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Der Sitcomfriedhof: Niemand liebt Erika

Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 212: Die Kopie der legendären US-Sitcom «I Love Lucy», die das Original total verstümmelte.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir einer weiteren kurzlebigen deutschen Sitcom.

«Vier wie wir» wurde am 27. April 1997 im ZDF geboren und entstand zu einer Zeit, als viele Fernsehmacher bestrebt waren, das in den USA erfolgreiche Genre der Sitcoms in Deutschland zu etablieren. So versuchte sich der Sender RTL mit seinen Produktionen «Hilfe, meine Familie spinnt», «Ein Job fürs Leben» und «Corinna» an Kopien der populären US-Serien «Eine schrecklich nette Familie», «Wer ist hier der Boss?» und «Maude». Parallel war das ZDF ebenso bemüht, solche Sendungen zu entwickeln und wagte sich mit «Bistro, Bistro» im Januar 1993 an eine deutsche Adaption der Kult-Reihe «Cheers». Doch obwohl alle diese Formate entweder inhaltlich und/oder quotenmäßig nicht überzeugen konnten, gab das ZDF einen weiteren Remake-Versuch in Auftrag.

Während, abgesehen von «Corinna», bisher hauptsächlich aktuelle Vorlagen zu Grunde gelegt wurden, wählte das ZDF nun mit «I Love Lucy» jene legendäre Serie, die das Genre überhaupt erst begründet hatte. Das Original gilt nämlich als erste fiktive Comedy-Produktion, bei der die Handlung auf einer theaterhaften Bühne mit mehreren Kameras vor einem Livepublikum aufgenommen wurde. Sie lief erstmals am 15. Oktober 1951 im amerikanischen Fernsehen, brachte es in sechs Staffeln auf 181 Folgen, thematisierte darin mehrere damalige gesellschaftliche Tabus und wurde derart beliebt, dass sie unzählige Nachahmer, Parodien sowie Tributes nach sich zog. Noch heute wird sie regelmäßig in den USA wiederholt.

Das ZDF versuchte daher, enorme Fußstapfen auszufüllen, die zugleich jedoch aufgrund ihrer Wurzeln in den 50er Jahren auch größtenteils überholt waren. Erschwerend kam hinzu, dass der Erfolg der Vorlage hauptsächlich auf das komische Talent der Hauptdarstellerin Lucille Ball zurückzuführen war, für die sich keine Entsprechung finden ließ. Wohl auch deswegen wurde der Schwerpunkt für die Kopie stark verlagert. Während nämlich die US-Version immer wieder von Lucy’s missglückten Versuchen im Showgeschäft Fuß zu fassen handelte, spielte dieser Aspekt in der Kopie keine Rolle. Stattdessen konzentrierten sich die Macher der ZDF-Variante viel stärker auf das Verhältnis der Hauptperson und ihres Ehemannes zu ihren Nachbarn. Diese tauchten auch im Original schon auf, hatten dort aber keine derart zentrale Bedeutung. Die deutsche Hauptfigur Erika Steinmetz orientierte sich außerdem sehr viel stärker an der eigentlichen Nebenrolle der Nachbarin Ethel Mertz, was allerdings insofern unschädlich war, als dass die Ursprungsserie «I Love Lucy» trotz seiner Erfolgsgeschichte niemals im heimischen Fernsehen zu sehen war.

Das Remake handelte nun vom älteren Ehepaar Steinmetz, das sich ein Doppelhaus mit der jungen Familie Merkelbach teilte. Obwohl die beiden Paare viele Gemeinsamkeiten hatten, gerieten sie immer wieder an einander und stritten sich, was nicht zuletzt auch daran lag, dass sich die Ehepartner in einigen Eigenschaften über Kreuz ergänzten. Letztlich blieb von der frechen und wegweisenden Vorlage damit kaum etwas übrig, denn es entstand eine eher spießig angehauchte Serie über bedeutungslose Nachbarschaftsstreitigkeiten. Entsprechend konnten auch die Drehbücher nicht übernommen werden und es galt eigene Geschichten zu erfinden. Dennoch wurde auch in die deutsche Kopie eine Schwangerschaft der Hauptfigur eingebaut, wie dies auch im Original nötig wurde, als Schauspielerin Lucille Ball tatsächlich ein Baby erwartete.

Als Darsteller wählte man mit Wolf-Dietrich Berg (Fred Steinmetz), Myriam Stark (Sonja Merkelbach) und Joachim Nimtz (Robert Merkelbach) Gesichter, die vielen Zuschauern bereits aus erfolgreichen Programmen wie «Verbotene Liebe», «Praxis Bülowbogen», «Tatort» und «Polizeiruf 110» bekannt waren. Dabei verfügte Wolf-Dietrich Berg durch sein ehemaliges Engagement bei «Corinna» bereits über umfangreiche Sitcom-Erfahrungen. Mit Barbara Schöne als Hauptfigur Erika Steinmetz gewann man zudem eine populäre Filmschauspielerin, die vor allem in den 70er und 80er Jahren in unzähligen Produktionen zu sehen war und außerdem als Assistentin von Harald Juhnke in der ZDF-Sendung «Musik ist Trumpf» berühmt wurde.

Doch der hochkarätigen Besetzung wollte es nicht gelingen, gegen das allzu bemühte Grundkonzept anzuspielen, sodass das Ergebnis auch in der Presse auf eine verhaltene Resonanz stieß. Der Journalist Björn Wirth sprach in der Berliner Zeitung damals beispielsweise von einer „dürftigen Konstellation“ und „variabler Langeweile“. Davon unbeirrt programmierte das ZDF die fertiggestellten Episoden auf seinem traditionellen Comedysendeplatz am Sonntagabend gegen 22.00 Uhr. Dort liefen zuvor schon die Produktionen «Salto Postale» und «Lukas» sehr erfolgreich. Dem prominenten Ausstrahlungszeitpunkt war es dann wahrscheinlich auch geschuldet, dass die Serie bei ihrer Premiere dennoch 4,64 Millionen Zuschauer anlocken konnte. Auch die übrigen 25-minütigen Folgen konnten Reichweiten um vier Millionen erzielen. Eine Fortsetzung war dem Format dennoch nicht vergönnt, sodass es nach einer Staffel wieder verschwand.

«Vier wie wir» wurde im Juli 1997 beerdigt und erreichte ein Alter von 13 Folgen. Die Serie hinterließ die Hauptdarstellerin Barbara Schöne, die anschließend viele Gastrollen in Reihen wie «Das Traumschiff», «Rosenheim Cops», «Großstadtrevier» und «In aller Freundschaft» übernahm. Außerdem trat sie regelmäßig als Cordulas Mutter in der Impro-Show «Schillerstraße» auf. Wolf-Dietrich Berg spielte in den späteren Folgen von «Hausmeister Krause – Ordnung muss sein» den Präsidenten des Dackelclubs und regelmäßig die Figur des Richters Joachim Schubert in «Edel & Starck», bevor er im Jahr 2004 verstarb. Den Sendeplatz von «Vier wie wir» beim ZDF übernahm im Anschluss übrigens direkt die ursprüngliche RTL-Sitcom «Is’ was Trainer», die wiederum eine Kopie der US-Comedy «Coach» war.

Möge die Serie in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann einer deutschen Sitcom für Harald Juhnke.
01.11.2012 10:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/60097
Christian Richter

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