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Glenns Gedanken: Ein Herz für Comedians

Stand-Up-Comedy ist eine Kunst, die man wertschätzen sollte, meint unser Kolumnist.

Was versteht man eigentlich unter Stand-Up-Comedy? Es handelt sich um ein Subgenre der Kleinkunst bzw. der darstellenden Künste. Zur Kleinkunst zählen kleine Theaterspiele, Chansons, Zauberei, Marionettentheater, Varietés, Kabarett, aber eben auch Comedy. In anderen Ländern, allen voran den USA, hat die Stand-Up-Comedy eine jahrelange Tradition mit Stars wie Jerry Seinfeld, Robin Williams oder Dave Chappelle. In Deutschland hingegen fehlte diese Form der Comedy jahrzehntelang. Stattdessen gab es in den 70er und 80er Jahren eine Hand voll "Spaßvögel" wie Otto Waalkes, Mike Krüger oder Karl Dall, die überwiegend mit musikalischen Nonsensliedern Erfolge feiern konnten. Erst in den 90er Jahren hat sich mit der Gründung von Thomas Hermanns' «Quatsch Comedy Club» allmählich eine kleine Szene aufgebaut, und Künstler wie Michael Mittermeier, Ingo Appelt und Rüdiger Hoffmann traten zum ersten Mal vor einem Fernsehpublikum auf. Nach und nach wurde die Stand-Up-Comedy in Deutschland bekannter, es kamen zahlreiche neue Gesichter hinzu und es entstanden weitere TV-Shows wie «NightWash» oder «Fun(k)haus».

Zunächst blieb die Stand-Up-Comedy im TV-Programm ein Nischenformat und war an äußerst späte Sendeplätze gebunden. Doch dann kam Mario Barth und mit ihm eine unvorhersehbare Welle an öffentlichem Interesse an Stand-Up-Comedy. Seit er 2005 ein RTL-Gesicht wurde, gab es einen regelrechten Comedy-Boom. Plötzlich schossen zahlreiche neue Primetime-Shows wie «Cindy aus Marzahn & Die jungen Wilden» oder «Willkommen bei Mario Barth» wie Pilze aus dem Boden. Selbst der «Quatsch Comedy Club» wechselte zeitweise auf den 21:15 Uhr-Sendeplatz. Darüberhinaus werden seither komplette Liveprogramme diverser Comedians auf Privatsendern zu ansprechenden Sendezeiten ausgestrahlt. Solche Formate waren bis dato lediglich versteckt im Nachtprogramm der Dritten zu sehen.

Doch mit dem zunehmenden Erfolg wuchs auch die Zahl der Kritiker. Bei vielen Zuschauern löst der Begriff Stand-Up-Comedy mittlerweile einen Abschaltimpuls aus. Teilweise schlicht aufgrund von Übersättigung, teilweise aus ungerechtfertigter Verurteilung. Mario Barths Omnipräsenz hat sicherlich seinen Teil dazu beigetragen, dass einige Menschen der Stand-Up-Comedy insgesamt abgeschworen haben. Oft hört und liest man Kommentare wie "Boah, ist der schlecht!" oder "Der Typ ist so unlustig!" und merkt eine tiefe Abneigung gegenüber Comedians. Sicher ist nicht jeder Komiker gleichermaßen talentiert und auch nicht jeder Auftritt gelingt, doch letztendlich ist es ganz einfach eine Geschmacksfrage. Es gibt anscheinend Leute, die weiterhin über Mann/Frau-Klischees (Mario Barth), Ausländerklischees (Kaya Yanar) und Unterschichtenklischees (Cindy aus Marzahn) lachen können. Doch daneben gibt es auch noch genügend weitere Comedians, die anderen Formen der vielschichtigen Kunst der Stand-Up-Comedy nachgehen. Diese findet man allerdings weniger bei RTL, sondern eher in den diversen Comedy-Formaten des WDR, BR und NDR.

In Deutschland grassiert momentan eine Aversion gegen Stand-Up-Comedy. Zu albern, zu flach, zu primitiv. Gerne wird auch der Vergleich mit der angeblich glorreichen Alternative des politischen Kabaretts herangezogen. Diese strikte Trennung zwischen Comedy und Kabarett existiert typischerweise ausschließlich in Deutschland. Der anspruchsvolle Intellektuelle zieht es vor, sich in Anzug und mit Schlips in einen Kabarettkeller zu setzen, während der banale Yuppie in die schrille Comedyveranstaltung geht. Ob es wirklich anspruchsvoll ist, sich von einem kabarettistischen Ideologen erklären zu lassen, wie er die Welt verbessern würde, und seine allumfassende Politikerschelte mit zustimmendem Applaus zu quittieren, sei mal in Frage gestellt. Fakt ist, die Grenzen zwischen Kabarett und Comedy sind fließend, wie sich an wunderbaren Vertretern wie Dieter Nuhr und Josef Hader exemplarisch belegen lässt. Ob nun Comedy oder Kabarett: Es gehört zu den schwierigsten Disziplinen, Menschen zum Lachen zu bringen, und wer sich einmal vorurteilsfrei mit diesem Thema befasst, wird feststellen: Stand-Up-Comedy ist nicht stumpf, sondern eine Kunst.

Ich verabschiede mich hiermit in die Weihnachtspause und melde mich Anfang Januar mit neuen Gedanken zurück.
19.12.2010 00:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/46530
Glenn Riedmeier

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Glenns Gedanken

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