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Virtual Advertising: Wem gehört die Werbung?

Mit Hilfe von aufwändigen Rechenleistungen, Augmented Reality und Internetübertragungen könnte beispielsweise der Sport für immer verändert werden.

Mit harten Bandagen kämpften die Klubfunktionäre und Marketingagenturen noch in den 60er Jahren gegen die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARD und ZDF, denn Bandenwerbung wurde erst im Jahr 1970 erlaubt. Bis man die rechtlichen Rahmen steckte, galt die Werbeform als Schleichwerbung. Zuvor wurden bei Sportübertragungen die Werbetafeln deshalb entweder abgebaut oder abgehängt. Ein Bild, das man sich heute so nicht mehr vorstellen kann. Inzwischen haben sich die Zuschauer an die grellen Werbespots gewöhnt. Doch noch heute gilt Werbung als problematisch, wenn der übertragende Fernsehsender die Grenzen der Werbung mit Hilfe von weiteren Werbebotschaften sprengt. Ein Beispiel waren immer die Sportevents von Stefan Raab, weil hinter Produktionsfirma und Fernsehsender die Unterscheidungen deutlich geringer sind als Hersteller und Sportteam. Raab machte daraus ein Geschäftsmodell, Fernsehwerbung mit Bandenwerbung zu verzahnen. Doch wem gehört überhaupt die Bandenwerbung im Fernsehen?

Derzeit dürfen sich weiterhin die vielen Sport-Klubs auf die Einnahmen freuen. Neben den statischen Werbetafeln in Fußballligen jenseits der 3. Liga hat sich zum Beispiel für den DFB-Pokal ein Geschäftsmodell daraus entwickelt. Wenn eine halbe Fußballweltmeisterschaft innerhalb von fünf Tagen ausgetragen wird, werden dynamische LED-Banden im Namen des Deutschen Fußball Bundes ausgefahren. Die Klubs müssen sich dem Werbezwang beugen, immerhin bekommen sie einen nicht unerheblichen Teil des Werbebudgets ab. Für die kleinen Sportvereine ist der Geldregen auch oft ein Segen.

In den letzten Jahren hat auch endlich die Augmented Reality Einzug in den deutschen Fußballsport gefunden. Der Fernsehsender Sky experimentierte schon lange während Live-Übertragungen herum, was beim klassischen Fernsehen wie beim Dschungelcamp oder in zahlreichen Dokumentationen üblich ist: Die Kamera bewegt sich, der Text oder eine Grafik schwenkt zeitgleich mit um. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat beim Supercup 2021 erstmals diese Technik getestet und so konnten die Testpersonen mit „Smart Glasses“ beispielsweise ein dreidimensionales Feld am unteren Spielfeldrand sehen.

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat Ex-Weltmeister- und Bundesliga-Spieler Philipp Lahm mit den neuartigen Brillen ausgestattet, um auf die Neuentwicklung aufmerksam zu machen. Lahm meinte, es sei „super interessant, da man jederzeit Echtzeitdaten zu den einzelnen Spielern abrufen kann.“ Die interaktiven Grafiken und Spielfelder sehen derzeit ähnlich uninspirierten aus wie das Facebook-Metaverse, doch den Entwicklern hinter der Technologie geht es gar nicht darum, dass man sich neuerdings wieder Brillen aufsetzt. Schon vor einem Jahrzehnt floppte ein weiterer Versuch dreidimensionales Fernsehen zu entwickeln. Weder die Kino-Gänger waren bereit, eine weitere Brille aufzusetzen, noch dafür Geld zu bezahlen. Der 3D-Kanal von Sky bot immerhin ab und an eine dreidimensionale Übertragung an, aber das Projekt ist schon lange beerdigt und wird auch nicht mehr ausgegraben. Fraglich, wie sich die Apple-Brille auf dem Markt einfügen wird.

Das Ziel ist die Entwicklung der „Virtual Advertising Technology“ und damit der neuen Cash-Cow des Livesports. Bislang werden bei Fußball-Testspielen oder -Turnieren damit experimentiert, dass mit einer doppelten Anzahl von Kameras gearbeitet wird. So filmen die „deutschen Kameras“ die deutschsprachigen Werbebanden, während das auswärtige Team die Gegengerade zu sehen bekommt. Mit diesem recht einfachen Trick können derzeit die Werbeerlöse deutlich gesteigert werden.

Doch in Zusammenspiel mit der virtuellen Werbetechnologie und Internetfernsehen kann für jeden landespezifischen Anschluss oder gar Haushalt ein separates Angebot geschnürt werden. Bringt man diese Technologien nun noch mit Nutzerprofilen wie dem eigenen Amazon-Konto zusammen, dann entstünde eine völlig neue Art von Werbung. Mit Hilfe der zahlreichen bisher gesammelten Daten und der künstlichen Intelligenz wären Technologie-Konzerne wie Netflix, Amazon oder Google in der Lage, die Werbewelt zu revolutionieren.

Bislang ist der Fernsehanschluss dank fehlendem Rückkopplungskanal noch ein Garant für Datenschutz, aber wenn sich das Internet-Fernsehen weiterhin so konsequent durchsetzt, können die Werbefirmen die Werbebanden völlig neu veräußern. Beispielweise könnten große Agenturen ihre Werbebanner einfach bei Google platzieren, wie sie es jetzt schon tun. Das Ergebnis ist allerdings dann nicht etwa ein Banner in einer Suchmaschine, sondern innerhalb einer Sportübertragung.

Doch bei dieser riesigen Werbespielerei stellt sich auch die Frage, wem am Ende die Werbung noch gehört. Die Sportvereine werden sicherlich Möglichkeiten suchen, um die Werbeerlöse zu maximieren. Doch wie sieht es mit den Sportveranstaltern aus? Wenn Google der Anbieter der Werbetechnologie wird, dann könnte es problematisch werden, wenn diese Partien bei YouTube – wie es mit Highlights-Clips passiert – ausgespielt wird. Theoretisch könnte schon bald die virtuelle Werbetechnologie dafür sorgen, dass YouTube-Zuschauer maßgeblich beeinflusst werden.

Vor allem müssen die Marktbeobachter aufpassen, dass ihnen der Spielraum nicht aus den Händen gerät. Noch agieren alle Unternehmen innerhalb der deutschen Grenzen. Doch das Spiel könnte sich schon bald in andere Länder wie die Vereinigten Staaten von Amerika verlagern. Anbieter wie DAZN oder Amazon benötigen keine linearen Fernsehsender, wenn der Markt sich weiter wandelt, wird das Fernsehen schon bald nur noch über das Internet abgewickelt. Schon jetzt ist die Lizenz eines deutschen Vollprogramms irrelevant, weil ein Kabelnetz nicht mehr auf wenige Fernsehsender beschränkt ist. Mit den amerikanischen Streaming-Giganten könnte Werbung schon bald eine völlig neue Rolle spielen.

Das Online-Versandhaus Amazon hat in einigen Märkten schon ein paar Sportrechte eingekauft, in Deutschland darf man im Dienstagabend die Spiele der UEFA Champions League übertragen. Interessanterweise hat sich der Konzern seit seinem Einstieg ins Fußballgeschäft vor knapp fünf Jahren noch nicht geäußert, was man mit den Live-Partien erreichen möchte. Mit nur einem Spiel schließt wohl kaum einer ein Prime-Abo ab, auf der anderen Seite werden in den Übertragungen auch keine großen Verkaufsaktionen getätigt. Angebote wie die hauseigenen Alexa, Merchandising von Fußball-Partien oder heruntergesetzte Fernseher werden nicht beworben. Man muss deshalb genau auf die Unternehmen achten, die große Budgets in einen Markt werfen: Aus Nächstenliebe wird Amazon mit Sicherheit nicht die Partien erworben haben. Vielleicht wird man schon bald aus dem Werbenetz des Großhändlers passende Anzeigen bei den Übertragungen zu sehen bekommen…
31.07.2023 11:57 Uhr Kurz-URL: qmde.de/143031
Fabian Riedner

super
schade


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