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Die Kritiker: «Amigo»

Story


Neapel, Flughafen Capodichino, 1. Oktober. In einer Linienmaschine aus Frankfurt landen die BKA-Ermittler Fredo Kovacs und Jupp Sauerland. Ihr Ziel: die Festnahme des lange gesuchten, in Italien untergetauchten Terroristen Amigo Steiger, der vor zwanzig Jahren einen Bankpräsidenten und dessen Chauffeur erschossen hat.

Sie finden ihn in einem kleinen Ort etwas abseits der Autostrada, die in die Stadt führt. Brütende Hitze, die sirrend über den Feldern steht. Zitronenplantagen, soweit das Auge reicht. Ein kleiner Bauernhof mit Agriturismo-Schild. Auf dem Feld ein einsamer Mann, der seine Ernte einholt: Amigo Steiger. Als die deutschen Beamten eintreffen, kommt es zu einer wilden Schießerei. Der Biobauer hat seine Waffe auch nach zwanzig Jahren stets griffbereit. So kann Amigo leicht verletzt nach Deutschland fliehen, während der Ermittler Sauerland schwer verletzt ins Krankenhaus nach Neapel gebracht wird. Dort wird er von Carlotta Fortunato operiert. Was Sauerland erst später erfährt: Die Ärztin ist Amigos Geliebte.

Hamburg, zur selben Zeit: Der Verleger Alexander Bosch und seine attraktive Frau Maxime stecken in großen Schwierigkeiten: Nicht nur, dass ihr kleiner Verlag kurz vor der Pleite steht und die geplante Veröffentlichung eines politischen Buches für Ärger sorgt, auch ihr halbwüchsiger Sohn Rio macht Probleme. Der begeisterte Sprayer ist von der Polizei erwischt worden. Nun droht ihm eine Gefängnisstrafe.

Amigo sucht in Hamburg nach alten Weggenossen und trifft sich mit Bosch. Als Amigo seinerzeit nach dem Mord an dem Bankpräsidenten aus Deutschland flüchtete, war Maxime von ihm schwanger: Rio ist Amigos Sohn. Zusammen haben Bosch und Amigo damals diverse Banken überfallen. Seinen Anteil der Beute möchte Amigo sich nun holen. Auf dem Weg zu dem Acker, wo sie das Geld vergraben haben, kommt Bosch bei einem Unfall ums Leben, und Amigo muss erneut untertauchen.

Der Ermittler Kovacs versucht nun, dem Vater mit Hilfe des Sohns eine Falle zu stellen. Als Gegenleistung wird Rio Strafmilderung in dem Sprayer-Fall versprochen. Obwohl Rio zunächst einwilligt, bringt er es nicht übers Herz, Amigo zu verraten. Er warnt ihn und ermöglicht damit Amigos Rückkehr nach Neapel. Doch dort erwartet ihn nicht nur seine Geliebte, sondern auch jemand, der eine alte Rechnung begleichen will.

Darsteller
Tobias Moretti («Jud Süss – Film ohne Gewissen») ist Amigo Steiger
Jürgen Prochnow («Das Boot») ist Fredo Kovacs
Florian David Fitz («Vincent will Meer») ist Jupp Sauerland
Luca Ward («Donna Detective») ist Renzo Esposito
Giada Desideri ist Carlotta Fortunato
August Zirner («Klimawechsel») ist Alexander Bosch
Ina Weisse («Doktor Martin») ist Maxime Bosch
Uwe Ochsenknecht («Der Bulle und das Landei») ist Fritz Declair
Kostja Ullmann («Groupies bleiben nicht zum Frühstück») ist Rio Bosch

Kritik


Mit diesem Film hat sich Drehbuchautor und Regisseur Lars Becker an kein einfaches Thema gewagt. Er geht der Frage nach, was aus all den weniger prominenten militanten RAF-Mitgliedern oder -Helfershelfern geworden ist, die nicht (mehr) im Knast ihr Dasein fristen. Es geht darum, wie ihr Leben in der Gesellschaft aussieht, und was passiert, wenn sie die alte Schuld nach zwanzig Jahren wieder einholt. Mord verjährt eben nicht – weder psychisch noch juristisch. Ein spannendes Untersuchungsfeld, das fiktional in weiten Teilen gelungen aufbereitet wurde.

Einige Schönheitsfehler hat die Dramaturgie aber leider doch. Dadurch, dass zu Beginn zwei Handlungsstränge völlig getrennt voneinander erzählt werden (Amigos Flucht vor dem SEK in Italien und Rio Boschs Konflikt mit der Polizei in Hamburg), macht das Drehbuch zunächst keinen runden Eindruck. Zu lange wird der Zuschauer im Dunkeln gelassen, dass es hier (unter anderem) um den RAF-Terrorismus gehen soll; zu lange bleibt unklar, worauf man denn nun letztendlich hinaus will. Zu Beginn wirkt «Amigo – Bei Ankunft Tod» viel zu forciert auf Thriller getrimmt.

Stellenweise wird die Dramaturgie auch immer wieder zu kleinteilig und verheddert sich in zu viele Nebensächlichkeiten, allerdings immerhin ohne dass man das große Ganze je aus den Augen verliert. Leider passiert es auch, dass der zunächst prominent erzählte Handlungsstrang um Alexander Boschs Auseinandersetzung mit den Vertretern bestimmter radikal-muslimischer Gruppen, die die Veröffentlichung eines Buches in seinem Verlag mit allen Mitteln verhindern wollen, im Laufe des Films zu einem bloßen Randthema wird. Hier hätte eine stärkere Vertiefung gut getan.

Doch schlussendlich sind all das Kleinigkeiten. Denn die Essentialia dieses Drehbuchs fallen allesamt stimmig aus. Die Charaktere sind differenziert entworfen, ihre Handlungen und Motive glaubhaft. Ferner fehlt es nicht an der nötigen Ernsthaftigkeit und Tiefe bezüglich der Auseinandersetzung mit den Hauptthemen, und die szenische Umsetzung erfolgte stilvoll und treffend. Die Emotionalisierung geschieht hier gerade nicht dadurch, dass die Protagonisten minutenlang mit dem Gesicht in die Kamera heulen, sondern durch leise, subtile Akzente, durch Authentizität, durch Szenen, die mit ausdrucksvollem Schweigen mehr auszudrücken vermögen, als durch Dialoge. Die werden hier größtenteils minimalistisch eingesetzt, was mit den anderen Merkmalen des Films eine passende Symbiose eingeht. Ein ausdrucksstarker Satz ist mehr wert als zehn, die auf effekthascherischen Pathos aus sind. Das hat man hier verstanden.

Ina Weisse entpuppt sich dabei wieder einmal als eine Meisterin dieser leisen Töne, gewissermaßen des minimalistischen Spielens, mit dem sie doch so viel transportieren kann. Der Rest der Besetzung spielt ebenfalls exzellent; alle Schauspieler haben den Duktus des Drehbuchs verstanden und verzichten auf die großen Gesten und das laute Gewinsel. Dadurch wird die Atmosphäre nur umso bedrückender, der Film nur umso kompromissloser. Besonders Uwe Ochsenknecht und Kostja Ullmann leisten trotz ihrer nicht einfach zu spielenden Figuren ganze Arbeit.

Das ZDF strahlt «Amigo – Bei Ankunft Tod» am Montag, den 10. Oktober 2011, um 20.15 Uhr.
08.10.2011 13:44 Uhr Kurz-URL: qmde.de/52504
Julian Miller

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Tags

Amigo

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