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«Geliebte Schwestern»: Heiße Kittel treiben’s wild...oder auch nicht!

Christian Richter erinnert an all die Fernsehmomente, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 50: «Geliebte Schwestern»: Eine sexy Großstadt-Soap, in der sowohl die Großstadt als auch der Sex fehlten.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir der erotischen Phantasien deutscher Fernsehproduzenten.

«Geliebte Schwestern» wurde am 02. Juni 1997 in Sat.1 geboren und entstand zu einer Zeit, als Dank «Gute Zeiten, Schlechte Zeiten», «Unter Uns», «Marienhof» und «Verbotene Liebe» der Erfolg der Daily Soaps in Deutschland weiterhin ungebrochen schien. Dumm nur, dass diese Formate ausschließlich bei der Konkurrenz beheimatet waren und der Sender Sat.1 bisher keine eigene Variante langfristig platzieren konnte. Ein erster Versuch mit der im ländlichen Umfeld angesiedelten Serie «So ist das Leben! Die Wagenfelds» scheiterte zuvor kläglich. Gleichzeitig erfreuten sich aber die Produktionen «Für alle Fälle Stefanie», «Alphateam» und «Hallo Onkel Doc!» im Abendprogramm großer Beliebtheit. Was lag daher näher, als einen neuen Anlauf zur Etablierung einer Seifenoper diesmal im Krankenhausmilieu anzusiedeln?

Um sich bewusst von den biederen Wagenfelds abzuheben, spielte das Team nun bewusst die Sex-Karte und räumte in den Geschichten neben den obligatorischen Motiven Ehrgeiz, Neid, Liebe, Spaß und Frust immer wieder Raum für sexuelle Abenteuer ein. Außerdem rückte man keine erfahrenen Chefärzte, sondern die fünf attraktiven Schwesternschülerinnen Angie, Michi, Ronnie, Karen und Nadine ins Zentrum der Handlung, die in einem fiktiven Berliner Krankenhaus arbeiten und die unzähligen Turbulenzen ihres Dienst- und Liebesleben meistern mussten. Junge Krankenschwestern, kurze Kittel, verruchte Doktorspiele – zumindest konzeptionell ließ man kein pornographisches und sexistisches Klischee am Wegesrand liegen. Entsprechend zweideutig wurde die Reihe vor ihrem Start mit Sätzen wie "Dein Blutdruck ist zu hoch, das muss an mir liegen" beworben.

Erwartungsgemäß stellte sich die plumpe Kampagne schnell als Mogelpackung heraus, denn weder gab es im Ergebnis besonders viel Sex noch nackte Haut zu sehen, was vor allem mit der Ausstrahlung am Vorabend begründet war. Wer möchte schon stöhnende Krankenschwestern sehen, während man mit seiner versammelten Familie in das abendliche Leberwurstbrot beißt? Ähnlich enttäuschend verhielt es sich mit dem versprochenen Großstadt-Flair, den der moderne und frische Handlungsort Berlin liefern und ein ebenso hippes und junges Publikum anziehen sollte. Weil sich allerdings die Studios in der Nähe von Köln befanden und damit die Wege in die Hauptstadt weit waren, wurden die Außendrehs vor Originalkulissen und damit zugleich das erhoffte Großstadtgefühl auf ein Minimum reduziert.

Für den anvisierten Sex-Appeal war als eine der Krankenschwestern die Schauspielerin Xenia Seeberg zuständig, die davor mit einer kurzen Gastrolle in «Verbotene Liebe» bereits ins Geschäft hinein schnuppern konnte und in «Knockin On Heavens Door» einen noch kürzeren Auftritt auf der Kinoleinwand erleben durfte. Außerdem gehörten Daniel Hartwig (Sohn des Fußballers Jimmy Hartwigs – nicht der spätere Moderator des Dschungelcamps!) sowie Radio-Legende Ingo Schmoll zur Besetzung. Letzterer erreichte bereits als langjähriges Jurymitglied der «Mini Playback Show» eine gewisse Bekanntheit.

Bei der Wahl des Sendeplatzes um 19.00 Uhr wollte man ebenfalls aus den Fehlern der Wagenfelds lernen und ließ das neue Format absichtlich nicht gegen eine langjährige Soap antreten, sondern entschied sich mit «Alle zusammen - Jeder für sich» für den schwächsten Kontrahenten. Doch alle Bemühungen halfen nicht, denn auch die zweite Seifenoper in Sat.1 wollte kein großes Publikum finden. Zwar ließen sich die Programmverantwortlichen die Talfahrt wesentlich länger gefallen als bei den Wagenfelds, doch nach rund einem Jahr verloren sie endgültig die Geduld und setzten die sexy Schwestern vor die Tür. Die letzten zehn Ausgaben liefen gar nur noch am Samstagmittag nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

«Geliebte Schwestern» wurde am 13. Juni 1998 beerdigt und erreichte ein Alter von 250 Folgen. Die Serie hinterließ die Schauspielerin Xenia Seeberg, die ab der zweiten Staffel die Hauptrolle in der internationalen Ko-Produktion «Lexx – The Dark Zone» übernehmen und auf diese Weise etwas weltweiten Ruhm erlangen konnte. Derweil begann Daniel Hartwig eine kleine Karriere als Moderator bei VIVA und RTL II sowie später als Darsteller im RTL-Klassiker «Die Wache». Übrigens, trotz des geringen Zuspruchs, wurde «Geliebte Schwestern» mehrfach in Form von Wiederholungen wiederbelebt - zunächst im Jahr 1999 durch Sat.1 selbst und noch einmal rund zehn Jahre später durch den österreichischen Kanal Puls 4. Jüngst hauchte der Sender Anixe den fast verwesten Überresten neues Leben ein, wo sie im täglichen Vorabendprogramm noch einmal scheintot umherschleichen dürfen. Indessen ließ sich die Führungsetage von Sat.1 von der Idee, den Vorabend mit medizinischen Geschichten bestücken zu lassen, nicht abbringen und wagte mit «Krankenhaus Lichtenberg» im Jahr 2001 einen anderen Ansatz. Diesmal waren nämlich sowohl die Patienten als auch die Ärzte echt, was der Doku-Soap dennoch nicht den so sehr erhofften Erfolg einbrachte.

Möge die Serie in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann einer Horde Ruhrpott-Proleten.
20.08.2009 08:40 Uhr Kurz-URL: qmde.de/36788
Christian Richter

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