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Sex sells - oder doch nicht? «Skins» startet im Free-TV

Über eine Staffel kam die Adaption der englischen Erfolgsserie in den USA nicht hinaus. Von Protesten, unerfahrenen Schauspielern und viel Beziehungs-Wirr-Warr...

„Auf der Suche nach ihrem Platz auf der Welt brechen die Jugendlichen Herzen, testen alles aus und gehen bis an ihre Grenzen. Eine emotionale Achterbahnfahrt auf dem Weg ins Erwachsenenleben, die wahrlich unter die Haut geht, wirklichkeitsnah und auch witzig.“ (Zitat aus der MTV-Pressebeschreibung)

Was haben «Californication», «Two and a Half Men» und schließlich «Skins» gemeinsam? Richtig, alle drei US-Serien drehen sich mehr oder weniger nur um das Eine, um - wir wollen nicht lange um den heißen Brei reden - Sex. Also um jenes Thema, welches auch sonst schon oft genug Gesprächsthema bei den meisten Jugendlichen ist. Genauso beliebt wie die traditionsreiche Dr. Sommer-Rubrik in der Bravo-Zeitschrift sind aber auch nach wie vor Fernsehserien rund um Liebe & Co. Das ist nicht umstritten und genauso wenig an den Haaren herbeigezogen, sondern schlicht und ergreifend Tatsache. Hat vor zehn Jahren alles einmal harmlos mit Beziehungs-Wirr-Warr-Serien wie «Beverly Hills, 90210» angefangen, finden sich heute immer mehr solcher Serien in den Programmen der amerikanischen TV-Networks. Sex? Ein Tabu-Thema? Fehlanzeige!

Wenn die Quote stimmt, spricht ja auch nichts dagegen. Denn die ersten beiden genannten Formate konnten große Erfolge feiern, allen voran Skandalschauspieler Charlie Sheen gab über Jahre hinweg den Ton an, übertrug seine Rolle nur dummerweise auch ins wahre Leben. Eine alte Faustregel besagt: ‚Sex sells‘. Doch Sex lässt sich nicht immer gut verkaufen. Zumindest dann nicht, wenn Erziehungsberechtigte und die FSK dagegen Sturm laufen und so versuchen, diese heikle Angelegenheit möglichst schnell aus den Schlagzeilen in den Medien zu verdrängen. So geschehen mit der MTV-Serie «Skins», die heute (22.10 Uhr) in Deutschland zum ersten Mal im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen sein wird.

Ein bisschen Macho-Gelaber hier, ein bisschen Sex da und die obligatorischen Drogen-Partys - willkommen in der beispiellosen Welt von «Skins». Einer Welt, in der alles andere außer Feiern und gewissen ‚Spaß‘ anscheinend keine Bedeutung hat. Oder zumindest als unwichtig abgestempelt wird. Wo der typische Jugendliche im Alter von 15, vielleicht 16 Jahren seine Triebe völlig ausleben kann. Wo Drogen zum spaßigen Alltag eben dazu gehören. Wo Mädchen und Jungen es mit allem und jedem machen. Freilich: Dass Eltern das durch ein etwas kritischeres Auge sehen würden, war schon lange vor der US-Premiere am 17. Januar 2011 vorherzusehen und verwunderte die Branchenkenner daher kaum. Zumal sich Musiksender MTV nicht zum ersten Mal mit den Jugendschützern angelegt hat, das Reality-Format «Jersey Shore» stand zwischenzeitlich beispielsweise ebenfalls im Kreuzfeuer der Kritik. Anders als bei den Latinos wurde «Skins» aber weitaus heftigere Dinge vorgeworfen, unter anderem Kinderpornografie und Ausnutzung der noch minderjährigen Darsteller.

Auch wenn es die Köpfe hinter der Serie, Bryan Elsley und Derek Havie stets bestritten oder zumindest nie selber zugegeben hätten: Eine realistische, authentische Serie, wie sie auch in den jetzigen VIVA-Trailern beschrieben wird, ist ihnen nicht gelungen. Und das hängt mit mehreren Faktoren zusammen: Zum einen ist das, was der Zuschauer hier zu sehen bekommt, nichts weiter als eine lieblose Kopie des britischen Originals. Bis auf die Schauspieler ist nichts neu; wobei sich auch diese fast haargenau wie ihre offensichtlichen Vorbilder benehmen - sich halt nur um ein Wesentliches schlechter anstellen. Kein Wunder: Der überwiegende Teil des Casts stand zuvor noch nie vor der Kamera. Sechs von neun Leuten betraten demnach ein ganz neues Territorium. Zum anderen ist es ein großes Problem der Serie, dass sie sich - wie bereits erwähnt - zu sehr verliert, mal Kunst, mal aber auch nur Klamauk sein will. Aber so viel Kritik es auch gab: Niveaulosen Teenie-Humor gab es und der begeisterte eben Fans von Formaten wie «Blue Mountain State» oder «The Hard Times of RJ Berger» (ebenfalls MTV-Serien). Das funktioniert aber nur, wenn man sich auf diesen einlässt. Bei den meisten Zuschauern aus der MTV-Zielgruppe dürfte das jedoch kein Problem darstellen.



Die unfreiwillige PR durch die zahlreichen Proteste im Internet und/oder draußen auf Plakaten brachte rein gar nichts - im Gegenteil. Zwar fielen die Premieren-Quoten in den USA gut aus und es wurden 3,26 Millionen Zuschauer gemessen, doch danach sackten die Werte immer weiter in den Keller. Das Interesse schwand von Zeit zu Zeit. Später waren nicht mal mehr eine Million Zuschauer dabei. Noch dazu erwies sich die Serie nicht mehr als wirtschaftlich profitabel, viele Werbekunden sprangen ab. Das alles war der Organisation Parents Television Council (PTC) zu verdanken, die es sich sogar nicht nehmen ließ, eben diese Leute direkt anzusprechen und öffentlich an den Pranger zu stellen. Bei den Sponsoren Taco Bell, Wrigley und Subway hat die Botschaft Wirkung gezeigt, fortan verzichteten sie auf Werbeschaltungen innerhalb von «Skins». Das Image der eigenen Marke ist ihnen schließlich wichtiger gewesen. MTV musste dann also die Werbung mit Kinotrailern füllen, Alternativen gab es nicht.

Im Nachhinein musste MTV feststellen, dass die Serie nie zu einem großen Erfolg hätte werden können - schlicht deswegen, weil nicht nur ihr Ruf, sondern auch die Einschaltquoten letzten Endes am Boden waren. Am 9. Juni 2011, knapp fünf Monate nach der ersten Folge, gab der Sender daher bekannt, die Serie bereits nach der ersten Staffel beenden zu wollen. Das definitive Todesurteil. Es kam ausgerechnet einen Tag nachdem das deutsche MTV den Start für «Skins» kommuniziert hat. Ebenso ironisch: Beinahe hätte MTV die Serie gar nicht produzieren können. Das Network The CW hatte nämlich ebenfalls sein Interesse an dem Format bekundet, verlor die Rechte aber überraschenderweise an den Ex-Musiksender.

Ein Blick nach England zeigt, dass es aber auch anders gehen kann. Kritiker sind von der britischen Version begeistert, der kleine TV-Sender E4 darf sich nach wie vor glücklich schätzen, eine solche Produktion im Programm zu haben. 2012 läuft die nunmehr sechste Runde an, doch auch hier sieht nicht alles rosig aus, denn der Quoten-Trend zeigte zuletzt nach unten. Eine Besonderheit am UK-«Skins» ist, dass die Autoren alle zwei Jahre die Hauptcharaktere auswechseln, diese so also immer im selben Alter bleiben. Bei FOXs Musical-Serie «Glee» fährt man eine ähnliche Strategie, wobei viele alt eingesessene Figuren mit Gastauftritten der Serie doch erhalten bleiben. Auch die Produzenten wurden nach und nach ausgetauscht. Für die amerikanische Version wird sich diese Möglichkeit nun ja nicht mehr ergeben. Aber interessant ist dieses Detail schon - und vor allem einzigartig.

Im Übrigen sind Serien-Fans sehr angetan vom Original, doch ausgestrahlt wird sie hierzulande dennoch nicht. Der Bezahlsender FOX plant nämlich nicht mehr mit der vierten Staffel, als offizieller Grund wurde hierfür gegenüber Quotenmeter.de angegeben, dass die Serie nicht mehr ins Programmportfolio passe. Es kreisen aber Gerüchte, dass diese Entscheidung einzig und allein auf den vergleichsweise hohen Lizenzkosten begründet ist. Serien von der Insel kosten die Sender in der Regel viel mehr Geld als US-Sendungen. Wann es also für die deutschen Zuschauer weitergeht, steht in den Sternen. Wenigstens sind von den ersten drei Staffeln DVDs erschienen. Die US-Version wurde trotz ihrer inhaltlichen Mängel an bereits 16 Länder verkauft, in Italien, Frankreich, Polen sowie vielen anderen Nationen läuft sie aber ebenfalls beim Muttersender MTV, wodurch für die jeweiligen Ableger keine zusätzlichen Kosten anfallen. Die Viacom-Sender dürfen in der Regel nämlich immer kostenlos auf ihr eigenes Material zurückgreifen, das ist bei anderen großen Konzernen wie zum Beispiel NBC Universal nicht üblich.

Bleibt festzuhalten: Hierzulande wird es wohl nicht zu solchen Protest-Szenarien kommen, zu unbekannt ist das Format dafür. Und vielleicht ist der Sender, VIVA, auch zu wenig prominent, um für ein vergleichbares Aufsehen zu sorgen. Ob ein Quoten-Erfolg bei dem ausgewählten Sendeplatz freitags um 22.10 Uhr möglich ist, wird sich daher noch zeigen müssen. Denn ausgerechnet die Hauptzielgruppe, die 14- bis 29-Jährigen, treiben sich zu dieser Zeit lieber in Clubs oder Bars herum, anstatt den Fernseher einzuschalten. Doch um die Zuschauerzahlen geht es dem Berliner Kanal hauptsächlich gar nicht so sehr, wie Pressesprecherin Nicola Haake Quotenmeter.de wissen ließ: «Skins» sei eine Serie etwas abseits vom Mainstream, „hervorragend produziert und eine Bereicherung für das VIVA-Programm. Wir sind sicher, dass «Skins» seine Zuschauer begeistern wird, sind uns aber auch darüber bewusst, dass es breitere Formate mit einem größeren Reichweitenpotenzial gibt. «Skins» hat für die Marke VIVA aufgrund der hohen Qualität und besonderen Machart eher strategische Bedeutung.“

Die zehn Episoden von «Skins» laufen ab dem 26. August 2011 jeweils freitags um 22.10 Uhr auf VIVA.
26.08.2011 10:05 Uhr Kurz-URL: qmde.de/51647
Daniel Sallhoff

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Skins

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