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Die Kritiker: «Deckname Luna»

Montag und Donnerstag strahlt das ZDF einen Mammutfilm über die DDR aus.

Inhalt


Als im August 1961 die Mauer gebaut wird, die Deutschland für die nächsten Jahrzehnte teilen wird, ist Lotte Reinhardt Anfang 20. Noch glaubt sie an den jungen DDR-Staat. Sie arbeitet als Schweißerin in einer Werft in Rostock, aber ihre Zukunft sieht sie ganz woanders. Das Weltall zieht sie magisch an, der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin ist ihr Held. Lotte träumt davon, in das Raumfahrtprogramm der UdSSR aufgenommen zu werden und selbst ins All zu fliegen. Um dieses Ziel zu erreichen, lässt sie, sehr zum Unmut ihrer Mutter, eine vormilitärische Ausbildung über sich ergehen: Mit immer waghalsigeren Fallschirmsprüngen springt sie ihrer Karriere als Kosmonautin entgegen.

Ihr Freund Holger teilt diese Leidenschaft nur halbherzig. Er will Sicherheit, heiraten, eine eigene Wohnung. Dafür arrangiert er sich auch mal mit "denen da oben". Das ist nichts für Lotte. Der Mauerbau enttäuscht sie zutiefst. Gemeinsam mit ihrem Zwillingsbruder Kurt beginnt sie, Flugblätter zu drucken und zu verteilen. Doch Lottes Enthusiasmus wird schnell gebremst. Ausgerechnet ihr Freund Holger verrät sie. Lotte wird verhaftet und von dem unangenehmen Stasi-Mitarbeiter Schoen verhört.

Lotte ahnt nicht, dass sie für die Stasi längst ein lohnendes Ziel darstellt: Ihr Großvater Prof. Arthur Noswitz, den Lotte eigentlich immer noch in Sibirien vermutet, wo er für die Sowjets forschte, arbeitet nach seiner abenteuerlichen Flucht in den Westen als Wissenschaftler in Augsburg in der "BTT" (Bayerische Triebwerkstechnik), ein Unternehmen, das Raketenantriebstechnik entwickelt. Seit Kennedy zu Beginn der 60er Jahre den Wettlauf zum Mond verkündet hat, ist die Welt verrückt nach allem, was den Weg in den Weltraum eröffnet. Auch die DDR ist an wissenschaftlichen Erkenntnissen in Sachen Raketentechnik interessiert.

Schoens Vorgesetzter Julius Moll hat die Qualitäten von Lotte längst erkannt. Er sieht in ihr eine ideale "Kundschafterin des Friedens", wie die Spione in der Hauptverwaltung Aufklärung genannt werden. Aber Moll ist ein intelligenter und feinsinniger Mensch, der spürt, dass man Lotte zu nichts zwingen kann. Deshalb lässt er Lotte laufen. Er ist sich sicher, dass er sie auf anderem Weg dazu bringen kann, zu tun, was er von ihr will.

Als Lotte, zurück aus der Untersuchungshaft, Holger zur Rede stellen will, kommt es zu einer Auseinandersetzung, in deren Folge Holger tödlich verunglückt. Schoen, der Lotte beobachtet, unterstellt ihr Mord und will sie verhaften.

Doch Lotte kann entkommen. Ihr Bruder Kurt sieht nur einen Weg: Seine Schwester muss das Land verlassen. Auf einem Fischerboot gelingt ihr die abenteuerliche Flucht über die Ostsee in den Westen. Sie reist weiter nach Augsburg, zu ihrer Tante Martha und ihrem Großvater. Im Zug lernt sie Oskar kennen, einen jungen Ingenieur der BTT. Die beiden sind sich auf Anhieb sehr sympathisch. Doch Oskar ist auf dem Sprung in die USA, wo er die Chance hat, am Raumfahrtprogramm der NASA mitzuarbeiten. Und er ist verlobt mit Marianne Offermanns, der Tochter des Direktors der BTT.

Obwohl Lotte ihre Familie, besonders ihren Bruder Kurt, sehr vermisst, fühlt sie sich sicher in Augsburg und lebt sich schnell ein. Bis eines Tages ein bekanntes Gesicht im Friseur-Salon ihrer Tante auftaucht: Julius Moll. So einfach entkommt Lotte der Stasi nicht. Kurt wurde wegen Fluchthilfe festgenommen, aber Lotte könnte ihm helfen. Moll schlägt ihr einen Deal vor: Wenn Lotte ihm Informationen über die Forschung ihres Großvaters bringt, dann kann er etwas für Kurt tun. Lotte ahnt: Wenn sie ausschlägt, wird Kurt dafür büßen. Sie ist nicht so aufgeschlossen, wie Moll sich das wünscht, aber sie willigt schließlich ein.

Doch als Moll, zurück in Rostock, entdeckt, dass die echte Lotte Reinhardt schon seit 21 Jahren tot ist und er nicht die leiseste Ahnung hat, mit wem er es wirklich zu tun hat, ist seine Geduld mit ihr am Ende.

Darsteller


Anna Maria Mühe («Geliebter Johann Geliebte Anna») als Lotte Reinhardt
Götz George («Schtonk») als Prof. Arthur Noswitz
Heino Ferch («Vincent will Meer») als Julius Moll
Andreas Schmidt («Die Fälscher») als Schoen
Maxim Mehmet («Tatort – Leipzig») als Dr. Oskar Hermann
Peter Lerchbaumer («Die Braut im Schnee») als Dr. Offermanns
Kirsten Block («Der Vorleser») als Elisabeth Reinhardt

Kritik


Wenige Wochen nach dem «Turm» steht uns bereits der nächste öffentlich-rechtliche DDR-Zweiteiler ins Haus. «Deckname Luna» ist konzeptuell jedoch anders angelegt – irgendwo zwischen Melodram, Vergangenheitsbewältigung und dem Versuch eines Agententhrillers. Und während «Der Turm» zumindest in der zweiten Hälfte durch sehr fragile Charakterzeichnungen und erschütternde Wendungen punkten konnte, ziehen sich die dramaturgischen und strukturellen Mängel von «Deckname Luna» leider durch die ganzen vier Stunden – eine ohnehin sehr opulente Laufzeit.

Da ist es nicht allzu verwunderlich, dass es zu einigen Längen gekommen ist. Der Weg, diese zu vermeiden, wäre ein einfacher gewesen und hätte zudem eines der größten Probleme gelöst: nämlich die in derartigen Filmen mittlerweile wohl geradezu zur Pflicht gewordene Dreiecksbeziehung zu streichen. Eine kleine Variation dieses Musters bietet «Deckname Luna» dadurch, dass nicht die Hauptprotagonistin zwischen zwei Männern steht, sondern ihr Liebhaber zur Zeit der ersten Anbandelungen noch anderweitig liiert ist. Und da er sich dann recht schnell (und off-screen) von seiner Noch-Verlobten trennt, haben die Drehbuchautoren Christian Jeltsch und Monika Peetz auch einiges an dramaturgischer Schadensbegrenzung betrieben. Doch die Liebelei-Storyline verwässert leider vor allem im zweiten Teil zu sehr die Handlung und lenkt vom Wesentlichen ab, wenn es strukturell und atmosphärisch eigentlich immer mehr in Richtung Spionagethriller geht. Zwar wurde sichtlich der Versuch unternommen, den Konflikt um Betrug und Hintergangenwerden und das große Ganze des historischen Hintergrunds durch diese Storyline auf eine für die Charaktere persönlich relevante Ebene herunterzubrechen, doch das geschieht letztlich zu zaghaft und stellenweise viel zu melodramatisch, um diesen Effekt wirklich in seiner Gänze auf einem einigermaßen hohen intellektuellen Niveau erzielen zu können.

Hinzu kommt, dass trotz der Mammutlaufzeit des Zweiteilers die Charakterentwicklung manchmal etwas holprig verläuft und eine detailreichere Erzählweise diese vielleicht glaubwürdiger gemacht hätte: Zu Beginn lebt Lotte noch in einer völlig naiven Verblendung, ist unfähig zur Reflexion und sieht in der DDR eine Chance, obwohl sie von den abartigen Praktiken des Staates bereits weiß. Recht schnell wandelt sie sich dann aber zu einer politischen Aktivistin gegen den Mauerbau, wodurch sie, auch weil sie sich dabei nicht sonderlich intelligent anstellt, ins Visier der Stasi gerät. Dann lässt sie sich dreieinhalb Stunden Erzählzeit (Im Film sind das mehrere Jahre) von den Schergen des Unrechtsstaates martern. Jeltsch und Peetz sind bemüht, ihr immer wieder neue Handlungsmotive zu geben und legen dabei auch recht viel dramaturgisches Geschick an den Tag. Zum großen dramaturgischen Problem werden jedoch zusehends das ständige Wanken zwischen den Untersuchungsfeldern und die Konventionen des Agententhrillers, bei dem es aufgrund der Handlungsvordergründigkeit, wie sie das Genre verlangt, schwerer fällt, tiefer gehende Figurenbetrachtungen anzustellen als etwa im Drama. Das kann gelingen, geht aber auch häufig schief. Hier funktioniert es allenfalls in Ansätzen.

All das will nicht heißen, dass «Deckname Luna» (Regie: Ute Wieland) nicht auch seine gelungenen Seiten hat. Einige Szenen, etwa das Wiedersehen von Lotte mit ihrem Bruder, der in einer halb verfallenen DDR-Knastzelle sein Leben fristen muss, zu Beginn des zweiten Teils haben durchaus sehr viel emotionale Wucht. Doch es gibt zu wenige dieser Szenen, da der Fokus immer wieder auf das Banale rutscht, auf allerhand Liebeleien, um noch die Melodramzielgruppe mitzunehmen.

Und letztlich ist auch die Hauptfigur zu mädchenhaft gezeichnet. Man mag anführen, dass hier eine Entwicklung gezeigt werden sollte, von der grundsätzlichen DDR-Befürworterin zur Verfolgten. Doch diese Wandlung hat zu wenig Einfluss auf Lottes Persönlichkeit, denn ihr fehlt es auch in späteren Szenen noch deutlich an Toughness, die man eigentlich bei einer Person erwartet, die den Kommunisten jahrelang streng geheime Daten zusteckt, weswegen der Bundesnachrichtendienst hinter ihr her ist. Die Stasi-Schergen bleiben ihr immer mehrere Schritte voraus.

Mühe verschlimmert dieses Problem leider noch, ist es schließlich das Mädchenhafte, das Naive, das Verblendete, das sie an ihrer Figur betont – alles Andere wäre dem Duktus des Drehbuchs jedoch auch zuwider gelaufen. Dennoch macht sich der Top-Cast mit erstklassigen Darstellern wie Götz George und Heino Ferch, die beide sehr beeindruckend spielen, bezahlt. Doch die dramaturgischen Fallen, in die man getappt ist, und die zu triviale Ausrichtung des Gesamtkonzepts lassen es nicht mehr zu, dass man der historischen und psychologischen Tragweite des Stoffes noch gerecht werden könnte.

Das ZDF strahlt «Deckname Luna» am Montag, den 5. November 2012, um 20.15 Uhr aus. Am Donnerstag ist der zweite Teil zu sehen.
04.11.2012 10:15 Uhr Kurz-URL: qmde.de/60138
Julian Miller

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Deckname Luna

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