenfahrer, eines Tages ein Held, der sich zum Schutz einer Familie gegen unerbittliche Verbrecher stellt: Die wortkarge Hauptfigur aus «Drive» könnte genauso gut in einem mit Explosionen vollgestopften «Transporter»-Abklatsch auftauchen. Und fast soll es auch dazu gekommen sein – aber nachdem sich Hauptdarsteller Ryan Gosling einen Regisseur seiner Wahl aussuchen durfte, nahm diese Romanadaption ihren kunstvollen, außergewöhnlichen Weg. Der dänische Filmnarr Nicolas Winding Refn, der als Zuschauer der populären Filmunterhaltung ebenso viel abgewinnen kann wie der hohen Filmkunst, formierte die B-Actionfilmstory zu einem Arthouse-Kracher, der die Aufmachung eines 80er-Exploitationfilms und die Seele eines Neo-Noir-Heldendramas atmet. Die dichte Atmosphäre des Films wäre ohne die nachdenklichn Synthie-Songs und Cliff Martinez' frei schwebenden Elektroscore undenkbar. Filminhalt und die visuelle wie akustische Komponente verschmelzen bei «Drive» zu einer unschlagbaren Einheit und so verwundert es kaum, dass sich der Soundtrack zum Film spitzenmäßig verkaufte. Ganz so wie in den 80ern, als Filmmusik noch von Künstlern zusammengestellt wurde und die Penunzenzähler in der Branche mit stolzen Verkaufszahlen glücklich machte.
Anspieltipps: „Nightcall“, „Under Your Spell“, „A Real Hero“, „Tick of the Clock“, „Kick Your Teeth“, „Where's the Deluxe Version?“, „Hammer“, „Skull Crushing“, „On the Beach“
«John Carter» (Michael Giacchino)
Michael Giacchino ist mittlerweile Stammgast auf alljährlichen Soundtrack-Hitlisten. Während Hans Zimmer derzeit wild experimentiert und andere Actionfilm-Komponisten weiterhin dem 90er-Stil Zimmers nacheifern und intensiv auf Elektriksound setzen, ist Giacchino einer der letzten Vertreter des klassischen, riesigen Orchesters mit altmodisch-schwelgerischem Klang. Mit seiner melodiösen, komplex arrangierten Arbeit an Andrew Stantons Sci-Fi-Flop hat Giacchino seinen bislang umfassendsten Score erschaffen – exotisch-romantisch lassen Violinen von fremden Welten träumen, während Holzbläser und Xylophone Mystik erzeugen und intensive Percussionarbeit das Blut zum Kochen bringt. Giacchino erweckt in Actionmomenten Erinnerungen an den frühen John Williams (zwischenzeitlich kommt besseres «Star Wars»-Feeling auf, als es die Prequels abseits der Ur-Themen und Darth Maul je vermochten), während ruhigere Stellen den Geist von Jerry Goldsmith («Planet der Affen») und Maurice Jarre atmen – angemessen, bedenkt man, dass Regisseur Andrew Stanton sich an Epen im Stile von «Lawrence von Arabien» orientierte. Giacchinos vorantreibende, doch verletzliche Instrumentalmusik lässt bei alldem nie die eigene Handschrift des «Lost»-Komponisten vermissen und ist wohl der zutreffende Grund, weshalb man den finanziellen Absturz von «John Carter» bedauern sollte. Hätte Stantons Realfilmdebüt bombastisch eingeschlagen, würde Giacchinos Musik zu einem modernen Scoreklassiker aufsteigen und um den Oscar buhlen, ehe sie in wenigen Jahren in einer Fortsetzung weitergesponnen wird. Stattdessen zeigt Disney kaum Bemühungen, die Academy-Mitglieder an «John Carter» zu erinnern, und die Klänge Barsooms werden allein vereinzelten Filmmusikliebhabern im Bewusstsein bleiben. Ein trauriger Gedanke.
Anspieltipps: „A Thern for the Worse“, „Thark Side of Barsoom“, „The Temple of Issus“, „A Change of Heart“, „The Prize Is Barsoom“, „Not Quite Finished“, „Ten Bitter Years“, „John Carter of Mars“
«Moonrise Kingdom» (Various Artists)
Cineasten-Favorit Wes Anderson feierte mit «Moonrise Kingdom», der quirlig-intelligenten Geschichte einer ungewöhnlichen Sommer-Jugendliebe, nicht nur einen immensen Kritikererfolg, sondern auch seinen größten Publikumshit. Der schwer zu widerstehende Charme von «Moonrise Kingdom» ist zu einem immensen Teil auch der die Stimmung prägenden Musikauswahl zu verdanken. Die wichtigsten akustischen Zutaten von Andersons magischem Kinowerk stellen die Kompositionen des unterschätzten Benjamin Britten dar, einem Klassikkomponisten des 20. Jahrhunderts, der sich darauf spezialisierte, Kinder in die Welt der Klassik einzuführen. Seine Werke sind klanglich vielschichtiger sowie emotional komplexer als übliche „Kindermusik“, sind in ihrem sachte steigerndem Aufbau und ihrer verspielt-schlichten Melodieführung aber zugänglicher als viele Arbeiten der „wuchtigeren“ und bekannteren Klassikgrößen. Filmkomponist Alexandre Desplat liefert mit seiner Suite den zweitwichtigsten akustischen Beitrag zum atmosphärischen Kleid von «Moonrise Kingdom»: Er adaptiert Brittens Stil und zaubert auf dessen Grundlage ein hypnotisches Stück mit einer eingängigen Grundmelodie, die durch schlichtes Umarrangement von einem abenteuerlichen Klang zu bedrohlicher Intensität und hin zu triumphaler Quirligkeit wechselt. Diverse Country- und Chanson-Kleinjuwelen runden diesen formidablen Soundtrack ab und machen ihn zum besten in Wes Andersons bisherigem Schaffen – bedenkt man, dass Anderson direkt nach Tarantino wohl der fähigste US-Regisseur in Sachen Jukebox-Soundtracks ist, darf dies als außerordentliches Kompliment gewertet werden.
Anspieltipps: „The Young Person's Guide to the Orchestra, Op. 34: Themes A - F“, „Playful Pizzicato“, „The Heroic Weather-Conditions of the Universe“ (Part 1 – 7), „Le Temps de l'Amour“, „The Young Person's Guide to the Orchestra, Op. 34 Fugue: Allegro Motto“
Welche weiteren Filme haben 2012 akustisch für Begeisterung gesorgt? Erfahren Sie es auf der nächsten Seite!