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Die Kritiker: «Lösegeld»

Inhalt


Nina Hansen, Leiterin einer Begleitagentur, wird im Wald von einem Fremden mit einem Messer angegriffen. Nur mühsam kann sie ihm entkommen, indem sie ihn mit ihrem Auto anfährt und dabei schwer verletzt. Auf der Rückfahrt findet sie in ihrem Wagen ein Säckchen mit Diamanten – offenbar das Lösegeld aus einem Entführungsfall, wie sich am nächsten Tag herausstellt. Nina meldet zwar den Überfall der Polizei, die Diamanten unterschlägt sie aber, da sie mit ihrer Agentur finanziell unter Druck steht.

Der Polizei, allen voran Kommissar Lysewski, erscheint die attraktive Frau zwar mysteriös, nachweisen können sie ihr jedoch nichts. Nina wiederum hat die Rechnung ohne den Entführer gemacht, der mit dem Mann identisch ist, der sie nachts überfallen hatte. Als sie trotz Polizeischutz in ihrer Wohnung erneut von ihm bedroht wird, kommt ihr Lysewski zu Hilfe. Bei der Verfolgungsjagd stirbt der Entführer. Zwar ahnt Lysewski, dass Nina die Diamanten unterschlagen hat und auch sein karriereorientierter Kollege Weber will die Frau festnageln. Doch Lysewski deckt sie – er hat sich in sie verliebt und heimlich mit ihr eine Affäre angefangen. Dann aber entdeckt Lysewski, dass sich Nina ins Ausland absetzen will. Lysewski steht vor der vielleicht wichtigsten Entscheidung seines Lebens.

Darsteller
Ulrike C. Tscharre («Im Angesicht des Verbrechens») als Marie Hausen
Misel Maticevic («Im Angesicht des Verbrechens») als Lysewski
Simon Licht («Stromberg») als Lutz Weber
Sven Lehmann («Weissensee») als Polizeipräsident
Andreas Leupold («Die Summer meiner einzelnen Teile») als Entführer
Elmira Rafizadeh («Plötzlich 70!») als Layla
Aline Hochscheid («Adelheid und ihre Mörder») als Charlotte

Kritik
Um einen Film wie «Lösegeld» im deutschen Fernsehen zu finden, muss man lange suchen. Denn selten distanziert man sich so sehr von festgefahrenen Erzählweisen und Plotelementen, selten bricht man so stark mit der üblichen, stets abgegrasten Dödelästhetik wie das hier der Fall ist. Drehbuchautor und Regisseur Stephan Wagner schafft gekonnt den Spagat zwischen spannungsgeladenen Handlungssträngen und filigraner Charakterzeichnung, lässt in den Szenen im Polizeipräsidium Lysewski und Weber in schnellen, gehetzten Dialogen den Plot vorantreiben, kann dadurch dynamisch und vor allem schnell erzählen, während er die Gespräche zwischen Lysewski und seiner Geliebten Marie Hausen zerbrechlich, langsam und wunderbar symbolträchtig anlegt. Hier hilft ihm auch seine klare Ästhetik, die den Unterschied zwischen der Tagwelt (Lysewskis Polizeiberuf, in dem Hausen in seine Ermittlungen gerät) und der Nachtwelt (in der sich Lyseski und Hausen ihrer Liebe hingeben) und damit die psychologisch vielschichtig erzählte Zerrissenheit der beiden Hauptfiguren deutlich macht, ohne sie allzu sehr betonen zu müssen.

Dramaturgisch ist «Lösegeld» ein Genre-Mix aus Krimi und Drama, dessen thematischer Fokus auf letzterer Gattung liegt, aber den Krimi braucht, um stimmige Motivationen für seine Figuren zu entwerfen und für eine starke Handlung zu sorgen, hinter der sich die psychischen Dispositionen der Charaktere entladen können. Das gelingt hervorragend. Anders als das im deutschen Fernsehen so oft der Fall ist, dient der Krimi hier nicht als Ausrede, um dem Zuschauer gesellschaftlich relevante Themen in einer Verkleidung unterzujubeln, die möglichst viel intellektuelle Anspruchslosigkeit vorgibt, stattdessen werden die Kernelemente des Genres dramaturgisch stringent genutzt, um Plots und Figureneigenschaften zu verdichten und transparent zu machen. Diese Herangehensweise hat Tradition, wenn auch nicht in Deutschland. Bei den großen Klassikern des französischen Films trifft man diese Erzählweise dagegen nicht selten an. Ohnehin: Die narrativen wie auch ebenso deutlichen ästhetischen Einflüsse von Claude Chabrol, Claude Sautet und Jean-Luc Godard sind unverkennbar.

Hier haben wir es mit einem für deutsche Sehgewohnheiten ungewöhnlichen Film zu tun, der in seiner Ungewöhnlichkeit herausragend ist. Einen künstlerisch so gelungenen, erzählerisch so anspruchsvollen und ästhetisch so kompromisslosen Film sieht man in Deutschland nicht alle Tage. Denn hier stimmt alles: Von einem vielschichtigen, tiefsinnig erzählenden Drehbuch, über ein nahegehendes und dynamisches Mettre en Scène bis hin zu einem Top-Cast um Ulrike C. Tscharre und Misel Maticevic, der auch in den Nebenrollen, etwa mit Lisa Bitter in der Eröffnungsszene oder der äußerst versierten Elmira Rafizadeh noch wahre Perlen bietet. Wünschenswert, wenn die deutsche Zuschauerschaft in Zukunft häufiger „ja“ zu solchen Filmen sagen würde und man dann die Degetoisierung herunterfahren könnte. Merci beaucoup, Monsieur Auteur!

Das Erste zeigt «Lösegeld» am Mittwoch, 11. April 2012, um 20.15 Uhr.
10.04.2012 09:26 Uhr Kurz-URL: qmde.de/56010
Julian Miller

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Lösegeld

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