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Der Fernsehfriedhof: Die 100.000-Kinder Show

Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 204: Wie «Junges Glück» die «100.000 Mark Show» mit «Mini Playback Show» und «Traumhochzeit» kombinierte.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir der selbsternannten „Mutter-Vater-Kind“-Show.

«Junges Glück» wurde am 09. März 1997 in Sat.1 geboren und entstand zu einer Zeit als der Sender unter seinem Chef Fred Kogel in einer Krise steckte, denn zuvor enttäuschten nahezu alle Prestige-Projekte wie «Gottschalks Hausparty», «Einer wie keiner», «XXO – Fritz & Co.», «Jetzt sind Sie dran!», «Schwurgericht» und die «German Classics». Einzig die «Harald Schmidt Show» begann sich langsam zu stabilisieren und erfreuliche Zuschauerzahlen zu generieren. Damit galt Kogels teure Programmoffensive als gescheitert und man war auf der Suche nach neuen Programmideen, die keine allzu großen Experimente darstellen sollten.

Weil der Konkurrent RTL mit seinen großen Erfolgen «Die 100.000 Mark Show» und «Die Traumhochzeit» noch immer hohe Quoten erzielte, lag es nahe, eine Sendung zu entwickeln, die an diese Erfolge anknüpfte. Weil zudem Kinder als ein erfolgssicheres Thema in der Unterhaltungsbranche galten, entstand eine Spielshow, die junge Eltern und ihre Kinder in den Mittelpunkt rückte. Auf diese Weise wollte man zudem die Spannung der «100.000 Mark Show» mit der Emotionalität der «Traumhochzeit» kombinieren. Das war nur konsequent, weil für die neue Sat.1-Produktion das Unternehmen Endemol verantwortlich war, das auch beide RTL-Formate herstellte.

Pro Ausgabe spielten jeweils drei Paare mit jungen Kindern gegeneinander. Für sie ging es jedoch nicht um einen teuren Sachpreis oder einen hohen Geldwert, sondern um einen Bausparvertrag für den Nachwuchs im Wert von 100.000 DM. Um diesen zu gewinnen, mussten sie mehrere Spielrunden überstehen und in ihnen Geldbeträge erspielen. So galt es, Prominente anhand ihrer Kinderfotos zu erkennen, den eigenen Nachwuchs in Versteckte-Kamera-Situationen korrekt einzuschätzen, möglichst lang auf rotierenden Stofftieren auszuhalten, von einem riesigen Kreisel aus Sparschweine zu zerschlagen oder einen kindlichen Hindernisparcours zu überstehen. Die Eltern, die in den Vorrunden den höchsten Kontostand erspielen konnten, kamen ins Finale und mussten durch die richtige Beantwortung von Quizfragen jeweils fünf Tresortüren öffnen, um an den Hauptpreis zu gelangen.

Die Themen Kinder und Erziehung standen penetrant über jeder Aktion und wurden damit äußerst überstrapaziert. Sogar die Quizfragen bezogen sich darauf. Dazu kamen hyperaktive Kinder im Vorspann, ein Kinderballett als Begleitung, ein Babynahrungsmittelhersteller als Sponsor und eine übertrieben bunte Kulisse.

Als Moderatorin für die Produktion entschieden sich die Verantwortlichen für Britta von Lojewski. Das war insofern verwunderlich, als dass diese mit ihrer Skandaltalkshow «Nachts!» bundesweit zuvor für Schlagzeilen sorgte. In dieser begrüßte sie in jeder Ausgabe einen Gast, mit dem sie über provokante und reißerische Themen sprach. Nachdem öffentlich ein FDP-Politiker als Bordellkunde geoutet wurde, setzte der verantwortliche Sender RTL die Sendung kurzerhand ab. Die Moderatorin nun für ein Familienprogramm zu verpflichten, war also durchaus mutig. Ein Grund dürfte aber darin gelegen haben, dass sie im Gegensatz zu den früheren prominenteren Verpflichtungen wesentlich preiswerter war. Der FOCUS schätzte ihre Abendgage damals auf 15.000 bis 20.000 DM, während Gottschalk für jede Ausgabe der «Hausparty» rund den fünffachen Wert erhalten haben soll.

Für ihre Bezahlung musste Lojewski allerdings nicht nur durch die Spiele führen, sondern auch mehrfach pro Abend singen. Zunächst begrüßte sie jedes Kandidatenpaar mit einem extra auf sie zugeschnittenen Song, bevor die Moderatorin auch die Sendung mit einem Finallied beendete. Zusammen mit der bunten Kulisse und dem Kinderballett erinnerte dies stark an die «Mini Playback Show», die ebenfalls von Endemol stammte. Im Gegensatz zu Marijke Amado verfügte Lojewski jedoch über keine beeindruckende Gesangsstimme und bewegte sich zudem unrhythmisch zur Musik. Insgesamt wirkte das gesamte Ergebnis daher etwas unbeholfen.

All diese Schwachstellen im Konzept blieben offenbar auch den Zuschauern nicht verborgen, die das Format mit einer beispiellosen Nichtachtung straften. Nur 3,12 Millionen Zuschauer verfolgten den Auftakt am Sonntagabend, der aufgrund einer vorherigen Fußballübertragung erst um 21.15 Uhr ausgestrahlt wurde. Die Kritiker zeigten sich am Tag nach der Premiere ebenso enttäuscht und verrissen die Show als großen „Kindergeburtstag“, der eher ins Kinderfernsehen als ins Abendprogramm gehörte. Daher war es nicht verwunderlich, dass auch die zweite Ausgabe mit 2,16 Millionen Zuschauern nur vernichtende Werte erzeugte. Vor allem in der anvisierten Zielgruppe der 14 bis 49-jährigen Menschen hatte sich der Marktanteil mit 6,1 Prozent mehr als halbiert. Zu diesem Zeitpunkt war längst klar, dass die Produktion keine Zukunft mehr haben würde und Sat.1 setzte die Sendung ab.

«Junges Glück» wurde am 06. April 1997 beerdigt und erreichte ein Alter von zwei Folgen. Die Show hinterließ die Moderatorin Britta von Lojewski, die trotz des Flops nur wenige Monate später mit der VOX-Reihe «Kochduell» einen echten Hit landete, der sich sechseinhalb Jahre im täglichen Vorabendprogramm behaupten konnte.

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der spektakulären Feuerwehr-Action-Serie von RTL.
16.08.2012 09:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/58518
Christian Richter

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