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Olympia bei Eurosport: Nur für echte Fans

Während die Öffentlich-Rechtlichen mit ihrer Olympia-Übertragung das Massenpublikum zu bedienen versuchen, setzt man bei Eurosport vor allem auf die wahren Sportfans. Wirklich umfassend informiert wird man dabei allerdings nicht immer.

Bei insgesamt 302 Entscheidungen in 26 verschiedenen Sportarten allen Zuschauern gerecht zu werden, ist auch für die deutschen Fernsehsender nahezu unmöglich. Zu oft laufen bei den Olympischen Spielen Entscheidungen mit Relevanz parallel, sodass vor allem die Öffentlich-Rechtlichen Livestreams in ihrer Mediathek zur Verfügung stellen. Wenn diese dann jedoch im Hauptprogramm überhaupt keinen Live-Sport zeigen, sondern stattdessen Sportler, Sportpsychologen oder gar Adelsexperten zu Interviews einladen oder zum zehnten Mal an einem Tag dieselben Zusammenfassungen vergangener Entscheidungen senden, muss man mit harscher Kritik von Sportfans rechnen. Ganz anders sieht die Sendepolitik des vergleichsweise kleinen Senders Eurosport aus - doch auch hier gab es bislang einige Schwächen zu beobachten.

Der Fokus der Sendeanstalt liegt zunächst einmal genau dort, wo ihn der wirklich am Sport interessierte Zuschauer auch haben möchte: Auf Liveübertragungen der Sportveranstaltungen. Dies merkt man alleine schon daran, dass es im Gegensatz zum Ersten und dem ZDF kein Livestudio gibt, welches alleine rund ein Drittel der Sendezeit in Anspruch nimmt. Stattdessen zeigt man die wenigen Interviews, die in die Berichterstattung integriert sind, meist vom jeweiligen Ort des Geschehens. Statt hierfür viel Zeit verstreichen zu lassen, fängt man hier in der Regel kurze, prägnante Aussagen ein, bevor rasch zur nächsten Spielstätte geschaltet wird. Das Format «London Eye» informiert zwei bis drei Mal am Tag - nicht in einer Stunde, wie die Öffentlich-Rechtlichen es bisweilen handhaben - über die wichtigsten Geschehnisse der vergangenen Stunden, zudem gibt es am späteren Abend das halbstündige Magazin «Together to London». Davon abgesehen zeigt man fast nur Sport - und sogar sehr häufig live.

Ein weiterer Pluspunkt des Senders ist die höhere Kompetenz der Kommentatoren in der Breite. Zwar haben auch ARD und ZDF einige sehr fachkundige Reporter aufstellen können, jedoch kommt es ab und an auch vor, dass Athleten verwechselt, Regeln falsch erklärt oder Hintergrundgeschichten aus dem Zusammenhang gerissen werden. Die größere Leidenschaft für den Sport bemerkt man häufig auch daran, wie unterschiedlich die vermeintlichen Fachmänner und -frauen das Gesehene beim Publikum rüberbringen: Hat man bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten häufig das Gefühl, dass der jeweilige Reporter eine Extradosis Valium eingenommen hat, bemerkt man bei den Verantwortlichen von Eurosport authentische, beinahe nie übertriebene Emotionalität und Leidenschaft, die mit einer angenehmen Prise Lockerheit und Humor garniert wird.

Ein Paradebeispiel hierfür sind Sigi Heinrich und Dirk Thiele, die bei vielen Fans bereits Kultfaktor besitzen. Seit 20 Jahren kommentieren die beiden nun schon in erster Linie Leichtathletik und erhielten für ihre Leistungen sogar den einen oder anderen Fernsehpreis. Kaum einem Kommentatoren-Team im deutschen Fernsehen gelingt es, Information, Emotion und Unterhaltung so gekonnt zu dosieren wie Heinrich und Thiele. Anders als man es von den allermeisten Kommentatoren gewohnt ist, nehmen sich die beiden Sportreporter dabei nicht allzu ernst und necken sich gerne einmal gegenseitig, ohne dabei den Sport zur Nebensache verkommen zu lassen. Dass der Bayer Heinrich ohne seinen preußischen Kollegen nur halb so gut funktioniert, zeigte sich bei der Eröffnungsfeier, bei welcher er lange nicht in Topform war.

Warum große Teile des Publikums dennoch kaum in den Genuss der inhaltlich sehr hochwertigen Berichterstattung des Sportsenders kommen, kann nicht nur mit dessen vergleichsweise geringen Bedeutung erklärt werden. Ein Hauptproblem von Eurosport ist die starke Fokussierung auf gewisse Sportarten. Alleine das Gewichtheben wurde beinahe jeden Tag gezeigt, obwohl es zur gleichen Zeit andere, ja oftmals wesentlich relevantere Sportarten zu sehen gab. Auch Radsport und Schwimmen nahmen in der ersten Woche einen beträchtlichen Teil der Sendezeit ein, während das zumindest aus deutscher Sicht relevante Hockey kaum zur Sprache kam. Hiermit einher geht ein weiteres "Problem" des stärker europäisch bzw. global orientierten Senders: Er bedient zu selten deutsche Interessen. Große Teile der deutschen Zuschauerschaft möchten bei Olympia in erster Linie deutschen Athleten die Daumen drücken, während das Interesse für Wettbewerbe ohne deutsche Beteiligung relativ gering ist.

Generell sind die Entscheidungen des Senders nicht immer besonders zuschauerfreundlich, denn im Gegensatz zur Konkurrenz wird man hier häufig nicht schnell und umfassend darüber informiert, was aktuell an anderen Orten als dem geschieht, der aktuell auch auf Sendung ist. Häufig zeigt man Wettbewerbe über eine Stunde oder mehr, statt kurzweiliger Konferenzschaltung folgt man hier schon einmal langwierigen Straßenrennen durch London. Für Fast-Food-Konsumenten ist diese Form der Übertragung somit absolut ungeeignet, da man anderweitig deutlich schneller informiert wird. Ein weiterer Vorteil der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten gegenüber Eurosport ist ihre Gebührenfinanzierung, durch die sie kaum auf Werbung angewiesen sind. Dies kann man Eurosport gewiss nicht anlasten, aber tendenziell neigt der Zuschauer verständlicherweise dazu, werbefreie bzw. -arme Angebote anzunehmen. Nicht förderlich ist es in diesem Zusammenhang, wenn man sein Publikum mit sich ständig wiederholenden Werbespots malträtiert, wie es auf Eurosport leider der Fall ist.

Alles in allem ist es schwer zu sagen, ob hierzulande das private oder das öffentlich-rechtliche Programmangebot besser ist. Für den Sender Eurosport spricht das sehr fachkundige und überdies noch in vielen Fällen humorvolle und unterhaltsame Kommentatorenteam, bei dem das Zuhören oft deutlich mehr Spaß macht. Auch die klare Ausrichtung auf Live-Sport auf Kosten von Interviews, Zusammenfassungen und sonstigen Nebensächlichkeiten sollte zumindest echten Sportfans gefallen. Dafür muss man jedoch in Kauf nehmen, vom Sender nicht allzu schnell über die wichtigsten Geschehnisse des Tages informiert zu werden und gerne auch mal weniger aufregenden Übertragungen über lange Zeit zu folgen. Bei wem also die Zeit knapp bemessen ist, die Kommentatoren keinen großen Stellenwert genießen und die patriotische Ader sehr stark pulsiert, sollte lieber bei den Öffentlich-Rechtlichen bleiben. Wer sich hingegen nach substanzieller, hochwertiger und detaillierter Sportberichterstattung sehnt, sollte die regelmäßigen Werbespots über sich ergehen lassen und dem Team von Eurosport eine Chance geben - insbesondere bei Leichtathletik-Übertragungen ist dies sicher keine Entscheidung, die man als Sportfan bereuen wird.
04.08.2012 08:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/58323
Manuel Nunez Sanchez

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Olympia 2012 Eurosport ARD ZDF Sigi Heinrich Dirk Thiele

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