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Popcorn und Rollenwechsel: Kokowääh on Heaven’s Door

«Kokowääh on Heaven’s Door»: Frauenfilm oder Männerfilm? In Til Schweigers Produzentenbrust schlagen zwei stilistische Herzen.

Til Schweiger. Zwei Seelen schlagen, ach, in dieses Filmemachers Brust. Frage ich meine weiblichen Bekannten nach dem archetypischen Schweiger-Film, sieht er so aus: Im Mittelpunkt steht eine süße, von den Tücken des Alltags herausgeforderte Romanze zwischen zwei Menschen wie Du und Ich. Manchmal wird es auch ein bisschen nachdenklich, aber es ist auch immer wieder herrlich witzig. Und am Ende geht natürlich alles gut aus. Voll schööööön!

Spricht man mich auf diese Art des Til-Schweiger-Films an, also «Keinohrhasen», «Kokowääh» und Konsorten, kommen mir folgende Stichpunkte in den Sinn: Stereotype Geschlechterrollen, seichte Dramatik, knalliger Humor, Promi-Gastauftritte (manche funktionieren, manche sind Angeberei), ausgedehnter sowie amüsanter Sextalk, mindestens eine Szene, in der sich Schweigers Rolle als der Stecher vor dem Herren beweisen darf, gelungener Musikeinsatz, eine zum Haare raufende Überstrapazierung des Stilmittels der Montage, Schweigers für mich schwer verständlich dahinbrabbelnde Tochter Emma Tiger und ein für den deutschen Markt wirklich seltener, selbstbewusster Umgang mit Farbfiltern. Diese verleihen Schweigers Regiearbeiten zwar nicht immer einen durch und durch eigenständigen (allein «barfuss» steht dahingehend auf eigenen Füßen), dennoch einen auffälligen, hochwertigen und schönen Look.

Durch all diese gemeinsamen Berührungspunkte, die hohe Frequenz mit der Schweigers Romantik- und Tragikomödien erscheinen sowie ihre tonale Ähnlichkeit zu einigen aktuellen Filmen, an denen Schweiger nur als Darsteller beteiligt war (z.B. «Männerherzen»), erlangen diese Regiearbeiten Schweigers allerdings auch eine gewisse Austauschbarkeit. Dabei stand Til Schweiger früher für was vollkommen anderes, als für massenhaft Paare in die Kinos lockende Romantikkomödien. Denke ich an Til Schweigers Filmografie, kommen mir auch seine früheren Werke als Produzent, Autor und/oder Regisseur in den Sinn. Filme aus seiner „Quentin Tarantino ist verdammt cool“-Phase.

Thomas Jahns tragikomischer Road-Gangstermovie «Knockin’ on Heaven‘s Door», co-produziert und mitgeschrieben von Hauptdarsteller Til Schweiger, vereinte zahlreiche Genrezitate (unter denen sich natürlich auch viele Tarantino-Verweise befanden), mit einer gleichermaßen simplen wie rührenden und dennoch witzigen Geschichte über zwei todgeweihten Krebspatienten. Es war wohl Schweigers bislang originellster Film als Autor und Produzent. 1998, also ein Jahr später, folgte Schweigers Regiedebüt, die Gangsterkomödie «Der Eisbär». Diese war ein noch deutlicherer Liebesbrief an Tarantinos Frühwerk (Zyniker würden «Der Eisbär» als möchtegern-coole Trittbrettfahrerei bezeichnen), und selbst wenn er nicht so eindrucksvoll wie «Knockin’ on Heaven‘s Door» ausgerundet war, so war es ein ansehnliches Regiedebüt. Und eine professionell umgesetzte Fan-Hommage.

Und selbst wenn sich Schweigers frühere Filme einiges mit seinem jetzigen Produktionsausstoß teilen, etwa die Glorifizierung des Schweiger-Sex’ (muss der Mann eigentlich was kompensieren, oder ist das schlicht sein Stil?), böten sie heutzutage einen ersehnenswerten frischen Wind. Nach der x-ten Schweiger-Komödie nach dem «Keinohrhasen»-Schema wäre eine kernige Gangsterkomödie einfach mal wieder etwas anderes. Bloß befürchte ich, dass wir auf die willkommene Abwechslung noch lange warten können. Denn «Keinohrhasen» lockte 6,3 Millionen Besucher die Kinos, während «Knockin’ on Heaven‘s Door» 3,6 Millionen erreichte. Auch «Zweiohrküken» konnte mehr Kinokarten verkaufen, während «Der Eisbär» sogar an der Millionengrenze scheiterte. Der neue Schweiger scheint profitabler. Aber wieso?

Nun, möchte man die Geschlechter-Klischeekiste öffnen, und angesichts Schweigers Neigung dazu, wäre das in diesem Fall irgendwie angebracht, liegt die Lösung klar auf der Hand: Als Mann geht man mit ein paar Kumpeln in Filme wie «Der Eisbär», «Reservoir Dogs» oder «Brummende Gangster, brennende Autos und barbusige Blondchen». Frauen hingegen gehen erst mit ihren allerbesten Freundinnen in die ersten Vorstellungen von «Keinohrhasen», bevor sie ihren Freund in den Film prügeln. Also ist das männliche Geschlecht selbst schuld, dass Schweiger zum Frauenflüsterer mit Schlafzimmerblick mutierte. Er hätte auch der markige Kumpel bleiben können, mit dem man ein Bier trinken will, und der Filme dreht, deren Kultvorbilder wir alle im Regal zu Hause stehen haben.
07.02.2011 00:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/47557
Sidney Schering

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Popcorn

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