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Die 83. Oscars: Stotternder König gegen ungenierten Jungmilliardär

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Im Vorfeld der Oscar-Verleihung 2011 stellt Quotenmeter.de die zehn Anwärter der wichtigsten Oscar-Kategorien vor: Chancen auf die begehrte Auszeichnung haben unter anderem «Inception», «Toy Story 3», «The Social Network» und «The King‘s Speech».

Die Drehbuch-Oscars: Wo sich die Favoriten aus dem Weg gehen


Dank der Trennung zwischen Original-Drehbüchern und Leinwandadaptionen bleiben die Zuschauer zumindest in einer Hauptsparte gänzlich vom Wetteifern zwischen «The Social Network» und «The King‘s Speech» verschont. Dafür scheinen die Drehbuchoscars bereits jetzt gesetzt: Das inspirierende und mit britischem Witz gewürzte Drama «The King‘s Speech» hat beste Chancen, für sein Original-Drehbuch ausgezeichnet zu werden, während «The West Wing»-Autor Aaron Sorkin für die Adaption «The Social Network» hervorragende Siegesaussichten hat. In diesem Fall gingen beide Drehbuchoscars an erstmalige Nominierte. «The King‘s Speech»-Autor David Seidler arbeitete zuvor an äußerst schwachen Animationsfilmen, während Sorkin schon mehrere Emmys aufzuweisen hat.

Ebenfalls erstmals nominiert sind Lisa Cholodenko & Stuart Blumberg (für «The Kids Are All Right») sowie die insgesamt vier Autoren von «The Fighter». Das Boxer-Biopic «The Fighter»wurde als Original-Drehbuch eingeordnet und hat eine fast selbst filmreife Entstehungsgeschichte hinter sich. Seit 2003 wurde an dem mehrfach umgeschriebenen Skript gearbeitet, welches unter anderem den Regisseuren Martin Scorsese und Darren Aronofsky angeboten wurde. Letzterer sagte zu, stieg Oktober 2008 aber wieder aus dem Projekt aus, um sich «Black Swan» zu widmen. Aufgrund dessen, dass Aronofsky den Sportlerfilm dennoch weit vorantrieb, erstattete man ihm im Abspann eine Nennung als ausführender Produzent.

In der Kategorie für Original-Drehbücher sind die zwei einzigen Veteranen Christopher Nolan («Inception») und Mike Leigh («Another Year»). Nolan wurde zuvor für das Drehbuch des rückwärts erzählten Thrillers «Memento» nominiert, weshalb sich vermuten lässt, dass die Academy mit Genrekonventionen spielende, intelligente Drehbücher eher akzeptiert, als deren Umsetzung. Erinnerungen an Quentin Tarantino werden wach, der für den so enorm Oscar-atypischen «Pulp Fiction» einen Drehbuch-Oscar erhielt. Wie der Regieführende Autor Mike Leigh derweil seine bis dato fünfte Oscar-Nominierung ergattern konnte, ist einigen seiner Kritiker unerklärlich. Die Grundlage zur Tragikomödie «Another Year» entstand, wie für Leigh typisch, in einem monatelangen Probeprozess mit den Darstellern, während dessen die Figurenprofile erschaffen und das ungefähre Storyprofil ertastet wurde. Die eigentlichen Dreharbeiten basieren auf nahezu reiner Improvisation. Ist Mike Leigh dabei wirklich als Drehbuchautor zu prämieren?

Die Kategorie der besten adaptierten Drehbücher besteht dieses Jahr aus fünf Anwärtern auf den Oscar für den besten Film. Neben dem auf einem Sachbuch basierenden «The Social Network», den Romanverfilmungen «True Grit» und «Winter’s Bone» sowie dem auf Teilen der Autobiografie seiner Hauptfigur basierenden «127 Hours» ist auch die Fortsetzung «Toy Story 3» nominiert. Obwohl die Story zu «Toy Story 3» speziell für die Kinoleinwand geschrieben wurde, gilt das Skript als adaptiert, da Autor «Michael Arndt» (zuvor ausgezeichnet für «Little Miss Sunshine») auf zahlreiche bereits in «Toy Story 1 & 2» vorkommende Figuren zurückgriff. Arndt, der gemeinsam mit «Ratatouille»-Regisseur Brad Bird das Drehbuch zu «Tron: Legacy» aufpolierte, wurde von Pixar für «Toy Story 3» ins Boot geholt, als die Grundidee zum Film bereits feststand. Er sollte die Ergebnisse eines Brainstorming-Wochenendes, das Andrew Stanton («Findet Nemo»), John Lasseter («Toy Story») und Lee Unkrich (Regie bei «Toy Story 3») in einer Berghütte verbrachten, zu einem sinnigen Drehbuch formen. Offenbar mit Erfolg.

Bester Film: Zehn Nominierungen, zwei potentielle Gewinner


Die Beteiligten an acht Produktionen des vergangenen Kinojahres dürfen sich geehrt fühlen: Ihr Werk wurde für den wohl berühmtesten und begehrtesten aller Filmpreise nominiert. Diese acht in die Annalen der Hollywoodgeschichte eingegangenen Filme sind «Black Swan», «The Fighter», «Inception», «The Kids Are All Right», «127 Hours», «Toy Story 3», «True Grit» und «Winter’s Bone».

Nicht zuletzt auch dank des seit vergangenem Jahr auf zehn Nominierungen vergrößerten Oscar-Feldes, finden sich unter diesen Filmen mehrere Produktionen, die aufgrund ihres Genres normalerweise eher schlechte Aussichten auf diese besondere Ehre haben. «Black Swan» von Regisseur Darren Aronofsky zeichnet in seinem ersten in der Hauptkategorie nominierten Film ein erschreckendes Psychogramm einer fragilen Balletttänzerin, die sich ihrer Doppelrolle als weißer und schwarzer Schwan im «Schwanensee» nicht gewachsen sieht. Mit der unschuldigen, von Natalie Portman verkörperten Hauptrolle als unzuverlässigen Erzähler des Films, taucht der Zuschauer mit der Protagonistin in zunehmenden Wahnsinn ab.

Als Sci-Fi-Actionthriller ist «Inception» ein ebenso ungewöhnlicher „Bester Film“-Nominierter. Aber Christopher Nolans zweiter, von der Presse umjubelter Blockbuster in Folge lässt sich in Zeiten von zehn Oscar-Nominierungen in der Hauptkategorie nicht so leicht umgehen, wie 2009 noch «The Dark Knight». Ein weiterer Film, der gleich mehrere alteingefahrene Vorurteile der Academy bezwingen konnte, ist «Toy Story 3». Das gleichermaßen humorvolle wie rührende Finale von Pixars-Spielzeugtrilogie ist erst der zweite Computeranimationsfilm, der in dieser Kategorie nominiert wurde. Erst letztes Jahr feierte «Oben» (ebenfalls von Pixar) den Einstand dieses filmischen Mediums im Pantheon der „Bester Film“-Anwärter. Mit dem Zeichentrickfilm «Die Schöne und das Biest» wären dann bereits sämtliche Trickfilme aufgezählt, die in dieser Kategorie nominiert wurden. Und die Chancen für Fortsetzungen stehen nur unwesentlich besser: Allein dem mit Bing Crosby besetzten Drama «Die Glocken von St. Marin» von 1945 sowie den Fortsetzungen zu «Der Pate» und «Der Herr der Ringe» gelang zuvor dieses Kunststück. Allein «Der Pate - Teil II» sowie «Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs» haben gewonnen.

Das immer wieder totgesagte Western-Genre ist bei den Oscars etwas glückreicher: Bislang gewannen drei Western den Hauptpreis, zuletzt Clint Eastwoods «Erbarmungslos». Berücksichtigt man den Neo-Western/Thriller «No Country for Old Men», erhöht sich der Zähler. Dass die Coen-Brüder mit dem Remake «True Grit» einen weiteren Western folgen lassen, ist angesichts der übermächtigen Konkurrenz von «The Social Network» und «The King‘s Speech» eher unwahrscheinlich. Mit zehn Oscar-Nominierungen ist die Neuerzählung der von einem 14-jährigen Mädchen angetriebenen Suche nach Blutrache der bisher meistnominierte Film der von Cineasten verehrten Brüder, die für ihre durchkonstruierten Skripts und minutiöse Regieführung bekannt sind. Die Erstverfilmung dieses Stoffes, mit John Wayne in der nun von Jeff Bridges gespielten Rolle eines versoffenen US-Marshalls, wurde 1970 bloß für zwei Academy Awards nominiert: Für den besten Song und den besten Hauptdarsteller. Es war Waynes dritte Oscar-Nominierung und sein einziger Sieg.

Vor zwei Jahren witzelte Hugh Jackman in seiner Rolle als Moderator der Preisverleihung noch, dass er die Oscars bloß ansagen, aber nicht auf einen Gewinn hoffen darf. Dabei spielte er eine wichtige Rolle in Baz Luhrmanns «Australia», der im Vorfeld lange als heißer Preisanwärter galt. Dieses Jahr hingegen darf sich Co-Moderator James Franco als bester Hauptdarsteller Hoffnungen machen und zudem für seine Ein-Mann-Schau «127 Hours» die Daumen drücken. Dies ist das erste Mal seit 1987, dass ein Oscar-Nominierter als Moderator auf der Bühne steht. Danny Boyles «Slumdog Millionär»-Nachfolgewerk erzählt von einem Extremsportler, der in eine Canyonspalte stürzt und sich dort einen Arm festklemmt. Das nachfolgende Kammerspiel, von Regisseur Boyle als „Actionfilm über einen Typen, der sich nicht bewegen kann“ bezeichnet, wird in dynamischen Handkamerabildern gezeigt. Dank des dramatischen, wie unterhaltsamen Skript kommt trotz bekannten Handlungsausgangs und beengtem Schauplatz keine Langeweile auf.

Ist «127 Hours» insbesondere die Leistung eines Darstellers und energetischer Regieführung, sind die sonst so ungleichen Oscar-Kandidaten «The Fighter» und «The Kids Are All Right» beides als Ensemblefilme zu schätzen. «The Fighter», die Boxer-Biografie des für sein aufbrausendes Gemüt gefürchteten David O. Russel, wird von seinem preisgekrönten Cast gestemmt, was sich nicht nur in den Oscar-Nominierungen für die Nebendarsteller Christian Bale, Melissa Leo und Amy Adams niederschlägt, sondern auch in der Globe-Nominierung für Hauptdarsteller/Produzent Mark Wahlberg. Sollte «The Fighter» gewinnen, wäre es nach «Rocky» und «Million Dollar Baby» der dritte Boxerfilm, der als bester Film mit Oscar-Gold gekrönt wurde.

Die semi-unabhängig finanzierte, dramatische Komödie «The Kids Are All Right» über die Töchter zweier alternden Lesben, die ihren Vater ausfindig machen, dürfte vor allem vom enormen Darsteller-Block unter den Academy-Mitgliedern unterstützt werden. Neben zwei Darsteller-Nominierungen und der Hauptkategorie fand allein das pointiert und feinfühlig geschriebene Drehbuch Oscar-Anerkennung. Das Independent-Drama «Winter’s Bone», zu guter letzt, gehört trotz seiner vier Nominierungen, zu den absoluten Außenseitern der diesjährigen Verleihung. Die Geschichte einer 17-jährigen, die mit aller Mühe ihre Familie zusammenzuhalten versucht und mit der unwohlen Befürchtung konfrontiert wird, dass ihr Vater starb, ist mit nichtmal sieben Millionen Dollar US-Einspiel der finanziell erfolgloseste „Bester Film“-Anwärter seit über vierzig Jahren und wurde auch nicht für die Auszeichnung der Produzentengewerkschaft berücksichtigt.

«The King‘s Speech» oder «The Social Network»: Der Wettstreit zweier Favoriten
Während sich die Köpfe hinter den acht oben genannten Produktionen über die Nominierung freuen dürfen, können sich die Macher von «The King‘s Speech» und «The Social Network» weiterhin Hoffnungen auf die Statuette machen. Denn selbst wenn das Rennen nach den Siegen von «The King‘s Speech» bei den Auszeichnungen der Produzenten-, Darsteller- und Regiegewerkschaften beendet schien, eröffneten kleinere Gewerkschaftspreise wie der Eddie neue Perspektiven. Dadurch, dass «The Social Network» bei der Filmcutter-Organisation nach zwischenzeitlicher Durststrecke wieder eine Auszeichnung erhielt, steht bereits fest, dass bei den 83. Academy Awards einige ungeschriebene Gesetze gebrochen werden.

Deutlicher gesprochen: Befragt man die Statistiken, müssten eigentlich sowohl «The King‘s Speech», als auch «The Social Network» gewinnen (mehr dazu auch im ersten Teil unseres Oscar-Specials).. «The King‘s Speech» ist der nunmehr 25. Film, der zwölf oder mehr Nominierungen erhielt, und von denen gewannen bisher 17 Stück, was «The King‘s Speech» nach den Siegen bei den drei wohl wichtigsten Filmgewerkschaften weiter den Rücken stärkt.

Allerdings bedeutet eine „Bester Film“-Ehrung für «The King‘s Speech», dass mit «The Social Network» erstmals ein Film, der sowohl den Golden Globe gewann als auch vom National Board of Review und dem New York Film Critics Circle als bester Film prämiert wurde, ohne den Oscar in der Hauptkategorie das Kodak Theatre verlässt. Des Weiteren gilt «The Social Network» als Favorit in der Schnitt-Kategorie sowie in der Sparte für das beste Original-Drehbuch. Sollte David Fincher obendrein Tom Hooper in der Regie-Kategorie ausstechen, wäre «The Social Network» nach Soderberghs «Traffic» (2000) und «Ein Platz an der Sonne» (1951) erst der dritte Film, der trotz Regie-, Drehbuch- und Schnitt-Oscars nicht als bestes Gesamtwerk prämiert wird. Noch unwahrscheinlicher wäre einzig und allein, dass nach all diesen Indikatorpreisen ein dritter Film das Feld stürmt. Angesichts des seit vergangenen Jahres gültigen, neuen Abstimmungsverfahren in dieser Kategorie, vielleicht gar nicht einmal so unmöglich. Zuvor musste ein Film bloß die Mehrheit der Stimmen erhalten. Wenn früher 49% der wahlberechtigten Academy-Mitglieder den Favoriten der Mehrheit hassen, spielte dies keine Rolle. Mittlerweile wird allerdings der Film gesucht, auf den sich die meisten Academy-Mitglieder einigen können. Zur Erklärung ein krasses Beispiel: 50% finden «The King‘s Speech» unter den zehn nominierten Filmen am besten und «The Social Network» am viertbesten. Bei den anderen 50% verhält es sich genau andersherum. Aber auf allen Stimmzetteln wurde «Toy Story 3» als zweitgrößter Favorit genannt. In dem Fall wäre Trickfilmgeschichte geschrieben.

Die 83. Verleihung der Academy Awards findet in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar statt. Quotenmeter.de wünscht allen Filmliebhabern eine unterhaltsame Show mit erfreulichen Gewinnern. Selbstverständlich wird die Oscar-Nacht bei uns von einem Liveticker begleitet.
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25.02.2011 14:15 Uhr Kurz-URL: qmde.de/47974
Sidney Schering

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Oscar

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