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«neoParadise»: Die Clowns im Establishment

«MTV Home» ist zurück – Joko und Klaas blödeln statt bei MTV nun im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Als Anfang Januar dieses Jahres mit MTV Germany einer der wenigen überlebenden Musiksender einer anderen Generation seine Free TV-Präsenz aufgab, war das klassische Musikfernsehen schon eine ganze Weile einen langsamen Tod gestorben: Von Werbeüberflutung und Reality-Serien gezeichnet gab es wenig, was an das MTV früherer Zeiten erinnerte. Wenige Sternstunden bescherten MTV einzig die kaum vorhandenen Eigenproduktionen, darunter «Game One» und der «TRL»-Nachfolger «MTV Home» mit Klaas Heufer-Umlauf und Joachim Winterscheidt. Letztere nisteten sich bei ProSieben und Sat.1 ein – und kommen jetzt mit einem inoffiziellen Nachfolger von «MTV Home» ins deutsche Fernsehen zurück. Genauer gesagt: ins öffentlich-rechtliche Fernsehen.

Denn die ehemalige «Sendung mit dem Haus» wird auf ZDFneo mit dem etwas sperrigen Titel «neoParadise» weitergeführt und darf sich weiterhin über die klassische Besetzung erfreuen: Joko, Klaas und Palina sind weiterhin dabei. Die wohl größte Änderung ist neben dem Wechsel vom MTV-Etablissement ins ZDF-Establishment das Publikum, das im neuen Studio dabei ist. Die Gäste kommen im Fahrstuhl ins Studio, das eine Mischung aus WG-Mief und Loft-Charakter ausstrahlt und deutlich großzügiger wirkt als anno dazumal bei MTV; eine integrierte Bar lädt zur intimen Kneipenrunde vor großem Publikum ein. Eine kleine Bühne bietet den wohl regelmäßig erscheinenden Bands eine gute Plattform, die sendungseigene Kapelle Petra wird hingegen im begehbaren Schrank eingesperrt. Zusätzlich wurde eine Besenkammer integriert, die vor allem durch infantile, aber vertretbare borisbeckereske Untertitel Einzug in die Sendung erhält.

Darüber hinaus ist vieles beim Alten geblieben – und das ist auch gut so: Mit gewohnt lockerem Mundwerk begrüßten Joko und Klaas in ihrer ersten Sendung unter anderem die Beatsteaks und Thees Uhlmann, die erfrischend abseits des üblichen Talkshow-Gequatsches über das Leben, die Liebe und Inspiration plauderten. Man merkt schnell, dass beide Moderatoren ihren Hintergrund im Musikfernsehen haben und im Gegensatz zu teils alten Talkshowhasen einen entscheidenden Vorteil haben: Man kennt sich und stellt die richtigen Fragen. Einen großen Teil der Show stellen erneut die Einspielfilme dar, in denen in Kategorien wie «In Vino Veritas – Was von der Nacht übrig blieb» lädierte Clubheimkehrer in aller Früh zu politischen Themen befragt werden oder aktuelle Werbung aufs Korn genommen wird.

Fehlen durfte natürlich auch der Unfall von Joko nicht, der sich im Vorfeld bei Dreharbeiten zu der Rubrik «Bis einer heult» verletzt hatte – lang und breit wurden im Stil von «Frontal 21» Hintergründe beleuchtet und mit viel Selbstironie die eigene Dummheit belächelt. Auch ein fiktiver Zusammenschnitt der Nachrichtenlage verschiedener Sender zu diesem Unfall konnte begeistern, wurde bei ProSieben doch zum Beispiel nur der durch das Nippelboard ausgelöste Einspieler gezeigt, bei arte eine französisch untertitelte Gesellschaftsstudie und bei RTL ein aufgeregter Beitrag über die Verrohung von Jugendlichen. Ohne Frage, Joko und Klaas sind zurück, wie die Zuschauer sie kennen und lieben, ohne sich dabei selbst zu parodieren. Mit «neoParadise» sind beide ein Stück weit erwachsen geworden: Statt den Clowns bei MTV sind sie jetzt die Clowns im Establishment. Und das macht richtig viel Spaß.
07.10.2011 12:17 Uhr Kurz-URL: qmde.de/52498
Jakob Bokelmann

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Tags

neoparadise joko klaas

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